Caroline Willand - Mädchen und Spinnen

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Achtung: Diese Geschichte spielt weder in einer Fantasiewelt, noch in der alltäglichen Welt! Diese Geschichte handelt von Tickes Suche nach ihrer Schwester Ari, die in einer Vollmondnacht auf dem Rücken einer Gemüseeule verschwand. Sie handelt von Freundschaft, Diebstahl, von «Trixerei» und «Erforschung» und davon, wie es ist, nirgends hinzugehören und sich vor so ziemlich allem zu fürchten, von dem seltsamen Band, das Ticke an das unheimlichste Tier fesselte, das sie jemals getroffen hatte, von den Schmetterlingsleuten, der grausamen Schilfstadt, dem Herz der im Sumpf verborgenen Anniken und von einem alten Haus mit einer Bibliothek, in der sich die Dinge zutrugen, die niemand, der dabei war, jemals wieder vergessen wird .

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Caroline Willand

Mädchen und Spinnen

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Inhaltsverzeichnis Titel Caroline Willand Mädchen und Spinnen Dieses ebook - фото 1

Inhaltsverzeichnis

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Gemüseeule

Der Baum

Erlenhain

Spinne!

Sedna

Platte

Das Band

Reisevorbereitungen

Die Sümpfe

Gefangen

Die Schilfstadt

Im Verlies

Der Schmied

In Ketten

Das Theater

In der Arena

Flucht

Die Ente

Die Seerose

Jagen

Schwestern, Tanten und Cousinen

Der Höchste der Bäume

Das Haus

Bei den Büchern

Die Bewohner

Das Terra-Rum

Drachen und Wunder

Auf dem Schreibtisch

Wiedersehen

Im Zwischenboden

Üx

Über die Anniken

Die Schießmaschine

Rettungspläne

Alles kommt anders

Ed Langbein

Alles kommt anders 2

Geschichten

Meister Tag

Auf Schmetterlingsjagd

Die Wiese

Son

Lösen

Was wirklich geschehen ist

Epilog

Impressum neobooks

Gemüseeule

Die Gemüseeule flatterte träge zwischen den Lupinen, deren Silhouetten schwarz und spitz in den Nachthimmel ragten. Über der Wiese lag die Ruhe einer Sommernacht, erfüllt von winzigen Geräuschen. Am Himmel hing der Augustvollmond. Eine kleine Wolke zog langsam an ihm vorbei.

Ari war schnell, wie immer. Sie hatte die Spitze der höchsten Lupine erreicht, bevor die Gemüseeule weitertrudeln konnte. Das geflochtene Seil diente ihr als Lasso. Einen Augenblick schätzte sie den Abstand und das gemächliche Tempo der Eule ein, wartete auf den richtigen Moment, und dann zappelte die Gemüseeule in ihrer Schlinge. Der dicke Falter war erstaunlich stark, aber das konnte Ari unter diesen Umständen nur recht sein. Sie befestigte mit ihrer freien Hand das verbliebene Seilende, indem sie es sich um die Taille schlang und mit einem doppelten Morrensteg verknotete. Morrenstege erforderten eine Menge Geschick – das sollte ihr erst einmal einer vom Baum nachmachen, noch dazu mit nur einer freien Hand! Sie summte zufrieden die ersten Takte des Reitliedes. Dann sprang sie. Von ihrem Gewicht wurde die Gemüseeule zwar ruckartig ein ganzes Stück nach unten gezogen, aber sie schwebte immer noch hoch genug über dem Boden.

Ari begann das Seil hinaufzuklettern. Man konnte sehen, dass sie jede Bewegung genoss.

Ticke stand unten und hatte den Kopf so weit in den Nacken gelegt, dass er schmerzte. Ihr Blick hing an den plumpen Umrissen der Gemüseeule und an Ari. Jetzt hatte Ari ihren Platz gefunden, sie klammerte sich am Rücken ihres Reittieres fest und stieß ein Triumphgeheul aus, das über die schlafende Wiese gellte. So spektakulär fand Ticke die Gemüseeule auch wieder nicht.

Bis zum Baum war es nicht besonders weit, aber die nächtliche Wiese war gefährlich.

Ticke seufzte, als sie sich zu Fuß auf den Nachhauseweg machte. Wer wusste schon, wohin es Ari heute Nacht verschlagen würde. Nur mit dem richtigen Duft konnte man versuchen, die Flugrichtung eines Reittiers zu beeinflussen. Ticke fröstelte.

