„Jetzt stell dich doch nicht so an, es ist doch nichts passiert. Und heute Abend komme ich mit, das machst du nicht alleine.“ Frieda war zu allem entschlossen und immer noch sehr aufgeregt.
„Auf keinen Fall, zu zweit fallen wir doch auf. Und darüber lasse ich nicht mit mir reden. Das ist nichts für dich. Und jetzt keine Widerrede, du musst nicht überall dabei sein.“
Frieda wollte protestieren, sah aber ein, dass eine einzelne Person weniger Aufmerksamkeit erregen würde, und gab klein bei. Die Straße lag relativ offen. Sich zu zweit verstecken wäre ziemlich aussichtslos. Wenn sie ehrlich war, hatte sie auch keine Lust darauf, sich hinter Büschen, Bäumen oder sonst was zu verstecken, vor allem nicht mit ihren Hüftproblemen. Schweigend gingen sie die letzten Straßen zurück zum Hotel.
Leo hatte alles mit angesehen und war den beiden abermals gefolgt. Trotz des einschüchternden Auftretens des Kollegen war er sich sicher, dass die beiden die Suche nach der Familie Pini nicht aufgeben würden. Er rief seinen Vorgesetzten an.
„Haben Sie herausbekommen, warum die Kripo diesen Friedrich beschattet?“
„Nein. Die Münchner Kollegen mauern. Ich kenne den dortigen Chef recht gut, aber der ist heute nicht im Haus. Ich hoffe, dass ich morgen mehr erfahren werde.“
„Informieren Sie mich, sobald Sie etwas wissen. Vielleicht läuft mit diesem Friedrich eine ganz krumme Geschichte, die nichts mit unserem Fall zu tun hat. Das wäre schlecht, denn dann sind wir völlig auf dem Holzweg und vergeuden nur Zeit. Aber warum sind dann Mario Pini und Frau Votteler hinter ihm her? Wie sind sie auf ihn gekommen?“
„Das finden wir heraus. Bleiben Sie den beiden auf den Fersen.“ Zeitler war sauer, denn sonst funktionierten seine Kontakte besser. Warum musste der Münchner Kollege gerade heute außer Haus sein?
„Herr Pini?“, sprach sie eine Person in dunklem Anzug am Eingang des Hotels an.
„Ja?“
„Ich möchte Sie bitten, sofort wieder abzureisen.“
„Und warum sollte ich das tun?“
Der Mann antwortete nicht auf die Frage, sondern zeigte nur seinen Ausweis. Kriminalpolizei. Schon wieder die Kriminalpolizei? Was war hier eigentlich los?
„Sie waren heute am Haus von Peter Friedrich? Wie sind Sie auf ihn gekommen und was wollten Sie von ihm?“
Mario nahm seinen ganzen Mut zusammen, denn die Situation hier war fast wie in einem Krimi, unheimlich und spannungsgeladen. Inständig hoffte er, dass Frieda ihren Mund hielt und sich nicht wieder einmischte.
„Das ist allein unsere Angelegenheit und geht die Kriminalpolizei überhaupt nichts an. Woher kennen Sie eigentlich meinen Namen? Und woher wissen Sie, dass wir hier in diesem Hotel abgestiegen sind?“ Mario bemühte sich, ruhig zu sprechen und sich seine Angst nicht anmerken zu lassen.
Der Polizist lachte süffisant.
„Sie sind hier im Hotel registriert, halten Sie die Polizei bitte nicht für blöd.“
„Was ist an Peter Friedrich so interessant? Wird er überwacht oder suchen Sie nach ihm?“
Wieder dieses blöde, überhebliche Grinsen.
„Ich wiederhole: Was wollen Sie von Peter Friedrich und wie haben Sie ihn gefunden?“
Mario wurde nervös. Was sollte er dem Mann sagen? Er konnte die Situation überhaupt nicht einschätzen und wollte unter keinen Umständen einen Fehler begehen. Frieda war zum Glück erstaunlich ruhig und suchte hinter seinem Rücken Schutz. Er überlegte verzweifelt, was er sagen sollte, schwitzte stark und zitterte am ganzen Körper. In dem Moment fuhr ein Taxi fast direkt neben sie und brachte neue Gäste. Der Taxifahrer öffnete den Kofferraum und lud mehrere Koffer aus. Drei ältere Personen, von denen zwei am Stock gingen, stiegen aus dem Taxi und gingen direkt an ihnen vorbei.
„Darf ich Ihnen helfen?“ Mario schnappte sich einen Koffer, nahm Frieda an die andere Hand und zog sie einfach mit sich. Der Taxifahrer war sehr erfreut über die unvermittelte Hilfe und unterhielt sich mit Mario, während die ganze Gruppe ins Hotel ging. Der Polizist blieb draußen fluchend zurück.
