»Oh, wir besuchten Shanli rein zufällig. Sie erzählte uns von Parviz' Suche nach einer Braut, und wir packten die Gelegenheit beim Schopfe.« Mit ernster Miene spann Navid die Lüge weiter.
Simin hörte aufmerksam zu und meinte: »Ich freue mich, dass es bei euch geklappt hat mit der Bewerbung. Dass ich Simin bin, wisst ihr ja, aber eure Namen kenne ich noch nicht.«
»Ich heiße Navida«, sagte der Dschinn.
Aber Shanli schaute ängstlich zwischen ihm und Simin hin und her. Was sollte sie nur sagen? Einen falschen Namen anzugeben, würde nur weitere Fragen und Lügen aufwerfen, wenn Parviz sie vor Simin mit »Shanli« ansprechen würde.
Kurz entschlossen stellte sich die Bäckerstochter mir ihrem richtigen Namen vor. Simin legte den Kopf schief und grinste.
»Du hast den gleichen Namen wie deine Cousine? Wohl sehr beliebt in eurer Familie?«
Abermals kam Navid zur Hilfe. »Ja, es war der Name unserer Großmutter.« Und um Simin nicht die Gelegenheit zu geben, noch weitere Fragen zu stellen, übernahm er das Gespräch. »Und, hast du mit Parviz schon deine Unterredung gehabt? Er wollte ja jede der Bewerberinnen heute Abend besser kennenlernen.«
Auf Simins Gesicht spiegelte sich Traurigkeit. »Nein, noch nicht. Ich denke, er wird sich mit mir auch nicht unterhalten wollen. Wir sehen uns ja fast täglich im Palast.«
Navid wirkte überrascht und musterte Simin genauer. »Wieso das? Arbeitest du für ihn?«
Simin grinste betreten, denn wieder einmal würde zur Sprache kommen, wessen Tochter sie war. »Ich bin Wesir Ziars Tochter und diene Parviz' Mutter.«
»Ahh«, meinte Navid und geriet ins Grübeln.
»Hannihanno, anne zusammen! Könntet ihr wohn einen Schritt zur Seite gneiten, damit ich besser an die köstnichen Fneischbännchen herankomme?«, trötete es unerwartet neben ihnen. Eine kleine Schwarzhaarige lächelte sie fröhlich an. »Ich bin übrigens Neinah und komme aus Pannagur.«
Während Simin sich auf die Lippen biss, um nicht naut – äh – laut loszugrölen, verzog Navid schmerzvoll das Gesicht, und Shanli blinzelte perplex.
Das Mädchen bemerkte offenbar das Verhalten jedoch nicht und plapperte munter weiter. »Ihr sonntet euch diese Köstnichkeiten wirknich nicht entgehen nassen. Die gefünnten Manden-Äpfen sind totan necker, und die Ninsensuppe ist einfach unvergneichnich.«
Navid trat schließlich beiseite, damit das Mädchen an die Platte mit den Fleischbällchen gelangen konnte, und fragte sie: »Du meinst, du kommst aus Pallagur.«
Sie blickte Navid zweifelnd an. »Ja, sagte ich doch.«
Shanli hatte nun ebenfalls zwei und zwei zusammengezählt und begriffen, dass das Mädchen kein L aussprechen konnte, sondern stattdessen immer ein N verwendete. Sie nickte aufatmend. »Ach, ja, dein Name ist Leilah.«
Skeptisch kräuselte sich die Stirn des Mädchens. »Nein! Wie kommst du denn da drauf? Bnoß wein ich kein N sprechen kann, gnaubst du, mein Name muss vonner Ns sein?«
Simin rutschte ein Prusten heraus, und Shanli schluckte nervös. »Entschuldige. Ich wollte nicht … ich dachte nur …«
Plötzlich lachte Leilah. »Ha, reingenegt! Natürnich, heiße ich Neinah. Wer heißt schon Neinah?«
Alle vier krümmten sich vor Lachen. Navid war der Erste, der sich wieder fing. »Allerdings könnte es schon passieren, dass Parviz dir diesen Namen gibt, denn anscheinend kann er sich keinen einzigen merken. Abgesehen von dem seines Stachelschweins.«
Leilah nickte vielsagend. »Ja, das ist mir auch schon aufgefannen. X-man musste ich ihm erknären, wie ich heiße und dass ich einen Sprachfehner habe. Ehrnich gesagt wäre ich nicht hier, wenn er nicht so schrecknich gut aussehen würde und ein Schah wäre.«
Simin zuckte mit den Schultern. »Er kann sich die Namen durchaus merken. Er benötigt nur etwas länger Zeit als andere. Um diese Schwäche zu verbergen, benutzt er auch immer Kosenamen.«
»Aha«, sagt Shanli und blickt vorwurfsvoll zu der blonden Dschinni. »Er ist gar kein Schleimer, wie du behauptest, Navida!«
