Das liebliche Kichern aus der Ecke kam näher und zeigte sich wenig später in Gestalt zweier hübscher, von langen dunklen Locken gerahmter Mädchenköpfe, die neugierig hinter einem der Pfeiler hervorlugten und sich offenbar ein besseres Bild von der edlen Gesandtschaft des Papstes machen wollten, als sie es von ihrem ursprünglichen Platz aus hatten tun können. Ich wollte ihnen dieses Vergnügen durchaus gewähren, stellte mich entsprechend in Positur und meine teuren Kleider gut geordnet zur Schau, ohne zu bemerken, dass ihr Blick weder mir noch meiner Kleidung galt, sondern einzig und allein dem jungen Schüler an meiner Seite. Franco war plötzlich über alle Maßen rot angelaufen, so sehr, dass es, um es zu bemerken, nicht einmal des zusätzlichen Lichtes bedurft hätte, welches von dem Feuerschein einiger Öllichter ausging.
Leo indes war mit einem vergoldeten Tischlein zurückgekehrt, welches er auf drei ebenfalls vergoldeten Rädern, sie mochten wohl ursprünglich aus Holz gemacht sein, vor sich hinschob. Das Wägelchen war beladen mit vielerlei Obst und Krügen, die mit Wasser und Wein gefüllt waren. Er stellte die Ladung ganz in der Nähe ab, verbeugte sich vor dem jungen Mann im roten Tuch und trat dann einen Schritt näher an ihn heran, um etwas in sein Ohr zu flüstern. Johannes XII. nickte geflissentlich und erteilte ihm sogleich einen neuen Auftrag, woraufhin Leo sich erneut ehrerbietend tief verbeugte und verschwand.
Der Papst ließ die beiden Lockenköpfe mit einem Handstreich verstummen und wandte sich dem vergoldeten Tischlein an seiner Linken zu.
„Meine lieben Bischöfe“, sagte er, während er zwei Becher mit Wein füllte und an Landward und mich reichte, „Ihr werdet Euch noch ein wenig gedulden müssen, bevor wir auf Eure Gesandtschaft zu sprechen kommen. Seid morgen zur selben Stunde wieder hier, tragt das Anliegen Eures Herrn vor und hört, was ich Euch und ihm dazu zu sagen habe. Ich habe mich derweil um anderes zu kümmern. Nun trinkt von diesem köstlichen Wein und dann geht. Mein treuer Camerlengo5) Salek wird Euch Eure Herberge zuweisen und für alles Sorge tragen, dessen Ihr begehrt. Sagt es nur frei heraus und es wird Euch gegeben.“
Daraufhin trat aus einer bisher dunklen Nische wie auf ein geheimes Zeichen ein Mann hervor, verneigte sich in leichter Weise vor dem Papste und wandte sich dann mir und meinem Schüler zu.
Dieser Salek, von Geburt an wohl ein Bulgare, aber von der Erziehung her ein Ungar, war zu jener Zeit der vertrauteste Freund des Papstes. Er mochte etwas älter und etwas reifer gewirkt haben, weil er beständig schwieg und nur das Nötigste seiner inneren Gefühlswelt auf seinem Gesichte zum Vorschein kommen ließ. Auch während des Weges zu unserer Herberge sprach Salek nicht ein einziges Wort, was man, wenn ich es recht bedenke, durchaus als eine Ungehörigkeit bezeichnen könnte. Da er aber so eng vertraut mit dem Herrn Papste und sein Camerlengo war, wagte ich nicht, ihn meiner Kritik zu unterziehen, und schwieg ebenfalls, denn ich wollte nicht schon in der ersten Stunde unserer Gesandtschaft Misstöne und Feindseligkeit aufkommen lassen. Der Auftrag, den zu erfüllen wir vom Kaiser geschickt worden waren, erforderte von mir in höchstem Maße diplomatisches Geschick und hing nicht ganz unerheblich von dem äußeren Rahmen ab, den zu schaffen wir vermochten, um mit dem obersten Bischof und Allgemeinen Papste ins Vernehmen zu kommen. Dieser unheilige Moment, das empfanden sicherlich nicht nur der gute Landward und meine bescheidene Niedrigkeit so, sondern wohl auch mein braver Schüler, erschien uns gänzlich ungeeignet, ein Anliegen, gleich welcher inneren Art und welcher äußeren Gestalt, vorzutragen und zu einem erfolgreichen Abschluss führen zu können.
Der Franco ging drei Schritte hinter uns, ebenfalls schweigsam. Als Salek uns zur Pforte eines beträchtlichen Anwesens geführt hatte, klopfte er einen schweren Messingknauf dreimal gegen die Tür und verneigte sich dann, immer noch ehern schweigend, vor uns, um auf dem gleichen Wege, den wir gekommen waren, zu seinem Herrn zurückzukehren.
