Diesmal empfing mich Frau Reude selbst schon im Laden und bat mich wiederum in das Besprechungszimmer. Siegesgewiss legte ich die Vollmacht auf den großen runden Holztisch auf ihren Platz. Sie setzte ihre Brille auf und begann, sie haarklein zu studieren, als suche sie einen Fehler oder eine Unvollständigkeit. Als ihr das aber nicht gelang, schloss sie die Mappe.
„Das scheint ja soweit in Ordnung zu sein. Ich werde jetzt Pastor Stark anrufen und ihn fragen, ob er etwas dagegen hat, wenn Sie die Formalitäten übernehmen.“
Unglaublich, welche Macht diesem Pastor zugestanden wurde. Wer gab ihm das Recht darüber zu entscheiden, ob ich die Formalitäten übernehmen durfte oder nicht? Innerlich kochte ich vor Wut und Ohnmacht, aber im Sinne eines schnelleren Vorankommens versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen.
Frau Reude verließ das Besprechungszimmer und ging in den Nebenraum. Ich hatte den Eindruck, dass ich den Inhalt des Gespräches nicht mitbekommen sollte, was mich dazu bewog, die Ohren zu spitzen. Die beiden schienen sich gut zu kennen. Ich hörte noch, wie sie Herrn Stark von der Gültigkeit meiner Vollmacht berichtete, doch dann wurde das Gespräch so leise, dass ich nichts mehr verstehen konnte.
Nach einer Weile kam sie zurück und erklärte mit ihrem aufgesetzten Lächeln: „Es ist alles geklärt. Pastor Stark will den Trauergottesdienst abhalten. Den Rest können Sie ruhig machen – das macht eh nur Arbeit, wie er sagte.“
Eine unbeschreibliche Überheblichkeit! Keine Rede davon, dass er die geforderte Vollmacht in keiner Weise vorweisen konnte und somit überhaupt keine Befugnis hatte sich einzumischen.
Endlich konnten wir mit dem eigentlichen Anliegen meines Besuches beginnen. Vieles hatte Tante Sophie ja bereits vorbereitet, jedoch blieben noch einige Dinge übrig, die ausgesucht oder geplant werden mussten. Ich wählte zum Beispiel wunderschöne, elegante cremeweiße Karten sowie dazugehörige Umschläge mit einem grauen Rand und Silberstreifen aus, weil ich mir sicher war, dass sie Tante Sophie gefallen würden. Für sie war der Tod nichts Trauriges – Schwarzes gewesen. Auch das bedrohliche schwarze Kreuz, das mir Frau Reude für die Karte vorschlug, wollte ich so nicht akzeptieren. Für Tante Sophie war das Kreuz als Symbol des Glaubens etwas unendlich Schönes gewesen.
Zum Abschluss unseres Gesprächs kam Frau Reude noch mit einem neuen Vorschlag: „Frau Reber ist ja so sozial eingestellt gewesen. Sie hat mir gegenüber mehrmals den Wunsch geäußert, dass die Trauergäste anstelle von Blumenkränzen an eine wohltätige Organisation spenden sollen. Was halten Sie davon?“
Ich zögerte etwas, da mir davon eigentlich nichts bekannt war. Tante Sophie hatte sich sogar selbst für ihren Sarg einen üppigen Blumenschmuck ausgesucht und einen entsprechenden höheren Geldbetrag dafür vorgesehen. Das passte alles nicht ganz zusammen, zumal Tante Sophie zu Lebzeiten eine große Blumenliebhaberin gewesen war. Ich konnte das Gegenteil aber auch nicht beweisen und musste darauf vertrauen, dass Frau Reude die Wahrheit sagte. Etwas widerstrebend stimmte ich dem Vorschlag also zu.
„Wenn Sie keinen besseren Vorschlag haben, empfehle ich die Spendenorganisation „Zum Wohl der Kinder“ und werde die Kontonummer auf den Karten einfügen“, empfahl sie daraufhin. Ich kannte die Organisation nicht und fühlte mich irgendwie ein wenig überrumpelt, aber mir fiel im Augenblick kein besserer Vorschlag ein und pflichtete auch dem bei.
Nachdem Frau Reude und ich das Wesentliche besprochen hatten, fuhr ich mit dem Auto nochmals ins Krankenhaus, um den Koffer und die anderen privaten Dinge meiner Tante abzuholen. Da Herr Stark natürlich auch hier keine entsprechende Vollmacht hatte vorzeigen können, verlief die Herausgabe nach meiner Legimitation problemlos. Ich bewunderte die Krankenschwestern sogar dafür, dass sie der herrischen Art von Herrn Stark so standhaft und mutig entgegengetreten waren. Der letzte Gang mit den Habseligkeiten meiner Tante das Treppenhaus hinunter zum Parkplatz war ganz fürchterlich für mich. Jetzt war es wirklich zu Ende. Endgültig. Das wurde mir nach den Aufregungen des Tages jetzt erst so richtig bewusst. Als ich an der Krankenhauskapelle vorbeikam, stand davor der Wagen des Beerdigungsinstitutes und lud einen Sarg -wahrscheinlich Tante Sophies- ein. Ein letzter Abschied. Aus. Vorbei.
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