Vor ihr türmte sich eine dunkle Wand auf. Es handelte sich um dieselbe Böschung, die sie vorhin mit Ari hinuntergestiegen war. Sie folgte dem kaum sichtbaren Pfad, der in spitzen Kehren den Erdwall hinaufführte. Oben stand der Baum, ihr Zuhause, hier würde sie in Sicherheit sein. Aber so weit war sie noch nicht. Ihre Schritte wurden langsamer, je näher sie dem Loch kam. Schließlich blieb sie stehen und wappnete sich. Sie war wohl schon hundert Mal hier vorbeigekommen und trotzdem war es immer noch schlimm. In dem Loch hatte vor langer Zeit einmal eine Maus gelebt – zwar keine Spitzmaus, nur eine gewöhnliche Feldmaus, die ihr Bruder Son mit Hilfe der Anderen in einer Treibjagd eines nachts erlegt hatte. Viele Wochen lang hatten sie im nächsten Winter vom Fleisch der Maus gegessen. Ticke erinnerte sich an die großen Schinken, die ihre Mutter zum Räuchern in den Kamin gehängt hatte. Das Fell diente Son als Winterdecke. Seither war das Loch verlassen, vielleicht ahnten die Mäuse, dass ihnen hier kein ruhiges Leben möglich sein würde. „Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis wieder eine einzieht!“ , sagte Ari immer und zupfte an der Sehne ihres Bogens. Ein selbst erjagtes Mäusefell war etwas, von dem Ari schon seit Langem träumte. Der Gedanke, drinnen, in der undurchdringlichen Schwärze des Loches, könnte etwas sein, etwas, das auf sie, Ticke, lauerte; sie aus schwarzen Knopfaugen beobachtete …

„Es wird nix passieren, das Loch ist verlassen“, redete Ticke sich mit Sons Worten gut zu. „Sei einfach schnell.“ Und Ticke war schnell. Wenn es sein musste, sogar schneller als Ari. Sogar schneller als Son. Aber nur, wenn sie Angst hatte. Vielleicht lag es auch daran, dass Ari nie Angst hatte. Und Son natürlich auch nicht.

Tickes Start war gut, aber dann kam das Loch. Gerade als sie genau davor war, hörte sie etwas und geriet ins Stolpern. Ein Stein lag auf ihrem Weg – normalerweise hätte sie ihn nicht übersehen, so aber stieß sie sich hart am Schienbein, taumelte und fiel hin.

In diesem Augenblick geschah es. Ticke sah nur einen dicken Schatten auf sich zu sausen. Doch noch ehe er sie erreicht hatte, kam von irgendwo weit oben etwas noch sehr viel Größeres und schleuderte den Schatten zur Seite. Ticke wollte schreien, aber ihre Stimmbänder weigerten sich, nur ein heiseres Keuchen kam heraus. Die schwarzen Umrisse eines Käuzchens verdeckten den Vollmond. Sie hörte ein hohes, wütendes Quieken, und dann verschwand der Schatten mit seiner Beute in die Richtung, aus der Ticke gekommen war.

Wenn Ticke später versuchte, sich daran zu erinnern, wie sie in dieser Nacht nach Hause auf den Baum zu gekommen war, gelang es ihr nicht, aber irgendwie musste sie es geschafft haben, sich die Böschung hinaufzuschleppen, sie musste ihre Plattform gefunden haben, ihr Haus, und sich ins Bett gelegt haben. Aber eine Dunkelheit, die sie an die Schwärze des Loches erinnerte, war alles, was sie in ihrem Gedächtnis fand, wenn sie an dieses Ereignis dachte.

Der Baum

Die Sonne schien auf Tickes Gesicht, es war heiß und sie konnte nicht mehr weiterschlafen. Sie blinzelte und sah Stäubchen im Licht durch den Raum tanzen. Eine Weile betrachtete sie die winzigen Punkte, doch dann fiel ihr nach und nach die Nacht wieder ein, abrupt setzte sie sich auf und sah sich in dem vertrauten Raum um. Sie war allein und saß in der Mitte auf dem breiten Bett, auf dem sie, Ari und Son sonst schliefen. Von der Decke hingen Bündel der verschiedensten Kräuter, Kamille, Spitzwegerich, Brennnesseln und Bilsenkraut, manches zum Kochen, anderes gegen Krankheiten. Ansonsten gab es nur wenig zu sehen, ein paar Körbe und Schüsseln, die alles enthielten, was die drei Geschwister besaßen. Sie kletterte aus dem Bett und trat durch die Tür hinaus ins gleißende Sonnenlicht.

Draußen auf der Plattform stand Son und unterhielt sich mit der Nachbarin Kala, die im Kessel rührte, aus dem es hörbar blubberte und brodelte. Schimpfend rieb sich Kala die Hand, etwas Heißes war herausgespritzt und hatte sie verbrannt. Suppe. Es gab nur diese eine Suppe, immer diese eine, was man am Tage daraus schöpfte, wurde am Abend wieder neu dazugefügt. Auf ihrer Plattform war es Kalas Arbeit, immer wieder neues Wasser aufzugießen, noch rohe, geschnittene Wurzeln, essbare Kräuter, Raupen und Schmetterlingseier hinzuzufügen und zu rühren. Seit Ticke denken konnte, machte das Kala, und vor ihr hatte eine andere Kala die Suppe gerührt und vor ihr wieder eine andere und doch war es immer dieselbe Suppe, braun und dick wie Moorschlamm, hin und wieder trieb etwas noch nicht völlig Verkochtes vom Vortag darin.

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