Der Tageslauf war indes noch nicht so weit vorangeschritten, dass wir die Absicht hatten, uns zur Ruhe zu betten. Im Gegenteil: Unsere Reise war weit weniger beschwerlich und ermüdend gewesen als befürchtet, und so sprachen wir mit dem Hausherrn des Anwesens, einem vornehmen römischen Adligen namens Stephanus de Imiza, und seinem jüngeren Bruder Rikhardus. Stephanus zeigte überaus große Liebenswürdigkeit, als ich ihm versicherte, dass wir in Gesandtschaftsdingen unterwegs waren, und außerdem großes Interesse an seinem Weinlager offenbarte. Ich erklärte ihm auf sein Nachfragen, während wir im angenehm kühlen Kellergewölbe unter seinem Haus köstlichen Nektar tranken, dass uns an nichts mehr gelegen war, als den unseligen Krieg im Norden zu beenden, und dass wir unseren Teil dazu beitragen wollten, wenn der Herr in seiner unendlichen Gnade uns darin beistehen wolle.
Stephanus war ein gebildeter Mann mit Mut zum offenen Wort, wenn es sich geziemte. Ich gestehe, dass mir diese Eigenart sehr imponierte und ich sie auch gern an mir gehabt hätte, doch zweifle ich daran, dass jemand wie ich, der aber sein Herz auf offener Zunge trüge, gleichsam ein guter Diplomat und Gesandter sein könne. Ist die Kunst der Diplomatie nicht immer und zuallererst auch die Kunst des Täuschens und Verbergens, frage ich? Wie dem auch sei, Stephanus und sein nicht minder gebildeter Bruder Rikhardus, der für Speisen und Tanz sorgte, indem er eine Schar bezaubernder Jungfrauen aufbot, die sich ganz um unser leibliches Wohl sorgten und auch dem Auge ein ums andere Mal einen besonderen Schmaus darboten, hatten ihre eigene, wohl durchdachte Sicht auf die Dinge.
Wir ließen uns bei Wein und lieblicher Musik auf einem Diwan im schönsten Raum seines Hauses nieder und er sprach zu uns: „Es kommt mir vor, als wenn der Teufel den Schöpfer hasst, wenn ich sehe, wie Papst Johannes den heiligsten Kaiser, seinen Erretter aus den Händen Berengars und Adalberts, verabscheut und hintergeht. Vom geliebten Kaiser wissen wir, dass er erkennt und tut und liebt, was Gottes ist. Er schützt die geistlichen und weltlichen Dinge mit seinem Wissen und seinem Schwerte. Aber Papst Johannes ist all diesem Feind. Er verschenkt ungerührt, was nicht seins ist, und er nimmt, wo und wie es ihm beliebt. Und ich sage Euch, verehrter Bischof Liutprand und verehrter Bischof Landward, das ist beileibe kein Geheimnis! Das Volk weiß längst über alles Bescheid.“
Ich blickte wohl gar zu ungläubig, so dass mein Gegenüber sich genötigt sah, diesen letzten Satz und einige weitere zum Beweis heranzuführen. Der gute Franco, der neben mir auf einem weniger bequemen Kissen hockte, schien sich indes für das Gerede der Erwachsenen nicht allzu sehr zu interessieren. Er wickelte unablässig eine dünne goldene Schnur um seine Finger, um sie kurz darauf wieder abzuspulen. Seine Blicke galten mehr den Jungfrauen und ihrem manchmal frivolen Gebaren, so dass ich ihn mit strengem Gebot ermahnen musste, sich in seinem Interesse ein wenig zurückzunehmen. Ich ließ ihm einen Teller mit Obst und einen Krug Bier bringen, damit er sich auf diese Art etwas amüsieren und ein wenig Zerstreuung finden konnte.
Sodann fuhr Stephanus fort: „Wie man zuletzt hörte, war Johannes für die junge Witwe eines Dienstmannes, den er zuvor aus ganz nichtigen Gründen ermorden ließ, in blinder Leidenschaft entbrannt. Er verfolgte die arme Frau über viele Städte hinweg und ließ ihr goldene Kreuze und Kelche, welche doch eigentlich dem unantastbaren Schatze des Heiligen Petrus zugehören, als Geschenk zukommen. Und noch etwas: Die Frau Stephana, seine Geliebte, verlor bei der Abtreibung einer von ihm empfangenen Leibesfrucht vor kurzem das Leben! Bedenkt nur, edle Bischöfe: Der Lateranensische Palast, einst der Wohnort heiliger Männer, ist jetzt der Tummelplatz unzüchtiger Weiber! Denn dort haust als sein Weib die unzüchtige Schwester einer anderen Beischläferin, genannt Stephania.“
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