Liebe Luisa,
Danke noch einmal für Ihre Hilfe. Ich würde mich wirklich nur allzu gerne bei Ihnen bedanken. Vielleicht treffen wir uns auf einen Kaffee?
Ich freue mich auf Ihren Anruf. Max.
Darunter noch eine Telefonnummer, alles in schöner Handschrift.
Oh mein Gott, das ist ja unglaublich, woher weiß er wo ich arbeite? Womöglich ist er ein Agent, ein Spion? Nein Blödsinn, zu viel James Bond…So schwer war das bestimmt nicht heraus zu finden, trotzdem, ich fasse es nicht. Ich starre immer noch ungläubig auf die Karte.
„Wer ist bitte MAX?“
Ich zucke erschrocken zusammen. Lizzy schielt mir über die Schulter und platzt vor Neugier. Ich mache die Karte schnell zu.
„Das erzähle ich dir heute Abend, du musst zu deinem Dienst, und ich gehe jetzt nach Hause.“
Mir klopft mein Herz, und meine Hände zittern ein wenig, ich muss mich erst wieder fangen, bevor ich ihr alles erzähle.
„Na gut, ich bin sowieso schon spät dran, aber heute Abend musst du mir alles erzählen!“ Sie zappelt aufgeregt neben mir und ich fühle mich innerlich mindestens ebenso zappelig, versuche es aber lässig zu überspielen. Ich stehe noch ein paar Minuten vor dem Strauß, fast hätte ich auf meine Dienstübergabe vergessen. In der Umkleide schaue ich in den Spiegel und ich finde, trotz Nachtdienst sehe ich heute ganz gut aus. Ich streiche meine dunklen Haare im Nacken zusammen und lächle mich selbst im Spiegel an. Heute wird ein guter Tag. Wird auch wirklich einmal Zeit für gute Tage. Zuhause stelle ich die Rosen ans Fenster neben dem Esstisch. Die Karte liegt am Tisch und ich sitze daneben. Zum Schlafen bin ich viel zu aufgedreht und gar nicht müde. Ich sehe abwechselnd auf die Rosen, dann auf die Karte, und auf mein Handy. Soll ich anrufen? Jetzt schon? Sieht aus, als ob ich es nötig hätte. Besser noch warten? Ich will nicht den Eindruck erwecken ihm nachzulaufen, er soll ruhig zappeln. Was soll ich überhaupt sagen? Ich warte auf Lizzy, sie weiß immer was zu tun ist. Oder soll ich doch nicht anrufen, bringt vermutlich sowieso nichts? Keine Ahnung. Eigentlich habe ich keine Lust für solche Spielchen die sich am Ende immer als Flop herausstellen. Wer schickt denn heutzutage noch Rosen an eine Unbekannte? Das gibt es doch nur im Film. Ich habe mir abgewöhnt mich euphorisch in irgendwelche amourösen Abenteuer zu stürzen. Zu Lizzys Leidwesen die mich immer gern verkuppeln will. Lizzy und ich führen sozusagen eine Mädels WG und teilen uns eine Wohnung. Zumindest noch zurzeit. Sie ist verlobt und wird im nächsten Jahr heiraten. Die beiden haben auch schon fast den Kauf eines wunderschönen Hauses etwas außerhalb der Stadt abgeschlossen, sofern alle Formalitäten klar gehen, werde ich bald allein in der Wohnung sein. Ich kann mir das zwar noch nicht vorstellen, aber ich werde mich daran gewöhnen müssen. Lizzy und ich sind seit Kindertagen beste Freundinnen. Unsere Familien sind seit jeher eng verbunden, und es fühlt sich an, als ob wir Schwestern wären, vor allem weil ich ein Einzelkind bin. Wir haben so viel gemeinsam erlebt, sie ist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Genau wie ihr Bruder Matthew, der seit ich denken kann von allen Matt genannt wird. Er ist aber die meiste Zeit rund um die Welt unterwegs, wir sehen uns zu meinem Leidwesen leider viel zu selten. Normalerweise bin ich nach dem Nachdienst immer k.o., aber heute wusle ich schon den ganzen Vormittag durch die Wohnung. Es ist jetzt 14.45 Uhr. Lizzy kommt gegen 19.00 Uhr. Ich beschließe mich sportlich abzulenken und fahre zum Schwimmen ins Sportbad. Ich gehe schon seitdem ich fünf bin zum Schwimmtraining. Als Kind habe ich richtig professionell im Verein trainiert und war auch gut vorn dabei, aber mit den Jahren verschieben sich die Prioritäten im Leben, wenn auch nicht immer freiwillig. Jetzt mache ich es aus Spaß und speziell heute um den Kopf frei zu bekommen.
