gesonnen. “
Ich war wütend und gleichzeitig beeindruckt. Dieser Mensch hatte mich beinahe getötet und mir dann einen der ergreifendsten Momente meines Lebens beschert.
Nie hatte ich das Licht unserer wunderbaren Sonne, die uns jeden Tag Wärme und Helligkeit schenkt intensiver wahrgenommen und mit mehr Dankbarkeit empfunden als in diesem Moment.
Es war, als hätte Gott selber einen hellen Lichtstrahl zur Belobigung des Johannes und seines Auftrages vom Himmel gesandt.
Johannes musste etwas besonderes sein. Ihm wollte ich folgen, von ihm lernen und gemeinsam mit ihm dem nahen Reich Gottes entgegengehen.
An diesem Tag, unter dem Eindruck des aufreißenden Himmels ließen sich noch viele Menschen von Johannes taufen. Ich setzte mich abseits an das Ufer und beobachtete die Szene. Es war immer wieder ergreifend, wenn Johannes die Köpfe der Männer und Frauen aus dem Wasser hoch riss und ihnen ihr Leben zurückgab. Nie zuvor habe ich gleichzeitig eine solche Angst, Panik und Begeisterung, ja Verzückung, in den Augen der Menschen gesehen.
*
Johannes lebte sehr zurückgezogen und asketisch.
In seinem Dunstkreis lebten etliche Anhänger, seine Jünger. Sie folgten ihm blind und befolgten all seine Weisungen und das, obwohl Johannes diesen Gehorsam in keiner Weise erwartete oder forderte.
Es entspricht nicht meiner Natur mich demütig unterzuordnen und so war ich auch nicht bereit widerspruchslos alle Weisungen Johannes zu befolgen.
Johannes war sehr konsequent.
Das einzige Kleidungsstück was er besaß war ein Fell, das er sich mit einem Gürtel um den Leib gebunden hatte. Er ernährte sich von wildem Honig, Beeren und Heuschrecken. Ich wunderte mich jeden Tag, wenn er taufte, über seine körperliche Kraft und fragte mich wie ein Mensch bei so karger Nahrung eine solche Energie entwickeln konnte.
Seinen Jüngern gestattete er eine nicht so konsequente Lebensführung. Allerdings ermahnte er uns ihm so gut es uns möglich war nachzueifern.
Johannes war der erste Führer den ich erlebte, der nicht verlangte dass man sich ihm willenlos unterordnete. Er nahm uns, seine Jünger, unsere Fragen und Zweifel ernst und versuchte uns Antworten zu geben. Gleichzeitig war er auch offen für Anregungen, die von uns kamen, griff sie auf und verarbeitete sie in seine Gottesreichvorstellungen.
Johannes war wirklich sehr charismatisch. Jeden Tag wuchs seine Jüngerschar. Ganz zu schweigen von der Zahl seiner Sympathisanten.
Und dies war um so erstaunlich, wo Johannes doch auch nicht mit seiner Kritik an seinem eigenen Volk, also uns Juden, sparte.
Immer wieder betonte Johannes, dass das Gericht „J.H.W.H.“´s – in dieser Vorstellung eines endzeitlichen Gerichtes war seine geistige Herkunft aus dem Dunstkreis der Essener erkennbar – auch, wenn nicht sogar vor allem Israel selbst gelte, denn das Volk Israel hatte in den Augen des Täufers seinen exklusiven Anspruch auf das Reich Gottes verspielt.
Für Johannes zählte nicht die ererbte Zugehörigkeit zum Bundesvolk, sondern ausschließlich die radikale Umkehr zurück zu den Wurzeln unseres Glaubens.
Aus diesem Grund betonte er die Wichtigkeit der Buße und Umkehr, die sich durch den Akt der Taufe symbolisch vollzog.
Es störte mich, dass auch Johannes von einem jenseitigen Gottesreich sprach, welches jedoch nahe bevor stand. Doch, im Gegensatz zu den Essenern, suchte Johannes die Konfrontation, sowohl mit dem Volk, als auch mit der Obrigkeit, wobei er sich weniger gegen die Besatzer, also die Römer, wandte, als vielmehr gegen die Kollaboratöre und „Kriegsgewinnler“, also die Sadduzäer und die herrschende Kaste um die Herodianer und gegen eine heuchlerische Zurschaustellung des Glaubens.
Ja, Johannes war berühmt.
Er war bekannt dafür kein Blatt vor den Mund zu nehmen und hatte keine Angst sich mit der Obrigkeit anzulegen.
