J.B. Hagen
Insel im Zwielicht
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Inhaltsverzeichnis
Titel J.B. Hagen Insel im Zwielicht Dieses ebook wurde erstellt bei
PROLOG PROLOG Sie fielen wie ein Rudel hungriger Wölfe über ihn her. In ihren Augen stand die nackte Mordlust. Endlich war die Gelegenheit gekommen, sich für die erlittene Schmach zu rächen. Die Ungerechtigkeit, den Sadismus, die brutale Gewalt. Das Schlimmste, was er ihnen angetan hatte, ließen sie gedanklich nicht zu, dafür schämten sie sich zu sehr. Unter normalen Umständen hätte es kein Problem für den kräftigen Mann dargestellt, sich gegen die kleine Gruppe von Halbwüchsigen zur Wehr zu setzen, aber er war mit dem Kopf aufgeschlagen, als man ihn umrannte, deshalb war er leicht benommen und schlug nur wild um sich. Doch er hatte keine Chance. Sie schlugen, traten, bissen und stachen, wo sie nur konnten. Nach und nach ließ seine Gegenwehr nach. Sein Kopf und sein Körper waren nur noch eine blutige Masse, und der hohe Blutverlust raubte ihm das Bewusstsein. Die Jungen waren wie im Blutrausch und konnten nicht aufhören, bis der Älteste von ihnen die grausige Aktion unterbrach, indem er aufhörte, die Hand erhob und damit Einhalt gebot. Plötzlich öffnete sich die Tür und es erschien ein Mann, den alle nur zu gut kannten. Einer der Jungen wollte sich mit gezücktem Messer auf ihn stürzen, doch die anderen hielten ihn zurück. Dann geschah das völlig Unerwartete. Ein grausames Grinsen überzog das Gesicht des älteren Mannes.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Epilog
Impressum neobooks
Sie fielen wie ein Rudel hungriger Wölfe über ihn her. In ihren Augen stand die nackte Mordlust. Endlich war die Gelegenheit gekommen, sich für die erlittene Schmach zu rächen. Die Ungerechtigkeit, den Sadismus, die brutale Gewalt. Das Schlimmste, was er ihnen angetan hatte, ließen sie gedanklich nicht zu, dafür schämten sie sich zu sehr.
Unter normalen Umständen hätte es kein Problem für den kräftigen Mann dargestellt, sich gegen die kleine Gruppe von Halbwüchsigen zur Wehr zu setzen, aber er war mit dem Kopf aufgeschlagen, als man ihn umrannte, deshalb war er leicht benommen und schlug nur wild um sich. Doch er hatte keine Chance. Sie schlugen, traten, bissen und stachen, wo sie nur konnten.
Nach und nach ließ seine Gegenwehr nach. Sein Kopf und sein Körper waren nur noch eine blutige Masse, und der hohe Blutverlust raubte ihm das Bewusstsein. Die Jungen waren wie im Blutrausch und konnten nicht aufhören, bis der Älteste von ihnen die grausige Aktion unterbrach, indem er aufhörte, die Hand erhob und damit Einhalt gebot.
Plötzlich öffnete sich die Tür und es erschien ein Mann, den alle nur zu gut kannten. Einer der Jungen wollte sich mit gezücktem Messer auf ihn stürzen, doch die anderen hielten ihn zurück.
Dann geschah das völlig Unerwartete. Ein grausames Grinsen überzog das Gesicht des älteren Mannes.
Das alte, etwas unheimlich wirkende Herrenhaus, das mehr einer Burg oder einem Schloss glich, lag auf einer kleinen Insel im Ärmelkanal, die nur bei Ebbe über einen Damm zu erreichen war, wenn man nicht ein Boot benutzte. Doch die schroffe Steilküste, an der es keine Anlegestelle gab, verhinderte dies weitgehend.
Auf den Hauptinseln nannte man die Insel allgemein Castle Island. Der wahre Name, falls es jemals einen gegeben hatte, war längst in Vergessenheit geraten. Bei den Bewohnern der nächstgelegenen Gemeinden standen Insel und Herrenhaus in keinem guten Ruf. Es gehe dort nicht geheuer zu, hieß es, und man munkelte, dort seien im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Menschen verschwunden. In den Jahrzehnten, in denen das Haus als Internat genutzt wurde, sogar überwiegend Kinder.
