1 ...8 9 10 12 13 14 ...28 Abends stellte ich die gebrauchten Schüsseln, Bretter und Bestecke in den Geschirrspüler, räumte das Mehl und die Blockschokolade weg und wischte gerade die Arbeitsflächen sauber, als mein Schatz verstaubt und verschwitzt ins Haus kam.
Wir sahen uns beide erschöpft an.
„Dusche und Lang-Tsu?“, fragte er nur und ich nickte heftig. Ja, Buffet beim Chinesen, der Himmel auf Erden. Kochen wollte ich nun auch nicht mehr. Es war schon fast acht Uhr.
Florian ging ins untere Bad, ich nahm freiwillig das obere. Zusammen duschen, klingt nämlich viel romantischer, als es ist. Wir hatten es einmal probiert. Einer bekam Wasser ab, der andere fror. Dann, beim Einseifen, stieß man sich gegenseitig die Ellenbogen in die Rippen. Nein, das war nichts für uns.
Als ich die Treppe hochstieg, bekam ich die Beine kaum hoch und die Luft blieb mir weg. Das war mir schon beim Einkaufen aufgefallen. Die Muskeln fühlten sich an wie Gummi. Ausgelutschtes Gummi. Hoffentlich war da keine Erkältung im Anmarsch. Keuchend erreichte ich den ersten Stock, holte mir frische Wäsche aus dem Schrank und taperte ins Bad.
Beim Chinesen häufte ich mir Berge von Reis, Krabben im Backteig und acht Schätze auf den Teller. Denn während des Videos hatte ich einfach vergessen, eine Pause zu machen und irgendetwas zu essen. Und abends um acht Liebesknochen, nee, herzlichen Dank. Jetzt hatte ich ein Loch im Magen, mir zitterten schon die Hände.
Ohnehin hatte ich in den letzten Tagen einfach mehr Hunger als sonst. Hoffentlich legte sich das wieder. Noch dicker wollte ich jedenfalls nicht werden, und Ruths Methode zur Gewichtsreduktion war mir momentan zu zeitintensiv. Außerdem kannte ich kaum jemanden, der mit mir zusammen so etwas durchgezogen hätte. Alleine hätte sie das jedenfalls nie geschafft, da war ich mir sicher. Und Jens mit seinem Appetit auf Deftiges war ihr da sicher keine Hilfe gewesen.
„Du kannst dich übrigens wieder kreativ ausleben. Nachdem Sarah sich erschrocken in Schweigen hüllt, hat mich eine gewisse Helena angeschrieben.“ Florian setzte sich mit einem Teller mit einem Haufen gebratener Nudeln und Pekingente mir gegenüber. Frisch geduscht und mit einer sauberen schwarzen Jeans und einem weißen T-Shirt bekleidet, sah er einfach zum Anbeißen aus. Was zu meinem Leidwesen auch andere Frauen im Restaurant schon bemerkt hatten.
Ich strahlte. „Ja? Oh, wie schön! Was schreibt sie denn?“
„Dass sie eine Woche in der Stadt ist und sich mit mir treffen möchte. In welcher Stadt hat sie zwar nicht gesagt, aber wer wird denn so kleinlich sein.“
Aus irgendeinem Grund bekam Florian öfters Spammails mit skurrilem Inhalt. Als besonders hartnäckig hatte sich Sarah erwiesen, angeblich aus Russland, die sich in eigenwilligem Englisch an ihn gewandt und ihm eine Eheschließung nahegelegt hatte. Anständig wäre sie, vierundzwanzig, hübsch und familienorientiert. Ja, Kinder wollte sie mit ihrem Ehemann, und das schnell. Jetzt musste nur noch der Ehemann her, dann konnte es losgehen.
Wir wussten sehr wohl, dass dahinter Netzwerke steckten, die Ahnungslosen das Geld aus der Tasche zu ziehen versuchten. Wenn man oft genug antwortete, sagte Florian, las irgendwann jemand die E-Mails. Bis dahin bekam man automatisierte Schreiben. Man hätte es ignorieren können ... aber ich war nun einmal ich.
Spaßeshalber hatte ich auf den „Antworten“ Button geklickt und mit Florians Einverständnis ebenfalls auf Englisch „Sarahs“ Interesse erwidert. Ja, so eine Ehe hätte ihre Vorteile! Ich als Mann erwartete auch nur wenig von meiner Zukünftigen.
Morgens um fünf aufstehen und meine Ziegenböcke melken sollte sie, das ganze Haus in Strapse putzen und mir abends ein fünfgängiges Menü servieren (ebenfalls in Reizwäsche), bevor ich dann im Schlafzimmer die Reitpeitsche auspackte. So und ähnlich antwortete ich „Sarah“ drei Wochen lang, bis irgendwer diese Mails tatsächlich las und wahrscheinlich vom Stuhl fiel.
