Es geht aber auch nicht nur darum, unsere eigenen Werte zu kennen, sondern auch zu respektieren und zu akzeptieren, nach welchen Werten unsere Mitmenschen leben. Jeder Mensch hat individuelle Werte. Und natürlich auch jeder Kunde. Wenn wir uns neugierig darauf einlassen, dass unsere Partner, Freunde, Kollegen und auch Kunden nach ganz eigenen Werten leben, können wir ihnen ganz anders begegnen und echtes Verständnis für ihre Bedürfnisse entwickeln. Wir SEHEN die Menschen, die uns täglich privat und im Berufsleben begegnen, wirklich und wahrhaft. Und sind so in der Lage, sie viel besser zu verstehen.
„Werte kann man nicht lehren, sondern nur vorleben.“
– Viktor Frankl // Neurologe und Psychiater // Österreich
Unsere Werte sind für so vieles – bewusst oder unbewusst – verantwortlich. Beispielsweise für unser WARUM, dem wir uns in Abschnitt 3.6 ausführlich widmen werden. Jedem WARUM liegt ein Wert zugrunde. Und es geht darum, die Werte für das höchste Warum zu kennen. Und in Abschnitt 4.3 werde ich dir das SCORE-Modell vorstellen, mit dem du ganz konkret das WARUM und die Werte deiner Kunden herausfindest und verstehst. Du siehst also, ohne Werte geht so ziemlich gar nichts.
Wertemodelle
Es gibt viele tolle Tools, mit denen du deine Werte kennenlernen kannst. Was ist dir wichtig? Was treibt dich an? Wo gibt es in deinen Beziehungen zu anderen Menschen Konflikte, weil beide Seiten einfach nach völlig verschiedenen Wertehierarchien leben? Je mehr du dich selbst damit auseinandersetzt, desto mehr bekommst du auch ein Gespür dafür, was deine Mitmenschen und Kunden wirklich antreibt, was sie wollen, was sie erwarten und was sie brauchen. Du verstehst auf einmal, warum es vielleicht hier und da Konflikte gibt. Und kannst ganz anders darauf reagieren, statt wie so oft (und meist eben aus Unkenntnis der konträren Werte) in den Widerstand zu gehen. Und auf einmal wird so vieles klarer. Und viel leichter.
Ich möchte dir an dieser Stelle einen ganz kurzen Überblick über nur einige der vielen verschiedenen Wertemodelle geben, da es sonst den Rahmen des Buches sprengt.
• Ein Klassiker ist z. B. das von Steven Reissentwickelte Reiss-Profile, (https://www.amazon.de/dp/B00L83FBI4/ref=dp-kindle-redirect?_encoding=UTF8&btkr=1) mit dem du herausfinden kannst, welche Lebensmotive (= Werte) deinem Verhalten zugrunde liegen. Nach Reiss gibt es 16 Lebensmotive, die unsere Persönlichkeit formen: Macht, Unabhängigkeit, Neugier, Anerkennung, Ordnung, Sparsamkeit, Ehre, Individualismus, Beziehungen, Familie, Status, Rache, Eros, Essen, körperliche Aktivität und emotionale Ruhe.
• Der deutsche Philosoph Nicolai Hartmannsetzte sich schon 1925 mit Wertesystemen auseinander und fasste seine Erkenntnisse in seinem Modell vom „Reich der ethischen Werte“ zusammen. Seine Werteordnung teilte menschliche Verhaltensweisen in folgende Kategorien auf: Erkenntniswerte (Wahrheit), ästhetische Werte (alles Schöne), sittliche Werte (alles Gute), Vitalwerte (alles Lebendige), Lustwerte (alles Angenehme), Güterwerte (alles Nützliche).
• Warum ist Nicolai Hartmann für die Wertepsychologie so wichtig? Weil auf seinen Erkenntnissen beruhend das bekannte Modell des „Werte-Quadrats“von u. a. seinem Schüler Paul Helwig(1936) und Friedemann Schulz von Thun(1989), beide Psychologen, weiterentwickelt wurde. Das Werte-Quadrat ist heute Basis für viele Kommunikations- und Motivationsmodelle. „Mithilfe des Werte- und Entwicklungsquadrates könne es gelingen, für jede menschliche Qualität (z. B. Ehrlichkeit) die notwendige Gegenqualität („Schwestertugend“) zu finden (z. B. Takt und Sensibilität); erst beides zusammen lasse „den Regenbogen aufgehen“. Ehrlichkeit ohne Takt könne zur brutalen Offenheit verkommen, Takt ohne Ehrlichkeit zur höflichen Fassade. Habe man die Balance zweier Gegenwerte vor Augen, könne man auch die anstehende Entwicklungsrichtung entdecken: der eine neige zur Verabsolutierung der Ehrlichkeit und müsse entsprechend Takt und Sensibilität erobern; der andere übertreibe genau diese Qualität und solle lernen, ehrlichen Klartext zu sprechen.“
• Und wer hat's wirklich erfunden? Wie so oft die alten Griechen. Denn schon Aristoteleshat sich 350 v. Chr. mit den vielfältigen moralischen und ethischen Werten auseinandergesetzt, die den Menschen antreiben. In seiner „Nikomachischen Ethik“ lehrt er die „Mesotes-Lehre“, die besagt, dass es immer ein gesundes Maß zwischen allen extremen Ausprägungen geben muss, damit Menschen glücklich und erfüllt leben. Es geht also um die gesunde Mitte zwischen Übermaß und Mangel. Extreme Wertausprägungen sind also laut Aristoteles ziemlich doof. Und schon unsere Oma wusste doch: Die Dosis macht das Gift.
