Hrsg. Michael Schmidt & Achim Hildebrand
Zwielicht X
Horrormagazin
Horrormagazin Zwielicht
Band 10
Herausgegeben von Michael Schmidt & Achim Hildebrand
Kontakt: Zwielicht_Magazin@defms.de
Das Copyright der einzelnen Texte liegt beim jeweiligen Autor
Titelbild: Björn Ian Craig
Illustrationen: Oliver Pflug
Lektorat: Marianne Labisch
Juni 2017
Inhalt
Vorwort
Geschichten
Michael Siefener – Die Messe für das besondere Buch
Julia Annina Jorges – Für immer Helena
Algernon Blackwood – Aileen
Paul Sanker – Insel der Glückseligen
Christian Künne – Mona
Usman T. Malik – Auferstehungspunkte
Michael Tillmann – Bemerkenswerter Bericht, welcher beschreibt, wie der ehrwürdige Bruder Michael gegen alle Widerstände der Welt seinen Seelenfrieden in einem Beinhaus fand
Ray Bradbury – Vielleicht ein Traum
Sascha Dinse – Isabelle
Karin Reddemann – Die bessere Geschichte
Nicole Kudelka – Die Nacht des Kranichs
Artikel
Achim Hildebrand – Verbotene Bücher
Matthias Kaether - Schlottern zum kleinen Preis
Michael Schmidt – Vincent Preis 2016
Michael Schmidt – Horror 2016
Michael Schmidt – Streifzüge
Autoreninfos
Zehn Ausgaben Zwielicht, das sind acht Jahre geballte Ladung Horror und unheimliche Phantastik.
Zehn Ausgaben Zwielicht, das sind über dreitausend Seiten Lesefreude. Mal verstörend, mal brutal und manches Mal erheiternd. Zwielicht bietet die gesamte Bandbreite des Genres. Kein Thema, keine Redaktionsvorgaben bremsen die Autoren und Illustratoren in ihrer Kreativität.
Zwielicht bietet dem Leser Vertrautes. Algernon Blackwood ist in sieben, Christian Weis in sechs, Marcus Richter in fünf Bänden vertreten, das sind nur die Autoren, mit den meisten Geschichten in Zwielicht. Einige hatten einen einmaligen Auftritt. Bisher, denn die Geschichte von Zwielicht geht weiter.
Zehn Ausgaben Zwielicht sind ein erster Meilenstein, aber es wird nicht der letzte sein.
Zehn Ausgaben Zwielicht bedeutet viermal den Vincent Preis zu gewinnen: Dreimal als beste Anthologie und einmal für das herausragende Titelbild von Zwi3licht für den Coverkünstler Björn Ian Craig, der sich seit dieser Ausgabe dafür verantwortlich zeigt. Aber es wurden auch acht Kurzgeschichten nominiert sowie zwei weitere Titelbilder.
Aber Zwielicht hat auch bei den Lesern Begeisterung hervorgerufen. Zahlreiche Rezensionen, Leserunden, Zuschriften und Forenbeiträge belegen, Zwielicht hat eine feste Leserschaft und immer wieder stoßen neue Interessenten dazu.
So freuen Sie sich auf die zehnte Ausgabe. Drei Übersetzungen haben wir diesmal ausgewählt. Old Clothes heißt der Originaltitel der 1910 erschienen Geistergeschichte von Algernon Blackwood. Ebenso freuen wir uns, Ray Bradbury in einer deutschen Erstveröffentlichung zu zeigen. Asleep in Armageddon ist aus dem Jahre 1948 und vom Grundsatz eine SF Geschichte, aber gruseln werden Sie sich trotzdem.
Usman T. Malik ist ein in Amerika lebender Pakistani und zeigt sein Können zum ersten Mal einem deutschen Publikum.
Zwielicht bietet aber nicht nur Übersetzungen. Ein Bericht über einen Priester, Ausführungen zu einem besonderen Buch oder die Unwägbarkeiten eines langen Lebens, all das und vieles mehr sind Themen unserer Jubiläumsausgabe und neben schon in Zwielicht bekannten Stimmen dürfen wir zum ersten Mal Christian Künne dem geneigten Publikum mit einer Geschichte präsentieren, die unter die Haut geht und nichts für schwache Nerven ist.
Im Artikelteil freuen wir uns mit Matthias Kaether einen neuen Mitarbeiter zu begrüßen, der uns über vergessene Pulps aus vergangenen Zeiten berichtet, ebenso wie Herausgeber Achim Hildebrand den Bogen zur Geschichte Die Messe für das besondere Buch schlägt.
