Timo Matys
Eine kleine verrückte Reise
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Inhaltsverzeichnis
Titel Timo Matys Eine kleine verrückte Reise Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog: Ein Pizzabäcker schiebt sich dazwischen
1 - Klinik
2 – Die Abfahrt
3 – Nach der Abfahrt
4- Nach der Abfahrt: Anhalt
5 – Nach dem Anhalt: Abfahrt
6 – Duisburg: Ein Park, Teil I
7 – Duisburg: Ein Park, Teil II
8 – Wieder im Bus
9 – Die Schlacht bei Worringen
10 – Überlands, Teil I
11- Überlands, Teil II
12 – Überlands, Teil III
13 - Überlands, Teil IV
14 – Das Hotel Bayrische Höh‘
15 – Ein Erlebnis, erzählt
16 – Bayrische Höfe
17 – Das Watternorn
18 – Klaus, Poet
19 – Italien, oh Italien
20 – Ein Therapiegespräch - zwischengeschaltet
21 – Museo d‘Arte, Teil I
22 – Museo d‘Arte, Teil II
23 – Museo d‘Arte, Teil III
24 - Museo d‘Arte, Teil IV
25 – Im Hotel
26 – An einer Hotelbar, - erneut
27 – Durch die Po-Ebene
28 – Ein Blassnicht
29 – Verona, Teil I
30 – Verona, Teil II
31 – Verona, Teil III
32 – Verona, Teil IV
33 – Ich in Italien
34 – Bilder, wieder einmal
35 – Endlich Venedig, Teil I
36 – Endlich Venedig, Teil II
37 – Bei der Polizei: Ein Sprachproblem
38 – Endlich Venedig, Teil III
FRAGMENTARISCHES
Epilog
Anhang: Figuren
Impressum neobooks
Prolog: Ein Pizzabäcker schiebt sich dazwischen
EINE KLEINE VERRÜCKTE REISE
Auf Mario wirkten sie etwas merkwürdig, diese neuen Gäste.
Am Anfang war es ihm nicht aufgefallen, er hatte sie für normale Reisende gehalten. Doch dann hatte er bemerkt, wie eine Frau plötzlich zu zittern begann und eine Tablette aus ihrer Tasche nahm und sie mit etwas Wasser aus einer Plastikflasche herunterspülte. Eine zweite Frau tat wenige Minuten später dasselbe. Es waren keine Italiener, so wie er die Sprache einordnete, nachdem er einige Proben gehört hatte, es waren Leute aus dem deutschsprachigen Raum, Österreich, Schweiz oder von noch weiter nördlich. Niemand schien mit einem der anderen Reisenden verwandt zu sein, viele blieben still für sich allein an den Tischen sitzen, obgleich in Gesellschaft anderer, während andere sich übermäßig in den Vordergrund schoben und laut oder hysterisch lachten. Er wurde zu einem der nahegelegenen Tische gerufen.
"Italien, das ist Pizza", hörte er jemanden sagen, ohne den Sinn der Äußerung zu verstehen.
Während er die Bestellungen aufnahm, fiel ihm auf, dass es an einem Tisch, an dem drei Männer saßen, wohl sehr lustig herging.
„Und was haben Sie gedacht, als ich ihnen sagte, es sei im Jahre 1288, nein 1388, ach egal…“
„Ja, da lagen Sie falsch.“
Es waren zwei Männer, einer Anfang 40, der andere älter, die sich lautstark unterhielten und den dritten Mann ganz außen vor zu lassen schienen.
An einem anderen Tisch war ein sehr gewichtig tuender Mann damit beschäftigt, etwas aufzuzählen, wohl einen Spruchvers oder so etwas.
„Gregoricci, Dürer, Raffael, Tizian…“
Es ging um Kunst allem Anschein nach, aber davon hatte er keine Ahnung.
„Und ich sage Ihnen, in Venedig werde ich es finden“, sagte der Mann, während die anderen ihn bewundernd ansahen.
Mario reichte ihnen die Speisekarte und ließ sie, da er weder Englisch noch Deutsch sprach, die Speisen auf Italienisch studieren.
„Ahhh“, seufzte der Mann. „Italienisches Essen, jene Köstlichkeiten, die auch unsere größten Maler verspeiset haben.“
Mario verstand nur das Wort italiano , es musste wohl um Essen gehen.
