"Nee, also wirklich. Molly ist echt der Hammer. Los, schließ auf, Daniel. Wir machen's uns drin gemütlich, bis der Dreckskerl antanzt."
Patrick und Brian warteten schließlich auf der kleinen Veranda, bis Daniel ihnen den Weg in die gute Stube ihrer Schwester freigemacht hatte. "Mensch, das funktioniert jetzt wie 'ne eins. Hätte Molly schon viel länger machen sollen. Das alte Ding hat man ja kaum aufgekriegt." Daniels Begeisterung über den Rausschmiss des ungeliebten Schwagers kanalisierte sich über seinen Enthusiasmus zu der Schließqualität des ausgetauschten Schlosses. War zwar grausig für die kleine Maus, dass sich die ganze Angelegenheit so entwickelt hatte, aber andererseits hatte er schon immer gesagt, dass dieser Steven nicht einen Schuss Pulver wert war. Es hatte bloß keiner auf ihn hören wollen.
Kaum lümmelten die drei mit je einer Flasche Bier in der Hand auf Mollys bequemen Sesseln, als sie auch schon hörten, wie ein Auto in die Auffahrt einbog. Ein kurzer Blick aus dem Fenster bestätigte: Der fremd naschende noch-Ehemann war zu seinem nicht-mehr-zu-Hause zurückgekehrt. Der Spaß konnte beginnen. Wie verabredet erhoben sie sich fast gleichzeitig und traten in vereinter Front vor das Haus, um ihren baldigen Ex-Schwager zum hoffentlich letzten Mal zu begrüßen.
Steven Jacoby hatte schon einen Verdacht gehegt, als er die abgedeckten Kisten in der Auffahrt stehen sah. Nun wurde dieser Verdacht zur Gewissheit. Molly hatte nicht lange gefackelt, sondern ihn sofort vor die Tür gesetzt. Und die versammelten Söhne der Flannagans würden nun für seinen Abzug sorgen. Na toll - und das alles für eine Viertelstunde Entspannung, die er sich hin und wieder gegönnt hatte.
Mit vorsorglich hoch erhobenen Händen stieg Steven aus seinem Wagen und ging sofort in die Defensive, um sich nicht noch zusätzlich Prügel von seinen drei großen und durchtrainierten Schwägern abzuholen.
"Ist schon gut … hab verstanden, ich pack nur ein und verschwinde. Was Molly auch will, sie wird es kriegen. Ihr braucht euch nicht zu bemühen, ich bin quasi schon weg." Eilig öffnete er seinen Kofferraum und brachte schließlich mit großer Mühe die sperrigen Kisten in seinem schicken Sportwagen unter. Drei außerordentlich enttäuschte und sich um tatkräftige Überzeugungsarbeit betrogen fühlende Flannagans sahen ihm dabei wortlos zu. Es war ihren Gesichtern anzusehen, dass sie nur auf ein winziges Zeichen von Widerstand seinerseits warteten, um sich so richtig auszutoben.
Aber Steven war nicht völlig blöde, diese Gelegenheit würde er ihnen nicht geben. Oh nein, seine Gesundheit war ihm viel zu kostbar, als dass er sich mit diesen drei wütenden Schränken angelegt hätte. Außerdem, versprechen konnte er jetzt, so viel er wollte. Sein Anwalt würde schon dafür sorgen, dass er glimpflich davonkam. Was ihn zu der Erkenntnis brachte, dass er noch gar keinen Anwalt hatte.
Patrick, Brian und Daniel waren zwar einerseits entsetzlich frustriert darüber, dass Steven ihnen keine Handhabe lieferte, die Schmach ihrer Schwester handgreiflich auszugleichen - was Brian mit einem leise gemurmelten "Schade …" sehr treffend kommentierte. Andererseits waren sie aber auch ganz froh, dass er friedlich verschwand. Denn wahrscheinlich hätten es ihre Vorgesetzten als nicht besonders prickelnd empfunden, wenn zwei Detectives des LAPD und ein FBI-Agent beim Verprügeln ihres Schwagers erwischt worden wären.
Da war es schon besser, die Zähne zusammenzubeißen und den Mistkerl ziehen zu lassen. Molly würde ihre Rache schon bekommen, wenn sie ihm bei der Scheidung die Hosen auszog, die er ja ohnehin so gerne fallen ließ. Und dafür würden sie sorgen, alle drei. Sie würden Molly so lange bearbeiten, bis sie garantiert nicht mehr weich wurde.
Der Mensch lernt auf eigene Kosten
(Arabische Weisheit)
Steven Jacoby litt unter seinem selbstverschuldeten Verlust, auch wenn er dies niemals im Leben zugegeben hätte. Das triste Hotelzimmer, in dem er sich fürs erste einquartiert hatte, tat ein Übriges, um ihn so richtig tief in eine Depression zu treiben. Steven fühlte sich allein und verlassen, sein einziger Freund war der 30 Jahre alte schottische Single Malt Whisky, den er der Einfachheit halber gleich aus der Flasche trank.
