Originalausgabe
1. Auflage 2021
© 2021 by Marius Rehwalt
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Herausgeber
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01277 Dresden
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Druck (Taschenbuch): epubli - ein Service der neopubli GmbH,
Berlin
Marius Rehwalt
Franz
und das
Schwarz
Eine
surreale
Erzählung
Gewidmet meinem Opa.
Geschrieben 2017 während einer elfwöchigen, stationären Therapie und in den darauffolgenden zwei Monaten.
Aufgezeichnete, wirre Ideen. Neuorientierung eines alten Körpers zu einem neuen Leben.
Mein wichtigstes Anliegen bei der drei Jahre später erfolgten Überarbeitung dieses Werkes war es, die kindliche Not, in welcher wir uns befinden, wenn wir uns unzulänglich, minderwertig, falsch, angegriffen oder Ähnliches fühlen, möglichst zu erhalten. Eine Depression ist an vielen Stellen nicht rational. Auch ich fühlte mich in vielen Momenten nicht einfach nur hilflos, sondern wie ein ausgeliefertes Kind. Handlungsunfähig, nervig und überflüssig. Fragen, die ich mir stellte, empfand ich selbst als dumm. Gefühle, die ich hatte, erachtete ich als überbewertet. Ich hoffe, trotz – oder gerade wegen – der langen Pause zwischen den Überarbeitungen zwei wichtige Dinge vereint zu haben: die naive Sprache und meine Emotionen aus der damaligen Zeit, in der ich oft nichts anderes als weinen oder sterben oder wenigstens in eine einsame Dunkelheit verschwinden wollte. So hoffe ich aber auch, Textstellen und Sätze, welche gänzlich aus dem Raster gefallen sind, womöglich nicht klar oder sprachlich ästhetisch waren, gut stilisiert zu haben. Mein Ansporn war, einen Feinschliff ohne zu tiefen Einschnitt vorzunehmen, um für intensive Vorstellungen und einen angenehmen Lesefluss zu sorgen, aber auch Interpretationsspielraum zu geben.
Daher möchte ich mich schon hier für jede Minute und die Geduld bedanken, welche Senta Herrmann auch diesem sensiblen Werk geschenkt hat. Ohne sie wäre Franz und das Schwarz noch lange nicht bereit, präsentiert zu werden. Für mich persönlich möchte ich damit einige Kapitel meines Lebens als abgeschlossen betrachten.
Ich danke jedem, der sich mit diesem Werk und seinen Gedanken, aber auch dem Entstehungsprozess sowie dem Warum und Wie auseinandersetzt.
Euer Marius, Dresden, 2021
Für dich,
die mich kriechen ließ
am dunkelsten Orte meiner Seele.
Die mein Denken und Fühlen verformte,
meinen Geist masochistisch quälte.
Nahmst mir Hoffnung, Liebe und Kraft,
bis ich als Würde beschwor
meines Leibes Nekrose.
Doch hör genau hin,
verkneife höhnisches Lachen!
Dich zu hassen
bleibt nicht mein einziges Wachen.
Ebenso Liebe und Dankbarkeit
sind in mir für dich
in Flammen entfacht.
Lehrtest mich Kämpfen und Menschlichkeit,
Verständnis und Einfühlen für andere Schwache.
Jetzt steh’n wir im Ring,
du ganz in Waffen;
ich muss allein
und nackt hier erschein’.
Doch höre mit mir
das Summen des Funkens.
Der letzte Ton
ist noch nicht erklungen.
Krieg frei, liebe Dysthymia!
Jeder schätzte, dass der kleinste Windstoß Franz davontragen würde. Klein und hager kam er daher. Seine dünnen Ärmchen hingen ihm wie Streichhölzer links und rechts seines leichten Buckels herab. Schlapp, als könnten sie sich niemals von selbst bis zu den Schultern erheben.
