Als Kind hatte ihn sein Vater, Herodes der Große, zum Zwecke seiner Erziehung nach Rom geschickt. Dort war er „geformt“ worden und von dort rührte auch seine Vorliebe für die griechische Kultur und für den griechisch–römischen Götterglauben. Auf diese Weise war er mehr noch wie sein Vater, der sich zumindest in gewisser Weise noch als Jude verstand, zu einem Fremdkörper im „eigenen Land“ geworden.
Im Laufe seiner Regentschaft verlagerte Antipas seinen Wirkungskreis deshalb mehr oder weniger freiwillig auf das Repräsentieren und das zur Schau stellen seines Reichtums. Es verging keine Woche, in der Antipas nicht zu irgendwelchen Gelagen einlud und ausschweifend feierte.
Natürlich erregte diese oberflächliche Lebensweise des Herodianers den Anstoß des Asketen Johannes, und dieser, wie ich es bereits sagte, nutzte jede Gelegenheit Antipas einen Dorn in seinen überfetteten und aufgeschwemmten Leib zu rammen.
Ich glaube Antipas bewunderte Johannes den Täufer.
Dieser hatte einen festen Standpunkt und Glauben, trat für seine Überzeugungen ein und er war beliebt bei den Menschen.
All diese Attribute gingen Antipas ab.
Er wurde gehasst, angefeindet und war auf das Wohlwollen einer fremden, vom Volk ebenfalls gehassten Macht, angewiesen.
Ich glaube Antipas besuchte Johannes auch deshalb so häufig um ihn um Rat zu fragen, weil er hoffte von der Sympathie zu profitieren, die Johannes entgegen schlug. Aber ein innerlich hässlicher Mensch wird nicht dadurch schön, dass er sich mit Schönem umgibt.
*
Ich weiß nicht ob ich zu den Lieblingsjüngern Johannes zählte. Doch unsere Gespräche waren immer lang und anregend. Johannes versuchte mich von seinem Weg der Verweigerung und der Askese zu überzeugen und ich versuchte ihm das Prinzip des buddhistischen Mitleids nahe zu bringen. Es ergab sich ein reger Gedankenaustausch und ich war sehr begeistert von Johannes Ausführungen.
Wir verfolgten beide sehr ähnliche Ziele.
Johannes propagierte ein nahes Gottesreich und scharrte viele Menschen um sich, die, gereinigt durch die Taufe, gemeinsam mit ihm in dieses neue Reich eingehen würden. Sein Anspruch war dabei eher elitär. Nur die, die sich zu ihm bekannten hatten nach seiner Auffassung die Möglichkeit dieses neue Reich zu betreten. Zwar war er dabei nicht so kleinlich dass er von jedem Anhänger die gleiche asketische Lebensweise erwartete, die er sich selber abverlangte, doch auf die Taufe als Reinigung und Übergangsritual durfte seiner Meinung nach nicht verzichtet werden.
Auch ich glaubte an das nahe Reich Gottes, doch in meinen Augen stand es für alle Menschen guten Willens offen. Es bedurfte nach meiner Überzeugung keiner reinigenden Taufe. Jeder Mensch konnte allein durch sein ‚Ja’ zu Gott die Erlösung erlangen, und, das Neue Reich würde hier auf Erden errichtet, nicht in der Ewigkeit.
Johannes pflichtete mir bei wenn ich darauf bestand dass Gott in jedem Menschen wohne, doch schränkte er ein, dass es einer Erweckung bedürfe, und die eben stelle sein Taufritual dar.
Außerdem müsse sich jeder Mensch guten Willens zu unserem jüdischen Gott bekennen, um in das nahe Reich eingehen zu können.
„Und was ist mit meinen buddhistischen Freunden?“ fragte ich. „Leben nicht auch sie gerecht und gottgefällig, so dass auch sie Zugang zu Gottes Reich haben sollten?“
Johannes antwortete ablehnend „ Wer in das nahe Gottesreich aufgenommen werden will, muss sich zu unserem Gott bekennen “.
Ich konnte diesen Gedanken nicht akzeptieren.
Alle Menschen mit rechter Gesinnung, die ein gottgefälliges Leben führen, unabhängig davon, welchen Gott sie anbeten, bzw. welcher Religionsgemeinschaft sie auch angehören, sollten die gleiche Chance haben und zu Gott aufgenommen werden.
Über diesen Aspekt seiner Lehren stritten wir oft.
