»So? Wie das?«
»Er war Rundfunkmoderator. Vielleicht kennen Sie Schmidts Klassik?«
»Sie sind tatsächlich die Tochter von Artur Schmidt? Ich habe seine Sendung geliebt, jeden Samstag vor dem Radio gesessen ... Er ist meines Erachtens viel zu früh in Pension gegangen, wie geht es ihm?«
»Ja, das bin ich wohl.« Sie lächelte stolz. »Meinem Vater geht es sehr gut. Er lebt mit meiner Mutter inzwischen in Spanien. Sie haben sich ihren Traum erfüllt und sind wegen des Klimas dorthin gezogen. Leider sehe ich ihn selten und wir kommen nur gelegentlich dazu, gemeinsam etwas zu unternehmen.«
»Sehr schade ... Aber wenn Sie das Musikverständnis Ihres Vaters haben, gehen Sie sicher wohl auch gern in die Oper?«
»Ooooh, ich bin bei weitem nicht so belesen auf dem Gebiet wie er. Aber mit der Oper haben sie recht. Ich habe leider nur selten Gelegenheit. Mein Vater und mein Onkel sind die einzigen, die mich begleiten und beide haben gut gefüllte Terminkalender ...«
»So ist das bei uns älteren Herren, wir sind begehrt ...« Beide mussten lachen. »Aber mal etwas völlig anderes, was macht eine nette, junge Dame wie Sie an einem Tag wie diesem im Krankenhaus?«
»Mein Freund hatte gestern einen Autounfall und ich habe gerade erst davon erfahren. Er ist wohl noch zu einer Untersuchung. Die Schwester bat mich, hier zu warten.«
»Natürlich steckt ein Mann dahinter ...« Er zwinkerte ihr zu und grinste.
»Ja, so ist das mit uns jungen Frauen. Wir sind begehrt ...« Beide schmunzelten. »Was führt Sie hierher, wenn ich fragen darf?«
»Dürfen Sie ... Der Chefarzt ist ein alter Freund von mir, den ich hin und wieder besuche. Wir wollten gemeinsam essen gehen, aber er hat noch Visite. Ich komme nicht gern ins Krankenhaus. Meine Frau verstarb hier und ...« Er seufzte.
»Das tut mir sehr leid.«
»Ach wissen Sie, das ist eine Ewigkeit her, aber hin und wieder berührt es mich noch sehr.«
Elisabeth bot ihm ein Taschentuch.
»Danke ...«
In diesem Moment erschien die Krankenschwester und blickte argwöhnisch auf Elisabeth, dann auf den älteren Herrn.
»Frau Schmidt, sie können jetzt zu Herrn Fürst.«
»Danke. Ich werde gleich kommen.«
Sie wartete, was ihr Gesprächspartner noch erzählen mochte.
»Gehen Sie zu Ihrem Freund, ich werde meinen Kaffee austrinken und wohl auch nicht mehr lang warten müssen.«
»Na gut.« Sie zwinkerte.
»Ich danke Ihnen für unsere kleine Konversation. Und den Kaffee!«
»Gern geschehen.« Elisabeth zückte eine ihrer Visitenkarten und notierte ihre private Handynummer darauf. »Rufen Sie mich gern an, wenn Ihnen der Sinn nach Oper steht!«
»Vielen Dank.« Er las den Namen auf der Karte. »Elisabeth. Ich ziehe es gern in Erwägung. Passen Sie gut auf sich auf!«
»Und Sie auf sich, Herr –« Ihr fiel auf, dass sie seinen Namen nicht kannte, sie hatten sich nicht vorgestellt.
»Nennen Sie mich einfach Georg.«
»Gut, dann auf Wiedersehen, Georg und viel Vergnügen gleich beim Essen!«
»Danke sehr!«
Sie winkte noch kurz, als sie den Raum verließ und ging den Gang hinunter zu Moritz’ Zimmer. Die drei Schwestern, denen sie begegnete beäugten sie kritisch. Elisabeth sah an sich hinunter. Hatte sie eine Laufmasche? Einen Fleck auf dem Rock? Nein. Nichts dergleichen. Sie fühlte sich seltsam beobachtet. Schulterzuckend klopfte sie an.
»Ja, bitte!?«
Sie steckte den Kopf zur Tür hinein und sah Moritz, wie er in Jeans und T-Shirt auf einer kleinen Couch herumlümmelte. Ein Bluterguss zierte sein linkes Jochbein, sonst schien er wohlauf.
