1 ...7 8 9 11 12 13 ...19 Später, in Paris vor einem Gemälde Delacroix', erinnert er sich, wie er einst, auf einem schönen Schloss im teuren Polen, vor dem Bild des Freundes stand und mit seiner holden Schwester von ihm sprach und ihre Augen heimlich verglich mit den Augen des Freundes. Sie sprachen auch von dem Maler des Bildes, der kurz vorher gestorben, und wie die Menschen dahinsterben, einer nach dem andern – ach! der liebe Freund selbst war jetzt tot, erschossen bei Praga, die holden Lichter der schönen Schwester sind ebenfalls erloschen, ihr Schloss ist abgebrannt, und es werde ihm einsam ängstlich zumute, wenn er bedenkt, dass nicht bloß unsere Lieben so schnell aus der Welt verschwinden, sondern sogar von dem Schauplatz, wo wir mit ihnen gelebt, keine Spur zurückbleibt, als hätte nichts davon existiert, als sei alles nur ein Traum .
Mit der Sprache hat es keine Schwierigkeit, die polnischen Juden reden ein mit Hebräisch versetztes, mit Polnisch fassoniertes Deutsch. Empört ist er von der Unterwürfigkeit des polnischen Bauern gegen den Edelmann. Dieser beugt sich mit dem Kopf fast bis zu den Füßen des gnädigen Herrn und spricht die Formel: „Ich küsse die Füße.“ Wer den Gehorsam personifiziert haben wolle, sehe einen polnischen Bauern vor seinem Edelmann stehen; es fehle nur noch der wedelnde Hundeschweif. Bei einem solchen Anblick denke er unwillkürlich: Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde! – und es ergreift ihn ein unendlicher Schmerz, wenn er einen Menschen vor einem andern so tief erniedrigt sieht. Nur vor dem König soll man sich beugen; bis auf dieses letztere Glaubensgesetz bekennt er sich ganz zum nordamerikanischen Katechismus. Er leugne es nicht, dass er die Bäume der Flur mehr liebe als Stammbäume, dass er das Menschenrecht mehr achte als das kanonische Recht, und dass er die Gebote der Vernunft höher schätze als die Abstraktionen kurzsichtiger Historiker; wenn wir ihn aber fragten: ob der polnische Bauer wirklich unglücklich ist und ob seine Lage besser wird, wenn jetzt aus den gedrückten Hörigen lauter freie Eigentümer gemacht würden? so müsste er lügen, sollte er diese Frage unbedingt bejahen.
Wenn man den Begriff von Glücklichsein in seiner Relativität auffasse und sich wohl merke, dass es kein Unglück sei, wenn man von Jugend auf gewöhnt ist, den ganzen Tag zu arbeiten und Lebensbequemlichkeiten zu entbehren, die man gar nicht kennt, so müsse man gestehen, dass der polnische Bauer im eigentlichen Sinn nicht unglücklich sei; um so mehr, da er gar nichts hat und folglich in der großen Sorglosigkeit, die ja von vielen als das höchste Glück geschildert wird, sein Leben dahinlebt. Es sei also keine Ironie, wenn er sage, dass im Fall man jetzt die polnischen Bauern plötzlich zu selbstständigen Eigentümern machte, sie sich gewiss bald in der unbehaglichsten Lage von der Welt befinden und manche gewiss dadurch in größeres Elend geraten würden. Bei seiner zur zweiten Natur gewordenen Sorglosigkeit würde der Bauer sein Eigentum schlecht verwalten, und träfe ihn ein Unglück, wär er ganz und gar verloren.
Jetzt aber knien Sie nieder, oder wenigstens ziehen Sie den Hut ab – ich spreche von Polens Weibern. Mein Geist schweift an den Ufern des Ganges und sucht die zartesten und lieblichsten Blumen, um sie damit zu vergleichen. Aber was sind gegen diese Holden alle Reize der Mallika, der Kuwalaya, der Oschadhi, der Nagakesarblüten, der heiligen Lotosblumen, und wie sie alle heißen mögen – Kamalata, Pedma, Kamala, Tamala, Sirischa usw.! Hätte er den Pinsel Rafaels, die Melodien Mozarts und die Sprache Calderóns, so gelänge es ihm vielleicht, uns ein Gefühl in die Brust zu zaubern, das wir empfänden, wenn eine wahre Polin, eine Weichsel-Aphrodite, vor unseren hochbegnadigten Augen leibhaftig erschiene. Aber was seien Raffaelsche Farbenkleckse gegen diese Altarbilder der Schönheit, die der lebendige Gott in seinen heitersten Stunden fröhlich hingezeichnet! Was seien Mozartsche Klimpereien gegen die Worte, die gefüllten Bonbons für die Seele, die aus den Rosenlippen dieser Süßen hervorquellen! Was seien alle Calderonischen Sterne der Erde und Blumen des Himmels gegen diese Holden, die er ebenfalls, auf gut Calderonisch, Engel der Erde benamse, weil er die Engel selbst Polinnen des Himmels nenne! Ja, wer in ihre Gazellenaugen blicke, glaube an den Himmel, und wenn er der eifrigste Anhänger des Barons Holbach wäre …
Sollte er über den Charakter der Polinnen sprechen, so bemerke er bloß: sie sind Weiber. Wer wollte sich anheischig machen, den Charakter dieser letzteren zu zeichnen! Da meine Frau Polin ist, darf ich das nicht überschlagen.
