Benjamin Alire Saenz - Alles beginnt und endet im Kentucky Club

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'Unbedingte Kaufempfehlung!' (Lektoratsdienste – ekz)
'Einer der mitreißendsten Schriftsteller der Welt' (Poets & Writers Magazine)
2013 gewann Benjamin Alire Sáenz mit 'Alles beginnt und endet im Kentucky Club' (original: 'Everything Begins and Ends at the Kentucky Club') den PEN/Faulkner Book Award.
'Es könnte jederzeit passieren. Der Finger reckt sich, legt sich um den Abzug, und eine Kugel schwirrt durch die Luft. So läuft es mit der Erinnerung.'
El Paso, Texas – Juárez, Mexiko. Hier spielen die sieben meisterhaft erzählten Geschichten, in denen es darum geht, wie es ist, in einer Stadt zu leben, die geteilt ist in zwei, in zwei gegensätzliche Welten, die trotz allem verbunden sind durch das Schicksal ihrer Bewohner.
Benjamin Alire Sáenz atemberaubendes Spiel mit Grenzen – zwischen Licht und Dunkelheit, Nüchternheit und Sucht, Hass und Liebe, Weisheit und Naivität – mit sexuellen, sinnlichen, geographischen Grenzen sind Thema seiner berührenden und trotzdem nie sentimentalen Geschichten. Und alle sind verbunden mit dem berühmten Kentucky-Club in Juarez, zwei Blocks südlich des Rio Grande, und Sáenz lädt uns ein, an der alten Mahagoni-Bar sitzend, ein kühles Bier oder eine Margarita zu trinken und seinen berührenden, manchmal witzigen, manchmal melancholischen Erzählungen in diesem bemerkenswerten Buch zu lauschen.
Der Kentucky Club ist die älteste Bar in Juarez / El Paso, die berühmt wurde durch Frank Sinatra, Bob Dylan, Steve McQueen und vor allem Marilyn Monroe, die hier ihre Scheidung von Arthur Miller feierte.

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Manchmal glaube ich, dass das Meer aus Tränen gemacht ist.

Originalausgabe Everything Begins and Ends at the Kentucky Club 2012 by - фото 1

Originalausgabe:

»Everything Begins and Ends at the Kentucky Club«

© 2012 by Benjamin Alire Sáenz. All rights reserved

Published by Cinco Puntos Press, El Paso

Erste Auflage 2014

© für die deutsche Ausgabe: Ripperger & Kremers Verlag, Berlin 2014

Übersetzung: Sabine Hedinger

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagmotiv: © plainpicture / Design Pics

Umschlaggestaltung: Vera Eizenhöfer

ISBN: 978-3-943999-15-0 (Buch)

ISBN: 978-3-943999-14-3 (EPub)

ISBN: 978-3-943999-66-2 (mobi)

www.ripperger-kremers.de

Inhalt

BEI DEN FRAUEN 1 Im schräg einfallenden Morgenlicht sah er aus, als würde er gleich in Flammen stehen. Jeden Sonntag war er da, allein, für sich, einer, der auffiel – aber keine traurige, einsame Gestalt. Auch keine tragische. Er wurde zur Hauptfigur einer Geschichte, die ich in meinem Kopf schrieb. Manche Menschen sind so schön, dass sie überall am richtigen Ort sind, wohin sie auch gehen. Das war der erste Satz meiner Geschichte. Ich achtete immer darauf, was er gerade las: Dostojewski, Kazantzakis, Faulkner. Er war verliebt in schöne Literatur. Und in Tragödien. Weil er an der Grenze lebte. An der Grenze konnte man die Tragödie lieben, ohne eine tragische Gestalt zu sein. Seinen Kaffee trank er schwarz. Obwohl ich mir da nicht sicher sein konnte. Manchmal war zu erkennen, dass er gerade vom Laufen kam, das dunkle, wellige Haar wirr, halbnass vom Schweiß. Er war dünn und musste sich bestimmt zweimal am Tag rasieren. Trotzdem war immer ein Schatten auf seinem Gesicht. Selbst im Morgenlicht schien es halb verborgen. Ich weiß nicht, wie lange ich ihn schon beobachtete. Seit einem Jahr. Vielleicht länger. Er war ein Gewohnheitsmensch. Nicht viel anders als ein Mönch. Nicht viel anders als ich. Unsere Blicke begegneten sich nie, obwohl ich mir die Farbe seiner Augen eingeprägt hatte. Ich trödelte nie in dem Café herum – aber Sonntag morgens gab es immer eine Schlange. Das Warten war mir nur recht. Es gab mir Gelegenheit, einen Blick auf ihn zu werfen, während er in seinem Buch las. Wie gern wäre ich zu ihm gegangen, um ihn zu fragen, was er von Kazantzakis hielt. Ich stellte mir vor, ich würde mit dem Satz loslegen, dass kein Mensch mehr etwas von ihm las. Dann würde er mich anlächeln. Einen Kaffee bestellte ich nie. Ich kam nur vorbei, um die Sonntagsausgabe der New York Times zu kaufen, und fuhr dann nach Hause, um meinen eigenen, fair gehandelten, frisch gemahlenen Kaffee zu trinken. Immer traf ich jemanden, den ich kannte. Die Leute waren sehr nett zu mir. Immer. Hallo Mr. De la Tierra gut sehen Sie aus Mr. De la Tierra woran arbeiten Sie gerade Mr. De la Tierra schön Sie zu sehen Mr. De la Tierra. Dass so viele Leute meinen Namen kannten, hat mich nie besonders gefreut. Im Gegenteil, ich kam mir eher noch einsamer vor. Und außerdem wusste niemand wirklich, wer ich war. Nicht einmal ich selbst.