Keiner der Dörfler wäre damals auf den Gedanken gekommen, eines seiner Kinder dort unterzubringen. Schon aus Kostengründen nicht. Denn als sogenannte Eliteschule langte man kräftig zu. Ein Umstand, der wohlhabende Eltern aus den großen Städten der Umgebung nicht davon abhielt, ihre Kinder dort anzumelden. Im Gegenteil, ein geringerer Preis für Unterkunft, Verpflegung und vor allem das Unterrichten hätte sie nur stutzig gemacht.
Im 13. Jahrhundert von einem Adligen für seine Geliebte erbaut, hatte das Gemäuer im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Nutzung erfahren. Es war immer wieder eine Art Lustschloss gewesen oder von Menschen bewohnt worden, die in völliger Abgeschiedenheit leben wollten, aus welchen Gründen auch immer. Lange Zeit war es sogar als Kloster genutzt worden, wovon die Ruine einer mittelalterlichen Kapelle zeugte. Bis zum heutigen Tag gab es immer wieder Berichte über Sichtungen einer Nonne, die dort herumgeisterte, und eines Seeräubers, der einst auf dem höchsten Punkt der Insel gehängt wurde und seitdem keine Ruhe fand.
In den zwanziger und dreißiger Jahren als beliebtes Luxushotel genutzt, hatte der Bau während der deutschen Besatzung kurzzeitig als Lazarett gedient und die Insel als Militärstützpunkt. In der Nachkriegszeit waren dann Ferienwohnungen entstanden. Anfang der siebziger Jahre hatte man das mittlerweile leerstehende Gebäude in ein Internat umgewandelt, bis sich in den neunziger Jahren ein Investor gefunden hatte, dessen Traum es war, ein Hotel im Stil des Art Deko zu betreiben. Seine Akribie bei dem Heranschaffen von originalem Interieur und ebensolchen Bauelementen zahlte sich aus. Das Excelsior war inzwischen ein Geheimtipp für Liebhaber des schönen Scheins und Ruhesuchende allgemein, die es sich leisten konnten und mögliche paranormale Phänomene als den besonderen Kick empfanden.
Annabel Lockhart gastierte schon zum wiederholten Mal im Excelsior. Sie liebte die gediegene Atmosphäre und das edle Ambiente. Finanziell war sie unabhängig, denn ihr verstorbener Mann Albert hatte ihr ein hübsches Haus und ein kleines Vermögen hinterlassen. Als Hobbyautorin schrieb sie hin und wieder Artikel für regionale Tageszeitungen und Bücher, die sie bei Nischenverlagen unterbrachte. Die Verkaufszahlen waren nicht überwältigend, doch Annabel war zufrieden. Der Gedanke, dass ihre Bücher in den Regalen fremder Menschen standen, erfüllte sie gelegentlich mit Stolz. So ganz hatte sie die Hoffnung, einmal einen Bestseller zu landen, noch nicht aufgegeben. Vielleicht gelang ihr mit einem Roman über die bewegte Geschichte von Castle Island der Durchbruch.
Ihre Freundinnen, mit denen sie Tee trank und Handarbeiten verrichtete, belächelten sie mitunter und sorgten sich um sie, denn jede kannte Annabels Vorliebe für geheimnisvolle Orte und unaufgeklärte Verbrechen. Ihr Spitzname Jane, der von der etwas schrulligen Romanfigur Miss Marple der berühmten Agatha Christie herrührte, ärgerte sie nicht, sondern schmeichelte ihr sogar ein wenig. Schließlich zeichneten Jane Marple ein scharfer Verstand, eine gute Kombinationsgabe und jede Menge Mut aus. Einziger Unterschied zu ihrem Vorbild war, dass Annabel noch keine alte Lady war, sondern in der Blüte ihrer Jahre, wie es so schön hieß, und leider keinen Mr. Stringer an ihrer Seite hatte, der sie oft im letzten Moment aus brenzligen Situationen befreite. Auch arbeitete sie nicht mit der hiesigen Kriminalpolizei zusammen. Sie beschränkte sich darauf, ihre Recherchen und Erlebnisse in ihren Artikeln und Romanen zu verwenden. Im Excelsior war sie ein gern gesehener Gast. Womöglich hoffte man sogar darauf, einmal in einem Buch oder Artikel genannt zu werden und damit kostenlose Werbung zu erhalten.
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