Es ist Abend geworden. Ich rühre in der Spaghetti Soße. Kochen ist immer eine gute Ablenkung, denn das Schwimmen hat mich auch nicht weiter gebracht. Ich wundere mich über mich selbst warum mir die Sache nicht aus dem Kopf geht, es waren doch nur wenige Augenblicke, in denen ich mit ihm zu tun hatte. Aus dem Augenwinkel schiele ich wieder auf den Rosenstrauß, der sich im Fenster spiegelt. Ist es nun besonders romantisch einen solchen Strauß zu bekommen, oder eher aufdringlich und altmodisch? Auf jeden Fall sind es die schönsten Rosen, die ich je bekommen habe. Jetzt denke ich schon den ganzen Tag über etwas nach, was ich schon längst hätte erledigen können. Ich könnte die Karte auch einfach wegwerfen und alles vergessen. Ich könnte aber auch… da höre ich die Tür zufallen. Gut das sie endlich da ist, sie weiß immer Rat.
„Hey Luisa, ich habe einen riesen Hunger!“ Lizzy plumpst sichtlich erschöpft auf den Küchenstuhl und grinst mich an, nachdem sie die Blumen auf der Fensterbank bewundert hat.
„Ich will jetzt genau wissen von wem die Blumen sind!“ Sie mustert die Karte. „Schöne Handschrift für einen Mann, also Arzt ist er sicher nicht!“, analysiert sie jeden Satz. „Hast du angerufen?“
„Nein. Ich weiß nicht…ich hab auf dich gewartet.“
„Erzählst du mir jetzt bitte einmal wie du zu Max und seinen Rosen kommst? Ich platze fast vor Neugier!“
Ich seufze. „Natürlich, vorher gibst du ja doch keine Ruhe.“
Spaghetti schlürfend lauscht Lizzy meinem Erlebnis und ist sichtlich amüsiert über meine Begegnung.
„Na bitte, das hast du alles mir zu verdanken, sonst wärst du gestern nie in das Geschäft gegangen.“ Sie schiebt mir das Telefon vor die Nase. „Du rufst jetzt an.“
„Lizzy, ich weiß nicht, ob das wirklich einen Sinn macht…der Mann kauft drei gleiche Parfums, was würdest du dir denn dabei denken? Am Ende ist alles eine Enttäuschung…und wer bitteschön spricht Frauen in einem Kaufhaus an?“
„Ach Luisa…er wird schon kein Frauenmörder sein…“ Sie stößt einen kurzen amüsierten Lacher aus, wird dann aber gleich wieder ernst. „Er hat dir die Rosen geschickt, folglich musst du einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, und wenn er ein Arsch ist, dann weißt du es zumindest nachher.“
Direkte Worte von Lizzy, wie immer. Genau das sind die Weisheiten einer Freundin, solche Ratschläge kann einem sonst keiner geben, aber Scherz beiseite, es stimmt, wenn ich nicht anrufe, werde ich ewig darüber nachdenken.
„Er ist bestimmt Mitte vierzig und sicher verheiratet, alles was er will ist ein bisschen Spaß, und dafür bin ich nicht die Richtige.“
„Warum denn nicht? Meinst du ein bisschen Spaß würde dir schaden? Woher willst du denn das alles wissen und außerdem, du musst ihn ja nicht gleich heiraten“, belehrt sie mich.
Meine Argumente gegen ein Treffen interessieren sie absolut nicht, und so gebe ich irgendwann doch nach.
„Na gut, na gut, sonst hörst du wohl nie auf, ich ruf jetzt an.“
Ich nehme allen Mut zusammen und räuspere mich, bevor ich nervös die Nummer wähle und warte bis es auf der anderen Seite läutet. Zweimal, Dreimal, Viermal. Super, er geht gar nicht ran. Ich wusste es. Zeitverschwendung. Was mache ich eigentlich? Die Sache ist doch zu aufgelegt, alles ein Flop. Wahrscheinlich doch verheiratet und sitzt um diese Zeit beim Abendessen mit der Familie und mustert die Schularbeiten der Kinder, oder doch Arsch, oder beides. Es läutet immer noch, in meinem Kopf spielen sich wirre Geschichten ab und ich fange an mich über mich selbst zu ärgern. Was denke ich mir eigentlich, das ist doch lächerlich. Kurz bevor ich auflegen will höre ich: „Max Deveraux.“
Ich zucke kurz zusammen, ich habe nicht mehr damit gerechnet, dass er noch abnimmt. Seine Stimme klingt ganz ernst. Mein Herz klopft, mit einem Mal fühle ich mich unglaublich angespannt.
„Hallo…Hier spricht Luisa. Luisa Miller“, stammle ich.
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