Ein sehr werter Weltweiser, der zehn Oktavbände Weibliche Charaktere geschrieben, habe endlich seine eigene Frau in militärischen Umarmungen gefunden. Er will hier nicht sagen, die Weiber hätten gar keinen Charakter. Beileibe nicht! Sie hätten vielmehr jeden Tag einen andern. Diesen immerwährenden Wechsel des Charakters will er ebenfalls durchaus nicht tadeln. Es sei sogar ein Vorzug. Ein Charakter entstehe durch ein System stereotyper Grundsätze. Sind letztere irrig, so werde das ganze Leben desjenigen Menschen, der sie systematisch in seinem Geist aufgestellt, nur ein großer, langer Irrtum sein. Wir loben das und nennen es „Charakter haben“, wenn ein Mensch nach festen Grundsätzen handelt, und bedenken nicht, dass in einem solchen Menschen die Willensfreiheit untergegangen, dass sein Geist nicht fortschreite und dass er selbst ein blinder Knecht seiner verjährten Gedanken sei. Wir nennen das auch Konsequenz, wenn jemand dabei bleibe, was er ein für allemal in sich aufgestellt und ausgesprochen hat, und wir seien oft tolerant genug, Narren zu bewundern und Bösewichter zu entschuldigen, wenn sich nur von ihnen sagen lässt: dass sie konsequent gehandelt.
Diese moralische Selbstunterjochung finde sich aber fast nur bei Männern; im Geist der Frauen bleibe immer lebendig und in lebendiger Bewegung das Element der Freiheit. Jeden Tag wechseln sie ihre Weltansichten, meistens ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie stehen des Morgens auf wie unbefangene Kinder, bauen des Mittags ein Gedankensystem, das, wie ein Kartenhaus, des Abends wieder zusammenfällt. Haben sie heute schlechte Grundsätze, so wette er darauf, haben sie morgen die allerbesten. Sie wechseln ihre Meinungen so oft wie ihre Kleider. Wenn in ihrem Geist just kein herrschender Gedanke steht, so zeigt sich das Allererfreulichste, das Interregnum des Gemüts. Und dieses ist bei den Frauen am reinsten und am stärksten und führt sie sicherer als die Verstandes-Abstraktionslaternen, die uns Männer so oft irreleiten.
Wir sollten aber nicht glauben, er wolle hier den Advocatus diaboli spielen und die Weiber noch obendrein preisen wegen jenes Charaktermangels, den unsere Gelbschnäbel und Grauschnäbel – die einen durch Amor, die anderen durch Hymen malträtiert – mit so vielen Stoßseufzern beklagen. Auch müssten wir bemerken, dass bei diesem allgemeinen Ausspruch über die Weiber hauptsächlich die Polinnen gemeint seien und die deutschen Frauen so halb und halb ausgenommen würden. Das ganze deutsche Volk habe, durch seinen angeborenen Tiefsinn, ganz besondere Anlage zu einem festen Charakter, und auch den Frauen habe sich ein Anflug davon mitgeteilt, der durch die Zeit sich immer mehr und mehr verdichtet, so dass man bei ältlichen deutschen Damen, sogar bei Frauen aus dem Mittelalter, d. h. bei Vierzigerinnen, eine ziemlich dicke, schuppige Charakterhornhaut vorfindet.
Unendlich verschieden seien die Polinnen von den deutschen Frauen. Das slawische Wesen überhaupt, und die polnische Sitte insbesondere, mag dieses hervorgebracht haben. In Hinsicht der Liebenswürdigkeit wolle er die Polin nicht über die Deutsche erheben: sie seien nicht zu vergleichen. Wer will eine Venus von Tizian über eine Maria von Correggio setzen? In einem sonnenhellen Blumentale würde ich mir eine Polin zur Begleiterin wählen; in einem mondbeleuchteten Lindengarten wählte ich eine Deutsche. Zu einer Reise durch Spanien, Frankreich und Italien wünschte ich eine Polin zur Begleiterin; zu einer Reise durch das Leben wünschte ich eine Deutsche . Leben Sie also mit einer Polin, die Sie geheiratet haben, in Deutschland, haben Sie beides.
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