Als sie aber aufs Schloss kamen, und die alte Königin, die Stiefmutter des jungen Königs, Schneeweiß und Rosenrot erblickte, ward sie so neidisch und so aufgebracht über ihre große Schönheit und sagte zum König: »Siehst Du denn nicht, dass es eine Trollhexe ist, die Du mitgebracht hast? Denn sie kann ja weder sprechen, noch lachen, noch weinen.« Der König aber bekümmerte sich nicht darum, was seine Mutter sagte, sondern hielt Hochzeit mit der schönen Jungfrau und lebte mit ihr herrlich und vergnügt; sie aber unterließ nicht, fortwährend an den Hemden zu nähen.
Ehe das Jahr um war, kam Schneeweiß und Rosenrot mit einem Prinzen nieder; darüber wurde die alte Königin noch neidischer und noch mehr erbittert, und als es Nacht wurde, schlich sie sich, während die junge Königin schlief, in ihr Zimmer, nahm ihr das Kind weg und warf es in die Schlangengrube; darnach schnitt sie sie in den Finger, bestrich ihr mit dem Blute den Mund und ging dann hinein zum König und sprach: »Komm jetzt und siehe, was es für Eine ist, die Du zur Gemahlin genommen hast; jetzt hat sie ihr eignes Kind gefressen.« Da ward der König so betrübt, dass er beinahe Tränen vergoss, und er sagte: »Ja, es muss wohl wahr sein, weil ich es vor meinen eignen Augen sehe; aber sie tut es gewiss nicht wieder; dieses Mal will ich sie schonen.«
Ehe das Jahr um war, gebar die Königin wieder einen Sohn, und mit diesem ging es eben so, wie mit dem ersten. Die Stiefmutter des Königs ward diesmal noch neidischer und noch mehr erbittert; sie schlich sich in der Nacht wieder in das Zimmer der jungen Königin, während diese schlief, nahm ihr das Kind weg und warf es in die Schlangengrube, schnitt darauf die Königin in den Finger, bestrich ihr mit dem Blute den Mund und sagte dann zum König, seine Gemahlin hätte wieder ihr eignes Kind gefressen. Da ward der König so betrübt, dass Du's gar nicht glauben kannst, und er sagte: »Ja, es muss wohl wahr sein, weil ich es vor meinen eignen Augen sehe; aber sie wird es gewiss nicht wieder tun; dieses eine Mal will ich sie noch schonen.«
Ehe das Jahr wieder um war, kam Schneeweiß und Rosenrot mit einer Tochter danieder, und die nahm die alte Königin ebenfalls und warf sie in die Schlangengrube, während die junge Königin schlief, schnitt sie in den Finger, bestrich ihr mit dem Blute den Mund und ging dann wieder zum König und sprach: »Komm jetzt und siehe, ob es nicht wahr ist, was ich sage, dass sie eine Trollhexe ist; denn jetzt hat sie auch ihr drittes Kind aufgefressen.« Da ward der König so betrübt, dass es gar nicht zu sagen ist; denn jetzt konnte er sie nicht länger schonen, sondern musste den Befehl geben, sie lebendig zu verbrennen. Als nun der Scheiterhaufen in Flammen stand, und sie hinaufsteigen sollte, gab sie durch Mienen und Gebärden zu verstehen, sie sollten zwölf Bretter nehmen und sie um den Scheiterhaufen legen.
Darauf legte sie die Hemden und die Mützen und die Tücher ihrer Brüder; aber an dem Hemd des jüngsten Bruders fehlte noch der linke Arm, den hatte sie nicht fertig bekommen können. Kaum war dies geschehen, so hörte man ein Sausen und ein Brausen in der Luft, und darauf kamen zwölf wilde Enten über den Wald her geflogen, und jede von ihnen nahm ein Hemd, eine Mütze und ein Halstuch in den Schnabel und flog damit fort. »Siehst Du nun,« sagte die böse Stiefmutter zu dem König: »dass sie eine Trollhexe ist? Mach jetzt schnell und verbrenne sie, ehe die Flammen das Holz verzehren.« -- »Damit hat's noch keine Eile,« sagte der König: »denn Holz haben wir genug, und ich habe große Lust, zu sehen, was das Ende hievon sein wird.« In demselben Augenblick kamen die Prinzen geritten, so schön und so wohl gebildet, wie man sie nur sehen kann; der jüngste Prinz aber hatte anstatt des linken Arms einen Entenflügel.
»Was habt Ihr hier vor?« fragten die Prinzen. »Meine Gemahlin soll verbrannt werden,« sagte der König: »weil sie eine Trollhexe ist und ihre eignen Kinder gefressen hat.« -- »Sie hat ihre Kinder nicht gefressen,« sagten die Prinzen: »Sprich jetzt, Schwester! Nun hast Du uns errettet, errette jetzt Dich selbst!« Da sprach Schneeweiß und Rosenrot und erzählte, wie Alles sich zugetragen hatte, und dass jedes mal, wenn sie ins Kindbette gekommen, die alte Königin sich in ihr Zimmer geschlichen und ihr das Kind weggenommen, und sie darnach in den Finger geschnitten und ihr mit dem Blute den Mund bestrichen hätte. Und die Prinzen nahmen den König und führten ihn hinaus zu der Schlangengrube; da lagen die drei Kinder und spielten mit den Schlangen und den Nattern, und schönere Kinder, als die waren, konnte man gar nicht sehen. Da nahm der König sie mit sich und brachte sie zu seiner Stiefmutter und fragte sie, was Der wohl für eine Strafe verdient hätte, der im Sinne gehabt, eine unschuldige Königin und drei so allerliebste Kinder zu verraten.
»Der verdiente, dass er von zwölf wilden Pferden in Stücke zerrissen würde,« sagte die alte Königin. »Du hast selbst das Urteil gesprochen, und selber sollst Du die Strafe erleiden,« sagte der König; und darauf wurde die alte böse Königin an zwölf wilde Pferde gebunden und in Stücke zerrissen. Schneeweiß und Rosenrot aber reiste mit dem König, ihrem Gemahl, und ihren Kindern und den zwölf Prinzen, ihren Brüdern, nach Hause zu ihren Eltern und erzählte ihnen, was ihr alles begegnet war; und nun war lauter Freude und Jubel im ganzen Königreich, weil die Prinzessin errettet war, und sie auch ihre zwölf Brüder erlöst hatte.
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