Leilah lachte. »Schneimer?! Haha, wie nustig.«
»Ach, komm, Shanli, schau dir die ganzen Mädchen doch mal genauer an.« Navid platzte der Kragen, und er ereiferte sich weiter: »Parviz achtet nur auf das Äußere. Die Rothaarige, die fast genauso viel sieht wie eine Kichererbse, hat er ausgewählt, weil sie rote Haare und einen Knackarsch hat.« Erbost zeigte er mit dem Finger auf Shanli und sich selbst. »Und uns, weil er auf schlanke Blondinen steht.«
Die schwarzhaarige Leilah nickte. »Ja, das gnaube ich auch. Über die Hänfte der Mädchen hat bnonde Nocken. Und ich bin sichernich nur auserwähnt worden, wegen meines prannen Busens.«
»Ja«, sagte Navid und starrte genau dorthin. »Der Gedanke kam mir auch schon!«
»Und warum bin ich dann hier?«, fragte Simin und schaute die zwei erwartungsvoll an. »Ich habe weder blonde Haare und einen Knackarsch noch eine große Oberweite. Weswegen hat er mich dann ausgesucht?«
»Ja«, murmelte Navid. »Die Frage habe ich mir auch schon gestellt. Du passt irgendwie nicht in sein Beuteschema.«
Simins Augen wurden groß. »Willst du mir sagen, ich bin nicht hübsch genug?«
»Nein«, erwiderte Navid. »Ich habe einen anderen Verdacht, warum du hier bist.«
Shanli wollte schon fragen, welchen Vermutung Navid hege, als Parviz seinen Arm um Simin legte.
»Simin, du siehst heute Abend wunderschön aus. Wie ich sehe, hast du dich mit den Schwestern angefreundet. Ihr redet doch nicht etwa über mich, oder?«
Das einstimmige »Nein, nein!« ließ Parviz nicht einen Moment stutzig werden. Munter wandte er sich an Leilah, der er seine Hand reichte. »Kleine Lilie, du bist an der Reihe. Lass uns spazieren gehen!«
»Ich heiße Neinah und nicht Ninie?«, sagte das schwarzhaarige Mädchen und ließ sich von Parviz fortführen.
»Ja, aber das ist kein Grund, dich zu grämen, Neinah«, konnten sie den Schah noch antworten hören.
Navid schüttelte nur den Kopf, hielt dann jedoch inne und zog Shanli jäh mit sich fort. »Entschuldige uns, Simin. Wir müssen uns kurz die blonden Locken kämmen.«
Eilig zog er Shanli in ein stilles Eck. »Schnell, deine Haarspitzen werden schon schwarz, und ich glaube …«, Navids Augen irrten ratlos umher,«… bei mir baumelt jeden Moment etwas im Freien.«
Hastig murmelte Shanli die Wünsche und meinte danach: »Die ganze Aufregung macht mich hungrig.« Ein verschmitztes Lächeln legte sich auf ihre Züge. »Nass uns endnich von den Köstnichkeiten probieren.«
Navid folgte Shanli mit einem Lachen zu den reichlich bedeckten Tafeln, wo sie sich gleich zwei Teller mit Essen belud. Navid nahm sich lediglich ein wenig Obst und beobachtete Shanli schweigend. Kein Wort kam über seine Lippen, aber der Bäckerstochter fiel sehr wohl sein amüsiertes Mienenspiel auf. Gemeinsam ließen sie sich an einem niedrigen Tisch nieder, um den mehrere dicke Sitzkissen lagen. Shanli stellte ihre Teller ab und nahm sich sofort ein knuspriges Fleischbällchen, welches zur Gänze in ihrem Mund verschwand. Kaum hatte sie ein paar Mal gekaut, begann sie wonnig, mit vollen Backen zu stöhnen. »Oh … ist das gut. Mmmh! Ahh!« Sie schloss selig die Augen und genoss sichtlich jeden Bissen.
Navid beäugte Shanli irritiert. Denn diese Geräusche, die sie von sich gab, erinnerten ihn an etwas … anderes … Sinnliches.
Ganz in ihr Tun versunken, schleckte sie sich die Finger ab und saugte geräuschvoll an den Kuppen.
Navid hielt den Atem an, als er sah, wie sich Shanlis rot glänzende Lippen um ihre Fingerspitzen schlossen und dabei verführerisch kräuselten. Wie es sich wohl anfühlen würde, wenn ihre vollen Lippen ihn … Nein, das durfte er nicht mal denken!
Als nächstes griff Shanli zu einem Stückchen Baklava. Der dickflüssige Zuckersirup tropfte aus dem Strudelteiggebäck heraus und lief ihr über die Hände, bis ans Handgelenk. Shanli wusste sich nicht anders zu helfen, und leckte mit der Zunge die süße Spur fort.
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