Keiner konnte mehr genau sagen, was ihn zu seiner plötzlichen Reise animiert hatte, doch es war nichts Gutes gewesen. Vielmehr etwas Schmerzliches, etwas, das sein Leben und seine Befindlichkeit so ins Wanken gebracht hatte, dass es in ihm zum Überlaufen gekommen war.
Seine Welt bestand schon lange aus einer Art schwarzem Schleim, den er seit vielen, vielen Jahren in seiner Brust mit sich herumschleppte. Er sah die Welt in Grau. Egal wie farbig er sie sich ausmalte, wie sehr er auch mit Pinsel und Stiften versuchte, sie bunter zu gestalten, das Grau bestimmte seinen Alltag. Mit dem Einbruch des großen Unglücks breitete sich die Schwärze weiter aus. Sie ergriff von ihm Besitz und übermannt ihn. Von seiner Brust aus wuchs sie und wuchs sie wie ein seelisches Krebsgeschwür, für das es keine Heilung zu geben schien. Bald war die Welt nicht mehr grau, sondern pures Schwarz. Seine Adern pulsierten schwarze Masse durch Herz und Hirn.
Doch in der hintersten Ecke seines Herzens gab es ein Fünkchen, tausendmal kleiner als die Spitze einer Stecknadel. Einen Funken aus purer Liebe. Es war seine Liebe zu den Menschen, zu seiner Familie, zu seinen Freunden. Und zum Leben. Das Leben war schön. Das hatte er immer gewusst, nur das Gespür dafür allmählich verloren. Sein Funke aber hatte ihn nun zum Aufbruch bewogen. Zu einer Reise tief in sich. Um den Funken zu entfachen und das Schwarze aus sich zu vertreiben.
Und so war er in jener Nacht ruhig eingeschlafen und hatte die Wanderung begonnen …
Der Weg
Pures Schwarz zerfrisst mich ganz,
ich taufe mich in Traurigkeit.
Rückwärts, blind mit Selbstjustiz
verlauf ich mich im Finsterwald.
Ich sehne mich zurück
nach etwas, das ich nie gekannt.
Nach einem alten Licht,
welches tiefer in mir brennt.
Doch nur noch dessen Glut
leise im Wind kämpft.
In meinem toten Körper
ist nichts als diese Leere.
Es kreist umher ein stummer Schrei,
ein alter Virus um sich greift.
Mit Widerhaken zieht
die Welt an meiner Haut.
Es rinnt das Blut, es beißt der Schmerz,
ich bin verwirrt geboren.
Pures Schwarz zerfrisst mich ganz,
ich taufe mich in Traurigkeit.
Franz stand auf einem kleinen Hügel. Die Wolken hingen schwer über ihm. Grau und fahl zogen sie am Himmel nach Osten. Das Gras war welk, nirgendwo sah er eine einzige Blume. Vom Hügel ging ein geschwungener Pfad hinab, an dessen Fuß einst ein kleines Rinnsal verlaufen war. Die Brücke, die Besucher hinüberbringen sollte, war zerbrochen und abgebrannt, als hätte jemand den Weg in den dunklen Wald dahinter versperren wollen.
Hoch über dem Wald sah Franz einige Raben und Krähen ihre Bahnen ziehen. Hin und wieder hörte er ein leises würgendes Gurgeln.
Langsam bewegte Franz sich auf den Wald zu.
Dieser schien nicht still. Irgendetwas an ihm wirkte, als befände er sich in ständiger Bewegung. Die grauen Bäume, die Büsche … Nichts schien standhaft an einem Ort zu verweilen. Kurz hielt Franz inne und mit einem Mal war alles ruhig.
Seltsam, dachte Franz. Einige Augenblicke blieb er stehen und betrachtete den schwarzen Wald, ehe er weiter auf die Brücke zuging. Zwischen seinen Beinen huschte etwas hindurch. Er erschrak und sprang einen Schritt zurück.
Zitternd suchte er den Boden ab. War es ein Tier?
Nach einigen Momenten der erfolglosen Suche beschloss er, die Sache auf sich beruhen zu lassen, und nahm wieder seinen Kurs auf.
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