Doch es gibt Hoffnung. Ihr müsst unbedingt das Licht der Weihnacht finden und mit ihm das Feuer in der magischen Laterne entflammen. Das ist eine schwierige und gefährliche Aufgabe, aber ich weiß, mit Hilfe von Paolos Aufspürbrille könnt ihr das schaffen. Außerdem wird euch die kleine Feder dabei helfen. Leider ist sie ziemlich scheu und auch etwas tollpatschig. Habt Geduld mit ihr, auch wenn die Zeit eilt.
Für alle Fälle habe ich für euch ein Fläschchen mit Unsichtbarkeitswasser hergestellt. Leider ist es in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung stand, nicht ganz fertig geworden. Es gibt gewisse Nebenwirkungen, auf die ihr unbedingt achten solltet. Und jetzt erkläre ich euch wie, ...
Paolo hört mitten im Satz auf zu lesen.
»Was ist los, warum liest du nicht weiter?«, fragt Lara.
»Das ist die eine Hälfte des Briefes. Der zweite Teil steckt auf der anderen Seite des Spiegels fest«, antwortet Paolo und zeigt auf die zugefrorene Spiegeloberfläche.
»Was ist das Licht der Weihnacht? Was hat diese Nachricht zu bedeuten?«, fragt ihre Mutter, die irgendwie hilflos neben ihren Kindern steht und von einem zum anderen blickt. Ihre Eltern haben sich zwar mittlerweile daran gewöhnt, dass Paolo und Lara anders sind als andere Kinder, aber die Kraftgegenstände und die ganze Magie sind für ihre Mutter nach wie vor ein Mysterium.
»Kasimir braucht unsere Hilfe«, erklärt ihr Paolo kurz und bündig.
»Wir müssen das Licht der Weihnacht finden und mit ihm das Feuer in der magischen Laterne entflammen. Und die kleine Feder wird uns dabei helfen«, fasst Lara etwas ausführlicher den Inhalt der Nachricht zusammen. »Vermutlich müssen wir wieder in den Kalender springen, sofern es uns gelingt, ihn aufzutauen«, überlegt Lara, die bereits Pläne schmiedet. »Aber Kasimir hat gesagt, dass die Lavahalskette nicht funktionieren wird«, fügt sie nachdenklich hinzu und legt ihre Stirn in Falten.
»Ihr müsst überhaupt nichts! Ihr geht nirgendwo hin! Ich verkrafte das kein zweites Mal. Ich hatte letztes Jahr solche Angst um euch!«, stammelt nun ihre Mutter nun völlig aufgelöst.
Paolo schaut seine Mutter erschrocken an. Sie ist den Tränen nahe.
»Mama, uns passiert schon nichts«, versucht Paolo, seine Mutter zu beruhigen.
»Und wer kann uns das garantieren?«, fragt ihr Vater, der in diesem Augenblick das Badezimmer betritt.
»Die Magie von Weihnachten ist in Gefahr! Wir müssen das Licht der Weihnacht finden«, wiederholt Paolo Kasimirs Worte.
»So einen Quatsch habe ich ja noch nie gehört. Es gibt kein Licht der Weihnacht.«
»Kasimir hat geschrieben, dass ...«
»Schluss jetzt mit dem Unsinn! Ich habe ein viel wichtigeres Thema, das ich mit euch besprechen muss. Wir haben so gut wie keine Socken mehr im Haus! Und außerdem bin ich der gleichen Meinung wie eure Mutter. Dieses Jahr gibt es keine gefährlichen Abenteuer und keine riskanten Reisen auf andere Planeten.«
»Aber Papa!«, protestiert Paolo. »Ich verspreche dir, dass ...«
»Du hast heute Nacht ein Versprechen gebrochen und mich sehr enttäuscht. Ich lasse nicht mit mir diskutieren. Keine Widerrede mehr!«
»Haben wir jetzt etwa Hausarrest?«, fragt Lara leise.
»So kann man das sagen. Ihr bleibt bis Weihnachten in der Stadt und damit ihr auf keine dummen Gedanken kommt, gebt ihr mir jetzt eure magischen Gegenstände.«
»Kraftgegenstände«, grunzt Thomas.
»Was sagt das Kissen?«
»Man nennt sie Kraftgegenstände und nicht magische Gegenstände«, erklärt Paolo seinem Vater.
»Dann heißen sie eben Kraftgegenstände.«
»Papa, ich bitte dich, das kannst du doch nicht machen«, bemüht sich Paolo noch einmal, seinen Vater umzustimmen.
»Und ob ich das kann.«
»Mama, sag doch auch mal was«, fleht Lara ihre Mutter an.
»Euer Vater hat vollkommen recht. Es ist das Beste für euch. Eure Oma würde es auch nicht wollen, dass ihr euch in Gefahr begibt.«
»Aber unsere Freunde brauchen unsere Hilfe. Weihnachten steht auf dem Spiel!«
»Ihr seid noch Kinder. Niemand kann irgendetwas von euch erwarten. Und Weihnachten findet wie jedes Jahr statt.«
»Uns passiert schon nichts«, sagt Paolo.