Die Taufe war für mich, ich sagte es schon, ein beeindruckendes Erlebnis gewesen. Doch zweifelte ich an ihrer Notwendigkeit.
„Was ist mit den Menschen, die niemals die Chance haben werden dich zu sehen und zu erleben, Johannes?“ fragte ich ihn eines Tages.
„ Die werden das kommende Reich Gottes nicht betreten können“ antwortete Johannes.
„Aber ist das nicht ungerecht? Was können die Menschen dafür dass sie in der falschen Region dieses Landes leben.“
„ Du stammst auch nicht von hier. Israel ist klein. Jeder kann, wenn er will, etwas von mir hören.“ „Damit aber ahmst du Gott nach“ antwortete ich Johannes.
„ Gott spricht durch mich“ war seine Antwort.
„Aber hat er dir auch die Befugnis gegeben zu entscheiden, wer in sein Reich eingehen darf und wer nicht? Noah bekam von Gott den direkten Auftrag eine Arche zu bauen und außer seiner Familie, die Gott für gerecht befand, von jeder Tierart ein Paar mit auf seine Arche zu nehmen. Hat Gott dir ähnliche Anweisungen gegeben, dir vergleichbare Kriterien an die Hand gegeben nach denen du auswählst und hat er dir gesagt dass es deiner Taufe bedarf?“
Johannes blieb einen Moment stumm, was bei diesem wortgewaltigen Menschen schon verwunderte, doch dann antwortete er umso energischer, und es wirkte auf mich, als müsse er sich mit seiner Antwort selber beruhigen und bestätigen .
„ Gott hat mich gesandt. Ich bin sein willfähriger Diener und ich bin davon überzeugt, dass mein Weg der richtige ist um ein gottgefälliges Leben zu leben das es uns möglich macht Gottes nahes Reich zu betreten.“
Danach erhob er sich und signalisierte damit eindeutig, dass er über dieses Thema nicht weiter reden wollte.
Ich aber konnte diesen Gedanken, dass es nur einen Weg zum nahen Gottesreich geben soll nicht akzeptieren.
Die Jerusalemer Priesterschaft und die Schriftgelehrten hatten von sich behauptet den einen und einzigen Weg zu lehren.
Die Essener nahmen für sich in Anspruch, nur sie hätten den rechten Weg zu Gott eingeschlagen.
Jetzt sagte Johannes ebenfalls nur er gehe den rechten Weg zum kommenden Reich Gottes.
Doch bei Johannes war es nicht der einzig wahre Weg zu Gott, sondern der Weg in das nahe Gottesreich, den er für sich proklamierte.
In seiner konsequenten Haltung war Johannes sehr überzeugend und da er außerdem einen vorbildlichen Lebenswandel pflegte, war er bei den Menschen sehr beliebt. Auch verlangte er nicht eine solche bedingungslose und unreflektierte Nachfolge, wie es beispielsweise die Essener verlangten.
Was sollte ich tun.
Johannes faszinierte mich und ich hing an seinen Lippen, wenn er von Gott und seinem neuen Reich sprach. Leider aber fiel mir bei den Ausführungen Johannes immer wieder das Wort „aber“ in den Mund und in meine Gedanken.
Johannes war nie aus Israel herausgekommen. Für ihn gab es nur uns, die Juden, als das auserwählte Volk Gottes.
Sicher, wir mussten unseren Lebenswandel wieder an Gott anpassen und ein gottgefälligeres Leben führen. Aber seine Gottes Erlösung gab es nur für uns?
Was aber war mit den Menschen, die noch nie von unserem Gott gehört hatten, weil sie zufällig in einem anderen Teil der Erde lebten. Waren sie per se Ausgeschlossene? War Gott nicht universell? War es nicht so wie es mich Sedûn gelehrt hatte, dass jeder Mensch den gleichen Zugang zu seinem Gott finden kann, wenn er ein entsprechendes Leben führt?
Mein Problem war, das Johannes mir in diesen Überlegungen nicht widersprach.
Aber „J.H.W.H.“ war eben unser jüdischer Gott und deshalb nur für uns Juden da.
Wir waren das auserwählte Volk!
In Ägypten von seinem Diener Mosche gesammelt und in das gelobte Land geführt, hatten nur wir allein Anspruch auf „J.H.W.H.“, dessen Namen man aus Hochachtung nicht aussprach.
Was sollte ich tun, was denken.
Macht Gott, macht „J.H.W.H.“ Unterschiede?
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