Am Abend stellte Ethan sein Bett in seinem Haus auf, und ging schlafen. Morgen war auch noch ein Tag.
Abend im Hause Granger-Ford. Jacqueline hatte gerade den kleinen Julius schlafen gelegt. Sie setzte sich mit einem sorgenvollen Gesicht ins Wohnzimmer.
„Was ist los, Schatz?“fragte Julius, sanft wie immer.
„Ich hab‘ Angst, Julius,“bekannte seine Frau.„Dieser Schmuck …“
„Gefällt er Dir nicht?“
„Sogar sehr,“beeilte sich Jacqueline, zu sagen,„aber ich hab‘ Angst, daß Du Dich übernimmst.“Sie setzte sich aufrecht.„Bevor ich nach Clearwater kam, hatte ich eine Kollegin, die einen wohlhabenden Mann gefunden hatte. Er war ihr völlig verfallen. Nicht so reich wie Du, aber immernoch so reich, daß sie mit ein wenig Klugheit bis an ihr Lebensende versorgt gewesen wäre.“
„Aber sie war nicht klug,“stellte Julius fest.
„Sie schmiß das Geld zum Fenster hinaus,“bestätigte seine Frau,„und saß nach zwei Jahren mit zwei Kindern auf der Straße. Ihr Mann hatte sich erschossen, die Kinder kamen ins Waisenhaus, und sie, die nach ihrer Hochzeit nicht auf sich geachtet hatte, endete in einem der schmutzigsten Etablissements der Stadt, wo die Nummer nur einen halben Dollar kostet. Allein die Schuldzinsen machten zehn Männer am Tag zur Pflicht.“
Julius stand auf, nahm seine Frau in die Arme:„Und das soll Dir nicht passieren.“
„Ich möchte Dir einfach eine gute Ehefrau sein, auch außerhalb des Ehebettes.“
„Bist Du doch schon von Anfang an,“lächelte er und seufzte.„Du kannst gerne Einblick in die Bücher nehmen …“
„Davon verstehe ich doch nichts,“protestierte Jacqueline.
„… oder mir einfach glauben, daß ich Dir ein tägliches Limit von 500 $ setzen könnte, ohne die Familie oder mein Vermögen zu gefährden.“
Jacqueline machte große Augen.
„Und Du verbrauchst für unser Luxusleben gerade einmal zwanzig am Tag.“
Seine Frau entspannte sich.
„Du bist als Ehefrau die absolute Bombe,“bekräftigte Julius,„und das nicht nur im Bett.“
„Hähmm,“räusperte sich Sally, die Köchin.„Es ist angerichtet.“
Jacqueline wurde, wie immer bei solchen Gelegenheiten, puterrot. Julius führte sie lächelnd zum Tisch. Sally hatte schon aufgetragen und auch den Wein serviert. Julius sprach ein kurzes Gebet, und sie fingen an, zu essen.
„Warum bittest Du nicht Doug, Dir die Buchführung zu zeigen?“fragte Julius.
„Warum nicht Du?“
„Ich bin ein lausiger Lehrer,“grinste Julius.„Dafür ist mir unsere Ehe zu wertvoll.“
Seine Frau lachte.
„Wenigstens machst Du kein sorgenvolles Gesicht mehr,“lächelte er.
„Aber 1000 $ …!“Jacqueline holte tief Luft. Julius wußte nicht, wieviel Geld sie auf ihrem eigenen Konto hatte, schätzte es auf allerhöchstens ein paar tausend Dollar, die sie wohl eher auf Sicherheit angelegt hatte. Selbst nach einem Jahr Ehe hatte sie sich noch nicht daran gewöhnt oder gewöhnen wollen, daß sie jetzt reich war. Die Sachen für Julius hatte sie selbst gestrickt!
„Ich kann doch nicht zulassen, daß meine Frau gegen den Sheriff oder ihre Mutter abstinkt,“ereiferte sich Julius.„Was für ein Ehemann wäre ich denn?“
„Abstinken? Gegen Marge?“lächelte Jacqueline.
„Unterschätze sie nicht,“warnte Julius.„Marge ist nicht die Frau für Sack und Asche, genausowenig wie Arthur.“Er nickte nachdenklich.„Und mit diesem Schmuck …“
Jacqueline versuchte, sich die rothaarige Pastorenfrau in einem Ballkleid vorzustellen. Es gelang ihr nicht. Trotzdem mußte Julius einen Grund für seine Worte haben.
„Mit Augusta, Valerie und Tante Ethel mußt Du schon selbst fertig werden,“grinste Julius jetzt.„Aber das schaffst Du schon.“
„Tante Ethel?“Jacquelines Überraschung war ihr anzuhören.
„Sie muß in Ihrer Jugend eine große Schönheit gewesen sein, nach dem, was man so hört,“erklärte ihr Mann.„Leider gibt es davon keine Portraits, und die Photographie war noch nicht erfunden.“
„Und Du meinst, Schmuck für 1000 $ macht den Unterschied?“neckte ihn Jacqueline.