Seitdem wollte Sarah Florian dann wohl doch nicht mehr heiraten, denn trotz flehentlicher Bitten meinerseits meldete sie sich nicht mehr.
Bei allem Spaß musste ich zugeben, dass eine gehörige Portion Wut in mir steckte, wenn ich solche Mails las. Florian war mit mir zusammen, aber danach fragten diese Abzocker ja nicht einmal! Und wie ich im Restaurant wieder einmal feststellen musste, war es anderen Weibern ebenfalls völlig wurscht, ob ein Mann gebunden war oder nicht! Heutzutage krallte sich jeder, wen er kriegen konnte!
Schlimmer waren entsprechende Kommentare auf YouTube. „Hübscher Kerl“ war da noch das Harmloseste. Alle Zuschauer wussten, dass Florian und ich zusammen waren. Trotzdem gab es recht viele Frauen, die ihn unverhohlen anbaggerten.
Ich reagierte auf diese Kommentare nicht, auch er nicht, aber die Wut setzte mir manchmal doch zu. Was dachten sich diese Tussis überhaupt? Was bildeten die sich ein?
„Ich habe übrigens Sven von unserer geplanten Reise erzählt. Er findet, dass wir unverschämtes Glück haben, und hat eine Bitte an uns.“
„Oh. Was will er denn?“
„Wir sollen Knut mitnehmen.“
„Knut? Aber wieso das denn?“
„Sven muss zur Fortbildung. Und wir haben doch jetzt die Gelegenheit. Im Ferienhaus sind Hunde erlaubt.“
„Och.“
„Hast du ein Problem damit? Dann sage ich Sven...“
„Nein! Ist schon ok.“ Ich kaute an meiner Unterlippe, als ich mir ein Eis vom Büffet holte. Die Verantwortung ... Ich mochte Hunde, aber Sven mochte mich nicht.
Florian und er waren beste Freunde, aber seit ich im Spiel war, hatte Florian kaum noch Zeit für seinen Freund gehabt. Die Wochenenden verbrachte er jetzt lieber mit mir und nicht mehr auf Festivals, in Discos oder beim Camping. Das nahm Sven mir übel. Und ich nahm Sven übel, dass er Florian vor Jahren zu einem gemeinsamen Puffbesuch überredet hatte.
Auch wenn es vor meiner Zeit war, was, wenn es Florian gut gefallen hatte? Seitdem er mir das erzählt hatte – arglos, als wäre es nichts Besonderes – schob ich schweres Kopfkino. Bestimmt hatte er sich was Junges, Hübsches und Schlankes ausgesucht ...
Dieses gegenseitige Übelnehmen war nicht gut. Florian stand immer hilflos zwischen bestem Freund und Partnerin. Deshalb steckte ich meistens zurück und gab nach, um nicht noch mehr Minuspunkte bei Sven einzufahren.
Nur wenn Florian Sachen sagte wie: „Ich würde gerne wieder mal mit Sven auf die Piste gehen“, schwoll mir der Kamm. Ich war überzeugt, dass Sven alles versuchen würde, einen Keil zwischen Flori und mich zu treiben. Einen Keil mit knackigen Brüsten und niedriger Hemmschwelle.
„Dann kann ich Sven also zusagen?“, fragte Florian noch mal, als ich mit meinem Eis zurückkam.
„Ja. Mach ruhig.“
Während ich mein Eis genoss und Florian eine Nachricht an Sven tippte, latschte so eine Tussi an unserem Tisch vorbei. Lange Haare, knallenge Jeans, tailliertes Top, jede Menge Make-up. Sie warf einen vielsagenden Blick auf mein Eis, dann auf mich, setzte ein triumphierendes Lächeln auf und sagte „Hallo“, zu Florian. Der sah irritiert auf und erwiderte „äh, Hi.“ Dann tippte er weiter.
Die Tussi suchte sich einen Tisch schräg gegenüber von uns aus und setzte sich. Von dort verschlang sie Flori mit den Augen.
„Du kannst ruhig rübergehen, wenn du willst“, zischte ich und schob meinen leeren Becher von mir. Eigentlich hatte ich mir noch ein Eis holen wollen, aber das war mir jetzt vergangen.
„Hä?“ Florian guckte mich verdutzt an und steckte sein Handy weg.
„Na die Ziege da, die will offensichtlich was von dir.“
„Na und? Ich will aber nichts von ihr.“
„Warum hast du dann ‚Hi‘ zu ihr gesagt?“
„Ich wollte nur höflich sein. Ich kenne die nicht mal.“
„Sie scheint dich kennenlernen zu wollen.“
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