„Guten Tag“, grüßte ich freundlich und lächelte den Mann an, der aber weiterhin stumm blieb. Vielleicht war er ja Grieche und der deutschen Sprache nicht mächtig. „Ich hätte gerne ein Bier.“
Er kritzelte etwas, wandte sich wortlos um und schlurfte wieder davon. „Und etwas Wasser für den Hund“, rief ich ihm hinterher, bevor ich mich der Speisekarte widmete.
Ein Steak suchte ich allerdings vergebens und überlegte noch, was ich mir stattdessen bestellen sollte, als der Grieche wieder mit meinem Bier heranschlurfte. Erneut zückte er seinen Block und sah mich abwartend an.
Bestimmt war der Mann stumm oder kannte unsere Sprache nicht. Zumindest konnte er sie nicht sprechen, denn meine Bierbestellung war ja bei ihm angekommen. Leider fehlte aber das Wasser für Bingo.
Dann überraschte mich der Ober doch noch, indem er fragte: „Was esse?“, wobei er auf die Karte zeigte.
Mein Blick fiel auf eine Grillplatte mit dem vielversprechenden Namen ‚Hadesplatte‘ für zwei Personen. Souvlaki, Bifteki, Leber, Gyros, Pommes und Salat. Genau das, was ein Jonathan Lärpers jetzt vertragen konnte. Die Leber würde ich großzügigerweise Bingo überlassen. Mit Innereien hatte ich es nicht so ...
„Ich nehme die Hadesplatte aber bitte ohne Salat. Vielleicht können sie ja statt des Salates eine doppelte Portion Pommes dazulegen. Und bitte eine Schale Wasser für den Hund.“
Wieder kritzelte der Mann auf seinem Block herum, bevor er schlurfend verschwand.
Inzwischen hatten sich meine Augen an das Halbdunkel gewöhnt und ich sah, dass das lokal nahezu leer war. Lediglich ein älteres Ehepaar saß an einem Tisch und beide löffelten eine Suppe, die mir aus grünen Bohnen zu bestehen schien.
Die Hadesplatte kam nach einer langen Wartepause. Leider doch mit Salat und ohne doppelte Pommes. Bingos Trinkwasser wurde in einer kleinen Flasche geliefert, wobei es sich um normales Mineralwasser mit Kohlensäure handelte. Die Pommes befanden sich in einer separaten Schüssel, die ich nutzte, um das Wasser hineinzugeben. Natürlich erst, nachdem ich die Pommes auf meinen Teller geschaufelt und die Kohlensäure aus dem Mineralwasser geschüttelt hatte ...
Das Essen riss ein riesiges Loch in meine verbliebenen Barbestände. Vermutlich würde es am Abend lediglich für ein kleines Steak reichen, doch zunächst einmal war ich gesättigt. Und die zwei Scheiben Leber schienen Bingo hervorragend zu schmecken, was er mit einem zufriedenen Grunzen kundtat.
Auf der Rückfahrt zu meiner Ferienwohnung machte ich mir Gedanken, wie ich den Rest des Tages verbringen und - vor allen Dingen - die Geldbeschaffung morgen durchführen würde. Die Vermieterin hatte sich für die Restzahlung auf keine Uhrzeit festgelegt, so dass ich direkt morgen früh zu dieser Sparkasse fahren wollte und sie danach bezahlen konnte. Und den Nachmittag heute könnten Bingo und ich am Strand verbringen. Sonne, Meer, Sand und der würzige Duft der Nordsee ...
Ein Mann und sein Hund im Urlaub. Was gab es denn Schöneres?
Pünktlich um eine Minute nach zehn Uhr betrat ich die Filiale der Sparkasse in Neuharlingersiel. Der gestrige Nachmittag war herrlich gewesen. Bingo und ich genossen einen langen Spaziergang durch warmen Sand und kaltes Meerwasser, wobei der Malinois sich offensichtlich an das vergangene Jahr erinnerte, als er versucht hatte, von dem Salzwasser zu trinken. Diesmal vermied er es, seine Schnauze in das salzige Nass zu stecken und nahm stattdessen dankbar von dem mitgebrachten Wasser, das ich ihm reichte. Ein wirklich herrlicher Nachmittag!
„Du wartest hier“, wies ich meinen haarigen Freund an und zeigte auf eine Stelle im Schatten. „Es wird nicht lange dauern und danach gehen wir wieder an den Strand.“ In Gedanken fügte ich hinzu: Und zum Mittag gönne ich mir endlich ein riesiges Steak mit einer doppelten Portion Pommes. Und viel, viel Mayonnaise. Die Aussichten für den heutigen Tag waren einfach nur rosig.