»Du hast es doch selbst vorgelesen. Rudi, dieser Pauwdie, hat sein Leben riskiert, um diese Nachricht durch den Spiegel zu stecken.«
»Unsere Freunde zählen doch auf uns«, flüstert Lara, die jetzt ebenfalls den Tränen nahe ist.
»Das sehe ich ganz anders. Eure Freunde müssen dieses Jahr ihre Probleme alleine lösen. Die Entscheidung steht fest. Her mit den Kraftdingern!«
»Papa, ich flehe dich an!«
»Jetzt ist aber Schluss! Rückt alles raus!«, schimpft ihr Vater streng, leert den Wäschebeutel aus und hält ihn den Kindern unter die Nase. »Alles kommt hier rein! Ohne Ausnahme!«
Paolo lässt den Kopf hängen und steckt dann sein Schutzamulett und die Luminova-Aufspürbrille in den Wäschesack. Lara streift die Übersetzerohrringe ab und gibt ihrem Vater außerdem den Blitzstein und die Lavahalskette. Die Mutter geht in die Küche und holt den magischen Adventskalender, um ihn zu den anderen Kraftgegenständen in den Wäschesack zu stopfen.
Alle stehen wie angewurzelt da und schauen sich gegenseitig an.
»Fehlt da nicht noch etwas?«, fragt ihr Vater und zeigt auf die kleine Feder in Laras Haaren.
Lara zieht frustriert die Feder heraus.
»Lara, tu das nicht! Kasimir hat gesagt, dass die kleine Feder uns helfen wird«, sagt Paolo entsetzt, der sich noch gut an die Fähigkeiten der Feder erinnern kann. Anstatt wie alle anderen Kraftgegenstände Energie zu entziehen, schenkt sie ihrem Benutzer Energie immer dann, wenn man sie verwendet. Außerdem konnte Lara mit der Feder alle Kräfte der anderen Kraftgegenstände heraufbeschwören. Die Feder ist sehr mächtig.
»Ich habe doch keine andere Wahl«, schluchzt Lara.
Thomas und Lanzelot rücken ganz eng zusammen und schauen mit großen Augen zu Vater Maring auf.
»Keine Sorge, ihr beiden dürft bleiben. Aber das alles hier und den magischen Adventskalender, schließe ich bis nach Weihnachten zu diesem Zepter in den Tresor ein. Wenn Weihnachten und der ganze Spuk vorüber sind, dann bekommt ihr alles zurück.«
»Aber was ist, wenn es gar kein Weihnachten mehr gibt?«
»Das ist doch totaler Blödsinn! Weihnachten kann niemand abschaffen.«
»Und was ist mit Kasimir und Rudi und all den anderen auf Ganesha, die unsere Hilfe brauchen?«
»Tut mir leid. Sie schaffen das bestimmt auch ohne euch.«
»Aber, aber ...«, schluchzt Lara, bekommt jedoch kein weiteres Wort heraus, da sie jetzt tatsächlich bitterlich anfängt zu weinen.
Sie rennt aus dem Badezimmer.
Paolo steht sprachlos da und schaut seinen Vater an.
»Tut mir sehr leid Paolo. Du wirst das eines Tages, wenn du einmal eigene Kinder hast, sicher verstehen.«
Paolo nickt stumm.
»Darf ich das behalten?«, fragt er und deutet auf Kasimirs Brief.
»Meinetwegen.«
Paolo verlässt geknickt das Badezimmer und Lanzelot und Thomas folgen ihm. Auf dem Weg zurück zu seinem Kinderzimmer lässt er die ganze Zeit über den Kopf hängen. Als er an Laras Tür vorbei kommt, hört er sie dahinter laut und verzweifelt weinen.
Lanzelot bleibt stehen.
»Ich werde ihr Trost spenden.«
»Viel Glück dabei«, flüstert Paolo und läuft weiter. In seinem eigenen Zimmer setzt er sich ratlos auf das Bett. Thomas klettert an Paolos Bein hoch und kuschelt sich an seine Seite. Den Beginn der magischen Adventszeit hat sich Paolo ganz anders vorgestellt. Unter diesen Umständen kann er sich gar nicht richtig auf Weihnachten freuen. Sofern es überhaupt ein Weihnachten geben wird. Wenn das stimmt, was Kasimir geschrieben hat, dann wird die Erde in Eis und Schnee versinken und die Magie der heiligen Weihnacht in den Herzen der Menschen erlöschen. Dann war es das mit Weihnachten. Paolo hat zwar noch nie etwas von dem Licht der Weihnacht oder der magischen Laterne gehört, aber er weiß eins: Wenn Kasimir es sagt, dann muss etwas Wahres dran sein. Paolo will ihm auf jeden Fall helfen. Leider hat er aber noch keine Ahnung wie. Denn der einzige Hinweis der ihnen weiterhelfen könnte, führt zu der kleinen Feder und die ist mit allen anderen Kraftgegenständen im Wäschesack gelandet. Und der befindet sich jetzt bestimmt schon im Panzerschrank in Papas Werkstatt.
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