DIE KUNST DES UBERSETZENS

DIE REGELN MEINES VATERS

BRUDER IN EINER ANDEREN SPRACHE

MANCHMAL IM REGEN

DEN DRACHEN JAGEN

EIN LEIDVOLLES SPIEL

Ich will dem Schlag meines Herzens lauschen, wenn er klingt wie ein Musikstück in einer Stille, die darauf wartet, durchbrochen zu werden.

In Erinnerung an meine Mutter Eloisa Alire Sáenz

Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. Matthäus 5,8

BEI DEN FRAUEN

1

Im schräg einfallenden Morgenlicht sah er aus, als würde er gleich in Flammen stehen.

Jeden Sonntag war er da, allein, für sich, einer, der auffiel

– aber keine traurige, einsame Gestalt. Auch keine tragische. Er wurde zur Hauptfigur einer Geschichte, die ich in meinem Kopf schrieb. Manche Menschen sind so schön, dass sie überall am richtigen Ort sind, wohin sie auch gehen. Das war der erste Satz meiner Geschichte.

Ich achtete immer darauf, was er gerade las: Dostojewski, Kazantzakis, Faulkner. Er war verliebt in schöne Literatur. Und in Tragödien. Weil er an der Grenze lebte. An der Grenze konnte man die Tragödie lieben, ohne eine tragische Gestalt zu sein.

Seinen Kaffee trank er schwarz. Obwohl ich mir da nicht sicher sein konnte.

Manchmal war zu erkennen, dass er gerade vom Laufen kam, das dunkle, wellige Haar wirr, halbnass vom Schweiß. Er war dünn und musste sich bestimmt zweimal am Tag rasieren. Trotzdem war immer ein Schatten auf seinem Gesicht. Selbst im Morgenlicht schien es halb verborgen.

Ich weiß nicht, wie lange ich ihn schon beobachtete. Seit einem Jahr. Vielleicht länger. Er war ein Gewohnheitsmensch. Nicht viel anders als ein Mönch. Nicht viel anders als ich.

Unsere Blicke begegneten sich nie, obwohl ich mir die

Farbe seiner Augen eingeprägt hatte.

Ich trödelte nie in dem Café herum – aber Sonntag morgens gab es immer eine Schlange. Das Warten war mir nur recht. Es gab mir Gelegenheit, einen Blick auf ihn zu werfen, während er in seinem Buch las. Wie gern wäre ich zu ihm gegangen, um ihn zu fragen, was er von Kazantzakis hielt. Ich stellte mir vor, ich würde mit dem Satz loslegen, dass kein Mensch mehr etwas von ihm las. Dann würde er mich anlächeln.

Einen Kaffee bestellte ich nie.

Ich kam nur vorbei, um die Sonntagsausgabe der New York Times zu kaufen, und fuhr dann nach Hause, um meinen eigenen, fair gehandelten, frisch gemahlenen Kaffee zu trinken. Immer traf ich jemanden, den ich kannte. Die Leute waren sehr nett zu mir. Immer. Hallo Mr. De la Tierra gut sehen Sie aus Mr. De la Tierra woran arbeiten Sie gerade Mr. De la Tierra schön Sie zu sehen Mr. De la Tierra.

Dass so viele Leute meinen Namen kannten, hat mich nie besonders gefreut. Im Gegenteil, ich kam mir eher noch einsamer vor. Und außerdem wusste niemand wirklich, wer ich war. Nicht einmal ich selbst.

2

Die Sonntage beanspruchte ich für mich. Der Rest der Woche gehörte meinen Verpflichtungen, meiner Familie, meinen Freunden, meinen Aufgaben. Ich konnte alle meine Tage für irgendetwas anderes dreingeben. Aber nicht die Sonntage. Ich liebte das Ruhige, Verhaltene dieses Tages. Las die Zeitung und atmete die Stille der Nachbarschaft ein, die sich von der Plackerei der Woche erholte. So eine Art Nachbarschaft war das.

Und dann, eines Sonntags, kamen wir ins Gespräch.

Ich stand am Tresen des Cafés, die New York Times in der Hand, und war gerade dabei mich zu entscheiden. Ein Croissant? Vielleicht einen Scone? Ich hatte Hunger.

»Sie nehmen nie einen Kaffee.«

Schon bevor ich mich umdrehte, wusste ich, dass er es war.

»Nein«, sagte ich.

»Mögen Sie keinen Kaffee?«

»Mein Kaffee wartet zu Hause auf mich.«

»Ihr Kaffee ist also wie eine Ehefrau?«

»Ja«, sagte ich, »genau wie eine Ehefrau.«

»Und wartet eine?«

»Wie bitte?«

»Eine Ehefrau?«

Ich streckte meine linke Hand aus. Kein Ring.

Er lächelte nicht, aber ich glaube, er verkniff es sich nur. Ich zahlte für meine Zeitung.

Er bestellte einen großen Becher »Kaffee des Tages«. Ich hatte recht gehabt: Er trank ihn schwarz. Seine Stimme war tief und sympathisch. Mit einem reizenden Akzent. Ich wollte das Gespräch nicht abreißen lassen. Aber gerade wenn es darauf ankommt, gibt es nie etwas zu sagen.

»Sie mögen Zeitungen«, sagte er.

»Ja.«

»Zeitungen sind von gestern. Und voller Lügen.«

Ich hob meine Zeitung hoch. »Das hier ist nicht El Diario

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