„Er wird zumindest nicht schaden,“antwortete Julius ungerührt, und Jacqueline mußte lachen. So langsam verstand sie seinen Humor.
Marge stand auf. Irgendjemand hatte den Wecker abgestellt. In der Küche wartete ein reich gedeckter Frühstückstisch auf sie, aber weder Arthur noch Mary-Rose waren zu sehen. Sie seufzte, und setzte sich. Zweiundvierzig Jahre wurde sie heute alt. Gestern hatte sie neidisch auf den schönen Schmuck geschaut, den Mary-Rose sich geleistet hatte. Sie dachte an ihr eigenes kleines Schmuckschächtelchen, wie Arthur es mit seinem mageren Gehalt Stück für Stück aufgefüllt hatte. Immer irgendwo ein paar Predigtdienste extra, damit es zu Weihnachten oder zum Geburtstag einen Besuch beim Pfandleiher geben konnte. Zum richtigen Juwelier hatte es nur für die Trauringe gereicht, gerade so eben. Währenddessen butterte Marge ihren Toast, nahm den heißen Kaffee vom Herd, goß sich aber nur eine halbe Tasse ein, füllte den Rest mit heißem Wasser auf. Den Kaffee ihrer Tochter konnte auch nur die trinken. Sie öffnete ihr Ei und bemerkte, daß hinter ihr die Tür zum Zimmer ihrer Tochter aufging. Wahrscheinlich hatte sie sich auch frühzeitig Aaron gegriffen, damit er seine Mutter nicht aufwecken konnte.
„Augen zu!“hörte sie die Stimme ihres Mannes und gehorchte. Sie spürte, wie ihr etwas um den Hals gelegt wurde.
„Jetzt darfst Du kucken,“erlaubte ihr Mary-Rose. Sie öffnete die Augen, sah anstelle ihres Tellers einen Spiegel und darin ihre Büste mit einem … Rubincollier? Sie sprang auf, fiel Arthur um den Hals.
„Arthur!“rief sie nur aus, löste sich irgendwann wieder von ihm und sah noch einmal in den Spiegel. In ihrem Gesicht stand ein großes Fragezeichen?
„Hab‘ die Kirchenbänke verkauft,“grinste Arthur. Marge lächelte.
„Laß den Quatsch!“lachte sie, wurde plötzlich wieder sorgenvoll.„Aber …?“
Arthur setzte seinen pastoralsten Beruhigungsblick auf:„Sei unbesorgt, meine Tochter.“Er grinste wieder.„Ich darf’s beim Sheriff abstottern, zumindest meinen Anteil.“
„Duhuu,“wandte sich Marge an ihre Tochter, die ihren Bruder als Ersatzbaby auf dem Arm hatte.„Wolltest mich gestern Abend wohl ein bißchen foppen, was?“
„Nur in Bezug auf den Blutdruck die notwendigen Voraussetzungen für weitere Geschwister schaffen,“dozierte der Sheriff, setzte ihren Bruder in seinen Stuhl und fiel ihrer Mutter um den Hals.„Danke für Deine Toleranz. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“Dann verabschiedete sie sich in die Schule.
Die Postkutsche aus dem Osten hielt, wie immer, vor der Post. Der elegante ältere Herr, der als Einziger ausstieg und sich seinen Koffer reichen ließ, hielt sich sehr gerade. Sein Spazierstock war mehr Zierde als Gehhilfe, und der Zylinder hätte auch eher in den Osten und für anderes Wetter gepaßt. Den Gesichtsausdruck konnte man nur als angespannt bezeichnen. Einen Kofferträger fand er aber schnell.
Mary-Rose hatte ihn nur am Rande bemerkt. Vielleicht irgendein Geschäftspartner von Onkel Julius. Die Richtung stimmte jedenfalls.
Jacqueline ging auf das Klopfen selbst zur Tür, öffnete und erblickte den älteren Herrn.
„Ist Mr. Granger-Ford zu Hause?“fragte der.
„Julius!“rief Jacqueline.„Treten Sie bitte ein.“
Der Träger stellte den Koffer im Hausflur ab, und der Herr trat ein. Sally nahm ihm Hut und Mantel ab, als Julius im Morgenmantel erschien und wie von Donner gerührt stehenblieb.
„Dad,“keuchte er nur überrascht, und der andere nickte lächelnd.
„Ganz richtig, mein Sohn,“sagte er.„Hättest Du wohl nicht gedacht, was?“
„Allerdings nicht,“bestätigte sein Sohn.„Diese Reise mit dreiundachtzig! Was treibt Dich hierher?“Er schlug sich vor den Kopf.„Darf ich Dir meine Frau Jacqueline vorstellen? Schatz, das ist mein Vater, Mr. Gerald Granger-Ford.“
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