Das machte ihn für mich sehr anziehend, denn schließlich war ich immer noch auf der Suche nach dem wahren Gott und dem rechten Verständnis von Gottes Plänen. Vielleicht war Johannes der Täufer der Lehrer, den ich bisher vergeblich gesucht hatte. Vielleicht wusste er die Antworten auf meine Fragen und vielleicht konnte er mir auch den mir bisher immer noch abwegigen Gedanken von einem jenseitigen himmlischen Gottesreiches nahe bringen und verständlich machen. Bisher sah ich in diesem Gedanken immer noch einen Widerspruch zu den Aussagen der großen alten Propheten unseres Volkes, die von einer messianischen Zeit eines irdischen Gottesreiches ganz konkret hier auf Erden predigten.
*
Obwohl Herodes Antipas dafür, dass er die Frau seines Bruders Philippus geheiratet hatte, von Johannes auf das Schärfste angegriffen und kritisiert wurde, mochte er nicht auf die Gespräche mit Johannes verzichten. Er schätzte ihn als Berater und fürchtete sich gleichzeitig vor der Macht seiner Worte.
Ich glaube Antipas sah in Johannes, ebenso wie viele andere, die Reinkarnation Elijas, und jeder in Israel wusste um die legendäre Macht dieses großen alten Propheten. Elija ist ein „Schwergewicht“ unter den Propheten der vergangenen Tage.
Gerne war ich zugegen wenn Antipas Johannes besuchte und ihn um Rat fragte.
Es entsprach einer Verkehrung der Verhältnisse dass Herodes Antipas als Herrscher über Galiläa und als verlängerter Arm Roms sich an Johannes den Asketen und Besitzlosen wandte. Und Johannes sprach aus, was er dachte und nahm kein Blatt vor den Mund.
Selten habe ich einen Menschen erlebt, der so furchtlos und respektlos der herrschenden Macht entgegentrat.
Aber ganz offensichtlich war Antipas Johannes Rat wichtig.
Es war beängstigend wie offen und direkt Johannes mit Antipas umging.
In ihren Begegnungen verkehrten sich die Verhältnisse.
Der Asket wurde zum Führer, der „Führer“ zum Untertan.
Bei manchem Wort, das Johannes an Antipas richtete fürchtete ich Antipas würde aufspringen und Johannes verhaften lassen. Aber man spürte deutlich die Angst, die Antipas vor Johannes hatte.
Johannes war beim Volk beliebt, er, Antipas, wurde gehasst. Im Grunde war er schwach. Ein Großmaul, das durch die Gunst seiner Herkunft ein öffentliches und hohes Amt bekleidete. Er muss wohl bereits als Kind devot gewesen sein. Vielleicht hat er deshalb die manchmal tödlichen Übergriffe seines Vaters, Herodes des Großen, gegenüber seinen Söhnen so unbeschadet überlebt. Er war eine graue unscheinbare Maus, die sich im Glanze der ihm verliehenen Macht nun präsentierte, flanierte und sonnte, aber im Herzen das ängstliche eingeschüchterte Kind geblieben war.
Immer wieder griff Johannes Antipas wegen seiner Heirat mit Herodias, der Frau seines Bruders Philippus, dem „Herodes ohne Land“, an.
Johannes missbilligte diese Beziehung: „ Du hattest nicht das Recht sie zur Frau zu nehmen “, intonierte Johannes immer wieder. Antipas wirkte in solchen Momenten wie ein geprügelter Hund.
Ich spürte dass nicht er es gewesen war, der auf diese Beziehung gedrängt hatte.
Er war seiner Frau in keiner Weise gewachsen und vielleicht hatte er der Heirat auch nur zugestimmt um Salome, der Tochter Herodias nahe zu sein. Man erzählte von ihrer einzigartigen Schönheit und von den verklärten, verliebten Blicken die Antipas ihr, wenn er sie sah, zuwarf.
Für alle am Hof war es wohl offensichtlich, dass Antipas sehr starke Gefühle für Salome hegte.
Diese Neigung wiederum wusste sich Herodias geschickt zu Nutze zu machen.
So wurde Salome zu einem Werkzeug Herodias´ Einfluss auf Antipas. Er wurde dadurch zu einer Marionette seiner Frau.
Armer Antipas, man könnte Mitleid mit ihm haben, wenn er nicht auch in sich selbst diese verschlagene Grausamkeit der Herodianer tragen würde.
Antipas war ein Niemand, ein aufgeblasener Gockel, der seine Macht von seinem Vater geerbt hatte, gleichzeitig sich aber nur als Günstling Roms an der Macht halten konnte, der immer das tun sollte und musste, was andere von ihm erwarteten und verlangten. Auch das Volk hasste Antipas wegen seiner Buhlerei mit dem römischen Kaiser und wegen seiner Grausamkeit seinem eigenen Volk gegenüber.
Читать дальше