»Hey ...« Er stand auf und lief ihr entgegen, umarmte sie stürmisch und küsste sie. »Du hast mir so gefehlt ...«
»Nicht so hastig ... nach allem, was ich weiß, sollst du dich schonen!?«
»Professor Altenbach sagt, dass mein Kopf heile geblieben ist. Und der Rest wächst auch schnell wieder zusammen.«
»Na immerhin. Wäre ja auch schlimm, wenn du plötzlich ein Gedächtnis wie wir Normalsterblichen hättest und auch mal Sachen vergessen würdest.«
»Ha, ha. Komm her, du freches Etwas ...« Er schloss sie in die Arme und sie versanken in einem erleichterten Kuss. Ohne, dass es vorher geklopft hätte, ging die Tür auf und eine Schwester kam herein. Sie sah Moritz irritiert an.
»Oh. Ich wusste nicht, dass Sie Besuch haben. Ich muss Ihren Blutdruck messen.«
»Na dann.« Moritz grinste, setzte sich und streckte ihr den Arm entgegen. Die Schwester lächelte ihn an, legte die Manschette um und steckte das Stethoskop in die Ohren.
»Fein. 120 zu 80, wie im Bilderbuch.«
»Haben Sie etwas anderes erwartet, Schwester Sandra?«
»Nicht von Ihnen.« Sie notierte den Wert, nahm die Manschette wieder ab und ging mit schwingenden Hüften aus dem Zimmer.
»Auf Wiedersehen!«, sagte Elisabeth mit Blick zur Tür und wandte sich Moritz zu.
»Eifersüchtig?« Er blickte sie unterwürfig an.
»Ein bisschen ... Vielleicht«, kokettierte sie.
»Kein Grund. Mein Herz vergebe ich nur einmal. Und wie du wissen solltest, gehört es dir ...« Er küsste sie sanft, entschuldigend.
»Du bist süß ...« Sie schmunzelte. »Ich bin so froh, dass es dir gut geht. Was ist passiert?«
Sie setzten sich und Moritz erzählte ihr, was er bereits erfahren hatte. Die Polizei war am frühen Morgen da gewesen und hatte ihn vernommen. Er hatte an den Unfallhergang keine Erinnerung; dass er so schnell unterwegs war, konnte er nur vermutend bestätigen. Auf diesem Autobahnabschnitt gab es keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Nur der Gurt und die Airbags hätten ihm das Leben gerettet. Und die Tatsache, dass er im Landrover viel Aufprallschutz um sich herum hatte.
»O je. Und ich dachte schon, du hättest es dir mit mir anders überlegt!« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»Ja, jetzt wo du es schon ansprichst ...«, grinste er, »die Schwestern hier sind äußerst nett und zuvorkommend. Ich fürchte ...«
»Und da ist er wieder: Moritz Machoman Fürst ...« Sie zürnte ihm ein wenig. Ihr war klar, dass er sie aufziehen wollte, aber nach diesem turbulenten Morgen stand ihr gerade nicht der Sinn danach.
»Hey ... Nicht schmollen. Das war Spaß.« Aufmunternd sah er sie an. Elisabeth streckte ihm die Zunge raus. »Bäh, fieser Spaß.«
»Zunge raus, das tut man nicht, denn das heißt, ich liebe dich ...« Moritz grinste und Elisabeth zog die Nase kraus.
»Püh ... Dann eben nicht.«
In seinen Arm gelehnt saß sie neben ihm auf dem Sofa. »Gibt es schon eine Info, wie lange du bleiben musst?«
»Hm. Nicht wirklich. Privatpatienten lässt man ja gern länger liegen. Ich schätze aber, dass ich spätestens Freitag gehen darf.«
»Klingt jetzt weder lang noch kurz. Aber wieso bleiben, wenn du eigentlich fit bist?«
»Das Schmerzmittel darf nur unter Aufsicht gegeben werden und der Arzt meint, ich sollte lieber noch ein paar Tage kürzer treten. Ich fürchte, dass er mich zu gut kennt.«
»Tut er das?«
»Ja, irgendwie. Ich bin hier aufgewachsen. Jede Prellung, beide Armbrüche und alle drei Gehirnerschütterungen, die ich hatte, sind hier behandelt worden. Professor Altenbach war damals noch Assistenzarzt und kennt mich quasi von klein auf.«
»Na, du warst aber ein wildes Kind ...«
»Hm. Im Nachhinein ... Sagen wir, dass es 50 % Unfälle waren und 50 % getarnte Unfälle, denen eigentlich eine Keilerei zwischen meinem Bruder und mir zugrunde lag.«
»Das wird ja immer besser ...«
»Ähm, ja. Mein Bruder war übrigens öfter in der Notaufnahme als ich.«
Sie kicherte. »Hervorragend. Ich habe also einen Schläger zum Freund.«
»Sagen wir so: Ich hab mit zwölf angefangen zu boxen und steige auch heute noch ganz gern in den Ring oder vermöble den Boxsack auf dem Dachboden. Ein Schläger bin ich aber nicht. Nicht wirklich.«
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