Nachdem ihm überschwänglich für seine Hilfe gedankt wurde, zog er Frieda weiter mit sich zu einem Nebenausgang des Hotels und sie liefen planlos kreuz und quer durch Altötting, bis sie sich sicher waren, dass sie nicht verfolgt wurden.
„Was ist hier eigentlich los? Was wollte der Polizist von uns?“ Frieda war völlig außer Atem und er setzte sie auf eine Mauer vor einem Einfamilienhaus, damit sie sich etwas ausruhen konnte. Nicht ohne vorher seine Jacke unterzulegen, damit sie sich nicht erkältet.
„Ich habe keine Ahnung, was hier vor sich geht. Aber ganz sauber ist die Sache nicht, sonst wäre uns der Typ ins Hotel gefolgt, hätte uns dort vernommen oder uns mitgenommen. Aber das hat er nicht gemacht.“
Mario nahm sein Handy, wählte die Nummer des Detektivs und schilderte das, was vor Friedrichs Haus und vor dem Hotel passiert ist.
Natürlich hatte Leo alles mit angesehen und konnte das Vorgehen des Kollegen auch nicht nachvollziehen. Die Sache stank gewaltig. Er konnte die beiden nicht einfach sich selbst überlassen. Er musste Mario irgendwie überzeugen, dass er Hilfe brauchte, und zwar seine.
„Die Kriminalpolizei? Was wollte die von Ihnen?“
„Das weiß ich nicht. Der Mann sagte, ich solle wieder abreisen. Ich konnte ihm entkommen und bin mit meiner Begleitung mitten in Altötting. Was soll ich jetzt tun?“
Mario Pini klang verzweifelt und Leo bekam Mitleid mit ihm. Ja, er konnte nachvollziehen, dass der Mann Angst hatte. Noch wusste er nicht, was die Kriminalpolizei von ihm wollte und was sie mit dem ihm unbekannten Peter Friedrich zu tun hat. Eins war klar: Mario Pini und Frieda Votteler durften nicht in ihr Hotel zurück. Dort wartete ganz sicher die Polizei auf sie. Und solange er nicht wusste, was die wollten, musste er die beiden in Sicherheit bringen.
„Gehen Sie auf keinen Fall in Ihr Hotel zurück, die Polizei wartet dort auf sie, darauf können Sie sich verlassen. Es ist jetzt neunzehn Uhr, das ist noch zu früh.“
„Was reden Sie da? Wofür ist es zu früh?“ Mario verstand kein Wort.
„Hören Sie mit bitte zu und tun Sie genau das, was ich Ihnen sage. Sie müssen sich um eine andere Unterkunft bemühen. Suchen Sie sich am besten einen kleinen Gasthof. Wenn Sie sich nach einundzwanzig Uhr dort einmieten, gehen die Meldedaten erst morgen raus, dann wären Sie in der kommenden Nacht sicher. Bitte kein Hotel!“
„Ich kenne mich in Altötting nicht aus. Wie soll ich hier einen Gasthof finden?“ Mario wurde beinahe hysterisch.
„Bleiben Sie ruhig. Es ist besser, Sie verlassen Altötting. Fahren Sie in einen Nachbarort, vielleicht Burghausen oder Mühldorf. Nehmen Sie auf keinen Fall ein Taxi, das kriegt die Polizei schnell raus. Nehmen Sie die Bahn oder den Bus.“
„Gut, das werden wir machen,“ sagte Mario, der langsam verstand, dass er und Frieda in Gefahr sein könnten. Das Warum verstand er zwar nicht, aber das würde sich später klären lassen.
„Verfügen Sie über genug Bargeld?“
„Bargeld haben wir genug, das ist kein Problem.“
„Achten Sie darauf, dass Sie weder eine Kreditkarte, noch eine EC-Karte verwenden. Gehen Sie zum Bahnhof oder zu einer Bushaltestelle und fahren Sie los. Versuchen Sie, sich so normal wie möglich zu bewegen.“
„Gut.“
„Ich möchte Sie bitten, dass Sie sich ein neues Handy besorgen, das nicht auf Ihren Namen registriert ist. Ihr Handy können Sie vergessen. Wenn es die Polizei auf Sie abgesehen hat, hat sie spätestens morgen nicht nur die Nummer, sondern hat sie auch geortet und weiß, wo sie sich aufhalten. Also, Handy ausschalten oder gleich wegwerfen.“
„Und wie soll ich mir ein Handy besorgen?“
Leo hatte längst bemerkt, dass er es mit einem völlig ahnungslosen, verängstigten und unbescholtenen Typen zu tun hatte. Er musste behutsam vorgehen und viel Geduld aufbringen.
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