Der Raum wirkte auf eine befremdliche Weise unpersönlich, ja steril, so als lege die Bewohnerin nicht den geringsten Wert darauf, ihm eine individuelle Note zu geben und ihn wenigstens andeutungsweise mit ihrem eigenen Geschmack zu markieren.
Nina Winkler kehrte mit einer Flasche Wasser und zwei Gläsern zurück, die sie auf dem flachen kleinen Holztisch abstellte. Sie schüttete ihnen beiden ein und setzte sich auf die Seitenlehne des Sofas, aufrecht, mit übereinandergeschlagenen Beinen. Sie rauchten Zigaretten. Er nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas.
„Wir müssen dringend reden“, sagte er.
Sie fixierte ihn unentwegt, immer noch mit diesem Lächeln. Langsam stand sie auf, drückte mit der rechten Hand ihre Zigarette aus und nahm ihm mit der anderen seine ab, um sie ebenfalls auszudrücken.
„Du bist doch nicht zum Reden zu mir gekommen“, sagte sie.
Sie setzte sich dicht neben ihn und begann an seinem Gürtel zu nesteln. Er hatte keine Chance.
Später hatte er Angst, nach Hause zu fahren. Wie sollte er Hanna gegenübertreten? Wenn er nur annähernd so derangiert und dreckig aussah, wie er sich fühlte, würde sie sofort sehen, dass etwas ganz grundlegend nicht stimmte. Er brauchte noch ein bisschen Zeit. Nach einigen hundert Metern fuhr er an den Straßenrand und stellte den Motor ab. Was da gerade mit einer Frau passiert war, die er im Grunde gar nicht kannte, erschien im grotesk und unwirklich. Das war doch nicht Leonhard Marthaler, der liebende Ehemann und Vater. Und doch war es niemand anderes als eben dieser brave Leo, der sich da gerade, ohne nachzudenken und bemerkenswert aktiv, in einen schrecklichen Schlamassel katapultiert hatte.
Er hatte Hanna bisher noch nie betrogen. Und wenn er die Vorzüge einer stabilen und langen Zweierbeziehung zu preisen pflegte, war es ihm damit absolut ernst. In seinem Job traf er viele Frauen, auch solche, die er durchaus attraktiv fand. Aber bisher war es immer bei harmlosen Blickgefechten geblieben. Seit einiger Zeit gab es zwei sehr hübsche Volontärinnen, die sich auffallend gerne von ihm ihre Texte redigieren ließen. Er tat das bereitwillig, es schmeichelte ihm ein wenig, aber mehr auch nicht. Er hatte noch nie den Wunsch nach einer Affäre verspürt.
Nach einer Weile raffte er sich auf und fuhr weiter. Gegen halb zehn kam er zu Hause an. Er warf seine Aktentasche neben die Flurkommode. Sein Jackett hatte er im Auto vergessen.
„Du siehst ja ganz schön mitgenommen aus“, begrüßte ihn Hanna und küsste ihn leicht auf die Wange.
„Ein echter Scheißtag war das. Alles ist kreuz und quer gelaufen. Nichts als Stress. Ich gehe erst mal duschen.“
Nach der Dusche fühlte er sich sauber, aber nicht gut.
Hanna war mit ihrem Laptop beschäftigt, als er ins Wohnzimmer kam. Sie wollte sich eine neue Handtasche leisten und suchte nach Schnäppchen. Das konnte dauern. Sie schaute kaum auf.
„Möchtest du noch reden oder lieber deine Ruhe haben?“, fragte sie ein bisschen abwesend. Ohne wirklich seine Antwort abzuwarten, deutete sie mit der Hand in Richtung Küche.
„Im Kühlschrank steht noch eine Schale mit Mozzarella und Tomaten. Kannst du alles aufessen.“
Nach einem normalen harten Arbeitstag hätte er Hannas Verhalten als ein wenig unfreundlich empfunden. Heute war er ihr dankbar dafür.
„Ich esse und gehe dann ins Bett.“
Und das tat er auch. Erstaunlicherweise schlief er sofort ein. Er schlief traumlose zehn Stunden.
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