„Bringen Sie uns eine Pizza“, sagte der Mann, nachdem er die Speisekarte für mehr als zwei Minuten studiert hatte. „Eine pizza , eine für uns alle.“
Mario nickte, obwohl er nicht verstanden hatte, und entfernte sich in Richtung Küche. Als er den Koch traf, unterhielt er sich mit ihm auf Italienisch.
„Komische Leute, nicht?“
„Warum?“
„Sie wollen alle Pizza, keine Nudeln oder so etwas.“
„Alle Pizza, oh, das wird schwierig.“
Sie machten sich ans Werk. Mario war ein geübter Pizzabäcker, den Teig musste man lange kneten und rollen, damit er eine gute Konsistenz bekam.
„Eh, Mario, was macht deine Frau?“, fragte ihn der Koch in gewohntem Alltagstrott.
„Es geht“, sagte Mario.
Sie kneteten weiter und schließlich schob Mario eine der Pizzen in den Ofen.
Plötzlich kam ein Mann in den Backraum, es war einer der Gäste, es war der wichtigtuende Mann, der etwas mit Kunst zu tun zu haben schien.
„Excuse me, excuse me“, sagte er. „I wanted to have a look at your pizza baking procedure.“ Er lächelte breit.
Mario sah den Koch an.
Der Mann sprach weiter: „Delightful pizza . I would like to eat them all by myself.“
Mario verstand nichts, doch der Koch erwiderte: „Please, we will bring the pizza to you in a moment.“
Der Mann zog ein Handy aus der Tasche und fotografierte die beiden, dann verließ er den Raum wieder.
Nachdem die Gäste gegangen waren, fand Mario ein Blatt Papier auf dem Boden. Es war ein Abdruck eines Kunstwerks oder von etwas ähnlichem. Es zeigte einen alten Mann mit einer Pflanze, sehr hässliches Bild.
Er saß in seinem Zimmer und starrte die Wand an. Die Wand war leer und weiß. Sie hatte keine Wölbungen oder Huckel, sie war glatt und unschön, - wie alle Wände in Krankenhäusern. Innerlich erschrak er bei dem Gedanken, dass dieses Weiß schon seit eineinhalb Monaten ein tagtäglicher Anblick war. Er bewegte seinen Arm zur Seite, drehte ihn langsam auf dem rauweichen Untergrund seines Bettlakens. Er fühlte seine Hand und das Blut in seiner Hand und fragte sich, was passieren würde, wenn seine Adern, überdehnt und mit Blut überfüllt, platzten. Er drehte weiter an seinem Arm und rieb ihn am Untergrund hin und her. Das Gefühl ließ ihn lebendig werden. Er hatte das so in der Therapie gelernt. Das bewusste Fühlen. Er hasste die Therapie.
Seit seiner Ankunft war er eingebunden in ein Todesnetz von Bewegungs-, Sport-, Musik-, Werk- und Ergotherapeuten, von denen er nur eines sagte, nämlich dass er sich nicht entscheiden konnte, welche von ihnen am schlimmsten waren. In der Musiktherapie wurde auf Blechen herumgehämmert und mit windschief in einer scheibenartigen Box liegendem Sand herumgespielt. In der Ergotherapie, der "Ärgertherapie", wie er sie für sich nannte, wurde wie im Kindergarten gebastelt, und die Bewegungstherapie, über die man außer ihrer Existenz nichts Abwertendes sagen konnte, war aufgrund ihres „gewichtigleichten“ Inhalts nichts für ihn. Er hatte den behandelnden Ärzten wiederholt versichert, dass er diese Therapien nicht brauche, doch man hatte ihn darauf hingewiesen, dass dies in den Zuständigkeitsbereich des Pflegepersonals falle, welches ihm wiederum eine Nichtteilnahme an den Therapien, wohl wohlmeinend, untersagte. "Herr Stubenmann", hatten sie gesagt. "Die Therapien sind essentiell für ihre Gesundung."
Das Leben im Krankenhaus bot wenig Abwechslung. Das morgendliche Wecken viel zu früh um 7. Das anschließende Frühstück mit den Stationsgenossen, anschließend erneut wahlweise Ober-, Chef- und Assistenzarztvisite, wenn nicht Therapien, dann Mittagessen (Mittagsruhe!) und wieder Therapien. Er ertrug es nicht, nicht mehr lange, so dachte er, aber er musste es ja auch nicht mehr lange ertragen.
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