Deine Wertehierarchie
Was sind deine Werte? Nimm dir doch einfach mal einen Zettel und schreibe zehn Werte auf, die dir spontan einfallen, die dir in deinem Leben wichtig sind. Du kannst dabei an Werte aus deinem Privatleben denken, was dir beispielsweise in deinen Beziehungen wichtig ist, sowie an Werte aus deinem Berufsleben. Meistens wirst du jedoch feststellen, dass sich diese Werte, auch wenn du sie differenziert betrachtest, ziemlich ähneln. Wir sind ja auch im Job derselbe Mensch, warum sollten wir da großartig anders ticken als im Privatleben? Logisch, oder? Werte könnten z. B. sein: Freiheit, Vertrauen, Offenheit, Selbstverwirklichung, Harmonie, Schönheit, Spaß, Freude, Leichtigkeit, Gesundheit, Sicherheit, Abwechslung, Familie, Sexualität und, und, und. Wichtig ist, dass du diese Werte wirklich fühlst. Dass es keine Wischi-Waschi-Worte sind, die nichts in dir auslösen, sondern dass du wirklich sagen kannst, was dir dieser Wert bedeutet. Dass du ganz klar formulieren kannst, warum dir dieser Wert so wichtig ist. Deine Werte musst du also fühlen können, sie müssen für dich greifbar sein.
Wenn du diese zehn Werte untereinander aufgeschrieben hast, geht es jetzt darum, heraus zu finden, wie wichtig dir diese Werte sind. Denn du wirst Werte haben, die dir wichtiger sind als andere Werte. Und einen Wert, der über allen anderen Werten steht. Das ist dein Master-Wert, dein Königswert, dein Werte-Leitstern. Wir bilden also eine Top 10 deiner Werte, deine ganz persönlichen Werte-Charts. Du kannst die Hierarchie deiner Werte ganz spontan bilden. Manche wissen sofort, welcher Wert auf Platz eins steht und welcher auf dem fünften Platz. Je mehr du es aus dem Bauch heraus fühlst, desto besser. Um das ganze richtig systematisch anzugehen, kannst du auch alle Werte miteinander vergleichen, du spielst also eine Art „Trumpf“ mit deinen Werten.
Nehmen wir an, du hast
• Freiheit
• Vertrauen
• Offenheit
• Selbstverwirklichung
• Harmonie
aufgeschrieben (ich nehme jetzt hier als Beispiel nur fünf Werte), dann nimmst du Freiheit und vergleichst diesen Wert mit allen anderen Werten. Ist dir Freiheit wichtiger als Vertrauen? Ist dir Freiheit wichtiger als Offenheit? Und so weiter. Der Wert, der alle anderen Werte toppt, ist dein Nummer-Eins-Wert. Den schreibst du auf eine neue, nummerierte Liste und streichst Freiheit aus der unsortierten Liste. Und genauso gehst du mit den anderen Werten vor und findest so deinen Nummer-Zwei-Wert, deinen Nummer-Drei-Wert etc. Ganz wichtig: Alle Werte sind gleichwertig von der Qualität her! Es gibt keine schlechten oder guten oder doofen oder besseren Werte. Du erstellst deine Wertehierarchie also ganz ohne dich selbst dabei zu be-werten, okay?
Was machst du jetzt mit deiner so erstellten Werte-Top 10? Warum ist die so wichtig für dich? Wozu ist das gut?
Ganz ehrlich: Eigentlich ist die Reihenfolge deiner Werte total egal. Es hilft dir aber dabei, dich selbst besser zu verstehen, zu erkennen, warum du auf bestimmte Menschen und Situationen auf deine ganz bestimmte Art und Weise reagierst, warum beispielsweise Konflikte entstehen. Es hat am Ende immer mit Wertekonflikten zu tun.
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