Sein Elend kannte zurzeit keine Grenzen, seine Libido war quasi nicht existent - was schon fast paradox war, wenn man bedachte, warum ihn Molly aus ihrer gemütlichen kleinen Wohnhöhle geschmissen hatte. Er hatte keinen Hunger, er wollte nicht ausgehen, er mochte keine seiner diversen Liebschaften sehen. Er wollte einfach nur zurück in das heimelige Nest, das er in den letzten Monaten mit Molly geteilt hatte.
Grüblerisch und angetrunken, wie er war, fiel ihm erstmals auf, dass er nicht ein einziges eigenes Möbelstück besaß. Das Haus seiner Eltern hatte er mitsamt Inhalt schon vor einigen Jahren zwecks Begleichung seiner damaligen Spielschulden verkaufen und in eine möblierte Wohnung umziehen müssen. So besaß er nun wirklich nichts, was sich noch in Mollys Haus befand und ihm einen Grund geliefert hätte, sie zu besuchen. Und sei es nur, um die Herausgabe eben dieses nicht vorhandenen Gegenstands zu fordern.
Nein, es gab keinen Anlass, zu dem kleinen alten Haus zurückzukehren. Molly hatte ihn auf ihre Weise wirkungsvoll aus ihrem Leben getilgt, vollständig und - wie er Molly einschätzte - auch endgültig. Sein Katzenjammer erreichte die nächste Stufe, fast hätte er selbst daran geglaubt, die Liebe seines Lebens verloren zu haben. Dabei hatte Liebe für ihn eigentlich überhaupt keine Rolle gespielt, auch wenn er das der in Liebesdingen ziemlich leichtgläubigen Molly immer wieder überzeugend weisgemacht hatte.
Sie war für ihn einfach eine bequeme und praktische Lösung gewesen. Er konnte sich auf ihre Ehrlichkeit hundertprozentig verlassen, vor allen Dingen im beruflichen Bereich. Sie hatte ihn gerade da niemals enttäuscht. Außerdem war sie auch noch die billigste Lösung gewesen. Denn seine Erklärung, dass die Firma schließlich ihnen beiden gehörte und damit auch die Erträge und Molly somit auf ein Gehalt verzichten konnte, all das hatte sie bedingungslos akzeptiert. Bis heute zumindest. Oh Mann, er saß wieder mal gewaltig in der Scheiße.
Sicher, Molly war keine Schönheit und ihre Persönlichkeit für ihn manches Mal schwer zu ertragen gewesen, aber man konnte auch prima mit ihr Lachen und sie fehlte ihm - mehr, als er jemals gedacht hätte. Ihre direkte Art, ihre Ehrlichkeit und ihre schonungslose Offenheit waren in der Rückschau betrachtet erfrischend und entspannend gewesen.
Wenn Molly sich über ihn aufgeregt hatte, dann machte sie ihm mit deutlichen Worten klar, warum. Wenn Molly ihn umarmte, steckte Gefühl dahinter. Wenn sie lachte, dann mit ganzem Herzen. Er hatte immer gewusst, woran er bei ihr war. Sie hatte niemals Freude geheuchelt, wenn sie eigentlich lieber geweint hätte. Und sie wäre niemals vor ihm zurückgewichen, wenn er ihre Nähe suchte, nur weil er sonst ihr Make-up verwischen könnte.
Gut, im Bett wurde ihm eher Hausmannskost geboten, aber andererseits - wer konnte schon permanent Hummer vertragen? Wenn sie nur ein klein wenig toleranter mit seinem auf Abwechslung ausgelegten sexuellen Appetit umgehen könnte, er würde es glatt noch mal mit ihr versuchen. Leider war ihr Gefühl für richtig und falsch außerordentlich altmodisch geprägt. Und er damit in den Hintern gekniffen. Sie würde ihm seine Eskapade, bei der sie ihn erwischt hatte, niemals verzeihen.
Beinahe schmunzelnd dachte er an seine Krawatten, die verknüllt und verknotet zwischen all seinen anderen Kleidungsstücken gesteckt hatten. Diese kleine Rache war so typisch für seine Molly. Nicht hinterhältig, sondern offen und direkt zeigten die festen Knoten an, was sie in diesem Moment empfunden hatte. Und wenn er ehrlich war, konnte er es ihr nicht einmal verübeln. Er hatte sich wie ein Idiot benommen. Zumindest wäre es angebracht gewesen, die kleine Nummer nicht im Büro zu schieben. Im Nachhinein war man eben immer schlauer.
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