Abgerundet wird dies durch die Auflistung der erschienenen Horrorwerke 2016 sowie der Gewinner des Vincent Preis 2016.
Mit dunklen Grüßen
Geschichten
Michael Siefener – Die Messe für das besondere Buch
Mein Name ist Marie Buchmann; ich bin es, an die der folgende Bericht adressiert ist.
Eine Zeit lang waren Franz Raabe und ich ein Paar, doch wir haben uns schon vor mehr als einem Jahr getrennt, da mir seine Büchermanie zu weit ging. Dennoch standen wir in loser, durchaus freundschaftlicher Verbindung. Nun bin ich in großer Sorge um ihn. Zunächst will ich hier seine Zeilen ungekürzt wiedergeben:
Liebe Marie,
morgen werde ich mich in ein Abenteuer stürzen, dessen Ausgang für mich nicht absehbar ist. Es ist verrückt, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt habe ich nicht die geringste Vorstellung davon, was mit mir geschehen wird, und ich hoffe, dass ich am Ende der Ereignisse diesen Bericht zerreißen und über meine Befürchtungen lachen kann. Doch mein Gefühl sagt mir etwas anderes. Allerdings steht mein Entschluss fest.
Du bist einer der wenigen Menschen, denen es etwas ausmachen könnte, wenn ich nicht mehr da bin, und deshalb will ich Dir gegenüber darlegen, was in der letzten Zeit geschehen ist. Wir haben uns seit einigen Wochen nicht mehr gesehen, und bei unseren wenigen Telefonaten habe ich stets behauptet, es gehe mir gut und es sei nichts Bedeutendes in meinem Leben geschehen.
Das stimmte nicht ganz.
Ich wünschte, ich könnte mich noch einmal mit Dir treffen - vorher - und Deine Meinung einholen, vor der ich mich aber, wie ich voller Scham gestehen muss, gleichzeitig fürchte. Also habe ich die Entscheidung allein getroffen, und morgen Nachmittag werde ich dorthin gehen.
Alles begann mit dem Tod eines meiner besten Kunden. Ich möchte seinen Namen nicht nennen, Du kennst ihn nicht, und wer weiß, in welche Hände diese Zeilen zufällig geraten könnten. Es reicht aus, zu sagen, dass er ein manischer Sammler okkulter Literatur war und durch die Hilfe meines Antiquariats seiner beachtlichen Sammlung etliche schöne Stücke hatte hinzufügen können. Vor einigen Wochen erhängte er sich auf dem ausgebauten Dachboden seines Hauses, wo er seine außergewöhnlichsten Bücher vor den neugierigen Augen verständnisloser Besucher verbarg. Seine Frau fand ihn; er hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen und keinen Grund für seine Tat angedeutet. Es muss leider gesagt werden, dass es mit seiner Ehe schon längere Zeit nicht mehr zum Besten stand, woran auch seine exzessiven Bücherkäufe und die Art der von ihm erworbenen Bände nicht ganz unschuldig waren. Jedenfalls hielt sich die Trauer der Witwe nach dem anfänglichen Schock in gewissen Grenzen, und schon bald bot sie mir an, die gesamte Bibliothek anzukaufen. Sie kannte mich von einigen Besuchen bei ihrem Mann und wusste um unsere Geschäftsbeziehung. Da sie durch den Tod ihres Mannes zu einer reichen Erbin geworden war, kam es ihr nicht darauf an, durch den Verkauf der Bücher noch mehr Geld einzunehmen, auch wenn ich es als meine moralische Pflicht ansah, sie darüber aufzuklären, dass die Sammlung einen nicht unbeträchtlichen Wert darstellt. Sie tat diese Einlassung mit einer knappen Handbewegung ab und verlangte nur, dass ich die „alten, stinkenden, unheimlichen Scharteken“, wie sie die Bücher nannte, so schnell wie möglich abtransportierte.
Du kannst Dir vorstellen, in welcher Hochstimmung ich nach Hause fuhr. Einerseits war auch ich entsetzt über den Selbstmord meines Kunden, doch andererseits hatte ich ihn nicht gut genug gekannt, um ihn einen Freund nennen zu können, und dieser unverhoffte Ankauf würde die finanziellen Schwierigkeiten auflösen, die ich bis vor kurzer Zeit noch hatte. Du weißt ja, wie oft ich über die schleppenden Geschäfte und die hohen Abgaben gestöhnt habe. Nun würde alles anders werden, dessen war ich mir sicher.
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