Die Sparkasse lag noch leer und verlassen vor mir, lediglich zwei Angestellte arbeiteten hinter einem langen Tresen an ziemlich veralteten Computerbildschirmen. Die klobigen Monitore konnte man gut und gerne als Antiquitäten bezeichnen, was mich zu einem Lächeln animierte. In diesem Teil der Welt schien die Zeit stehengeblieben zu sein, doch so lange ich hier mein Geld bekam, spielte das für mich keine Rolle. Einzig der in einer Ecke stehende übergroße Safe schien ziemlich neueren Datums zu sein. An seiner Front prangte eine moderne Zahlentastatur mit einem Handscanner. Offensichtlich gab es hier keinen separaten Tresorraum.
Einer der Sparkassenmitarbeiter, ein ziemlich dicker, kahlköpfiger Mann mit einem viel zu engem Hemd und übergroßen Schweißflecken unter den Achseln, erhob sich schwerfällig als er mich am Tresen bemerkte. Mit einer übertrieben theatralischen Geste drückte er eine Taste und kam dann auf mich zu.
„Moin. Was kann ich für sie tun?“
„Guten Morgen. Ich möchte von meinem Konto etwas Geld abheben“, lächelte ich und kramte meine Bankkarte hervor. „Leider ist die Karte defekt, so dass ich nicht an einem Automaten Geld bekommen kann.“
„Sind sie denn Kunde bei uns?“
Ich spürte, wie ich etwas bleich im Gesicht wurde. „Nein, aber ist das ein Problem?“
„Kein Problem, doch dann müssen wir neben den normalen Gebühren auch noch Transfergebühren berechnen. So von Bank zu Bank, sie verstehen?“
Ich verstand nicht, doch das war mir jetzt auch egal. „Ja, machen sie, was sie wollen. Hauptsache ich bekomme mein Geld.“
Der Dicke schob mir ein Formular hin. „Dann füllen sie das bitte aus. Die Auszahlung wird allerdings etwas dauern. Außerdem brauche ich auch noch ihren Personalausweis und natürlich die Karte.“
Inzwischen füllte sich der Vorraum der Sparkasse, drei weitere Kunden standen jetzt neben und hinter mir in einer Warteschlange. Zwei Frauen und ein Mann. Ich erkannte in einer der Frauen meine Vermieterin, die eine dicke Brieftasche, prallgefüllt mit Bargeld, in einer Hand hielt. Freundlich nickte ich ihr zu. „Moin, moin“, versuchte ich es im Ortsdialekt, „Frau Düün.“
„Herr Lärrperts, guten Morgen. Es heißt aber ‚de Düün‘. Bekomme ich jetzt endlich mein Geld? Kommen sie doch nachher direkt in mein Büro, damit wir die Formalitäten endlich abschließen können!“
Ich nickte gönnerisch. „Das dürfte kein Problem sein. Der freundliche Herr hier bearbeitet schon die Auszahlung.“
Der Dicke besah sich das Formular, nickte zufrieden und wies mit dem Zeigefinger, der ziemlich einer Wurst ähnelte, auf drei Stühle neben einem überdimensionierten Ständer mit Informationsbroschüren. „Wie gesagt: Es wird einen Moment dauern. Wenn sie dort so lange Platz nehmen würden. Sie finden dort auch interessante Prospekte über Versicherungen, günstige Kredite und Hypotheken. Bei Bedarf berate ich sie gerne.“
„Das hört sich aber wirklich interessant an“, gab ich sarkastisch von mir, was dem Mann aber nicht weiter auffiel. Er lächelte mich an und ich bemerkte, dass seine Zähne schadhaft und gelb vom Nikotin waren. „Ich rufe sie dann auf.“
Ich nickte. Das war ja schon fast wie beim Arzt. „Eine Nummer ziehen muss ich aber nicht?“, fragte ich scherzhaft, sah aber im selben Moment, das mein Späßchen bei dem Dicken nicht gut ankam.
„Nummer ziehen? Was meinen sie?“
Ich winkte ab und wandte mich den Stühlen zu. „Schon gut, das sollte ein Witz sein ...“
Die Broschüren waren allesamt veraltet und handelten wirklich nur von Versicherungen und diversen Krediten. Ich ließ mich seufzend auf einen der unbequemen Stühle sinken und ging in Gedanken den kommenden Tag durch. Am Strand gab es leider keine Restaurants oder Bistros, so wie es in Holland gewesen war, aber bestimmt würde ich auch ein hübsches Restaurant im Ort finden. Vielleicht sogar ein Steakhaus ...
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