„Und was hast du ihm darauf geantwortet?“, wollte ich wissen.
„Ich habe ihm erklärt, er hätte keine Ahnung von Hausarbeit, die nie auszugehen scheint. Am Ende dreht man sich nur noch im Kreis und weiß nicht, was man zuerst machen soll.“
Ob sie überhaupt wahrnimmt, was ich ihr davon bereits alles abnehme, fragte ich mich.
Nein, darauf kam sie nicht. Sie schimpfte weiter: „Ich kann ja schon an nichts anderes mehr denken. Dabei gibt es noch so viel für das Haus zu erledigen. Doch das wird nicht so bleiben! Das habe ich ihm versichert.“ Trotzig funkelten ihre Augen.
„Denkst du etwa bereits daran, wieder ein Geschäft zu eröffnen?“
„Hast du etwas anderes erwartet?“
„Eigentlich nicht. Doch ihr seid noch nicht einmal in euer Haus gezogen. Und Traudel meint, Robert würde hoffen, dass du dir damit noch Zeit lässt.“
„Das glaube ich!“, lachte Susanne bitter auf. „Hatte er mir doch erklärt, ich solle es genießen, einmal nicht einem Geschäft hinterherjagen zu müssen. Dann riet er mir, mit einer Neueröffnung wenigstens zu warten, bis Petra größer ist. Wie stellt er sich das vor? Soll ich bis dahin hinterm Herd versauern? Das könnte ihnen so passen, dass ich als „Nurhausfrau“ jederzeit für sie und ihre Wünsche erreichbar wäre. Ich müsste ja blöd sein!“ ereiferte sie sich. „Außerdem braucht er auch nicht zu hoffen, dass auf diese Weise mein Geld aus dem Verkauf der Geschäfte völlig in den Erwerb des Hauses fließt. Ich werde auch hier wieder ein Geschäft haben! Verlass dich drauf!“
„Aber hier wird das nicht einfach sein“, gab ich zu bedenken.
„Das war es zuerst in Berlin auch nicht. Ich habe mich in Harzerode bereits umgesehen. Die Fußgängerzone dort ist nicht gerade umwerfend. Auch über ein anderes Sortiment werde ich nachdenken müssen. Das jedoch wird die Erfahrung dann bringen. Wäre doch gelacht, wenn ich mich nicht auf das einstellen könnte, was hier besonders gut absetzbar ist. Egal wie, so, wie jetzt, bleibt es nicht! ich weiß ja nicht mehr, was ich zuerst machen soll. Wenn wir erst in dem Haus wohnen, werde ich mich nach einer Hilfe umsehen. Diese Ackerei mit Putzen, Kochen, Einkaufen und sonst was ist auf Dauer nichts für mich. Und Robert und die Kinder meinen dabei noch, ich hätte nun viel Zeit und könnte darum jederzeit für sie zur Verfügung stehen. Das siehst du doch täglich!“
Nachdenklich blickte ich zu ihr. Hatte sie nicht vor noch gar nicht langer Zeit behauptet, Frauen, die zu Hause blieben und den Mann allein das Geld verdienen ließen, seien nur zu faul? Und nun fühlte sie sich bereits überfordert? Dabei brauchte sie sich noch nicht einmal um den groben Putz des Hauses zu kümmern, das besorgte mir meine langjährige Putzfrau, die Müllern.
Die Müllern war ein armer Teufel, geschieden und allein erziehende Mutter von drei Kindern. Der Vater hatte sich aus dem Staub gemacht. Außer gelegentlicher, keinesfalls regelmäßiger Unterhaltszahlungen, hörte sie kaum noch etwas von ihm. Er kümmerte sich auch nicht um die Kinder. Er hatte selbst eine neue Familie gegründet. Was interessiert mich, was gestern war, schien er zu denken. Ich erzählte Susanne davon.
„Wie gut, dass man heute leichter auseinandergehen kann, wenn es nicht mehr miteinander geht. Eine Ehe, an der nur noch krampfhaft festgehalten wird, davon hat niemand etwas“, sagte sie. Dann aber fügte sie nachdenklich hinzu: „Doch meistens fehlt der Mut zu diesem Schritt.“
Ich erschrak. Waren ihre Gedanken bereits so weit gegangen, ehe sie sich zur Aufgabe der Geschäfte entschloss? „ Und die Kinder? Sie sind die Leidtragenden dabei“, gab ich zu bedenken.
„Was haben die noch von Eltern, die sich mehr zanken als vertragen? Glaubst du, sie wären in einer gereizten Umgebung besser aufgehoben als allein bei ihrer Mutter?“
„Sicher nicht. Doch bedeutet es auch, dass sie ärmer leben müssen als vorher. Das, was der Mann für sie zahlen muss, ist wenig, auch wenn er es als viel empfinden mag. Eine Mark, die man teilt, ist eben immer nur die Hälfte wert. Meistens muss die Mutter ihnen mehr Wünsche versagen als vorher. Das macht unzufrieden. Wie oft hat mir meine Putzfrau erzählt, dass ihre Große nicht versteht, warum sie nicht auch das erhalten kann, was die andern in der Schule von zu Hause bekommen.“
„Das verstehe ich nicht. Sie kann doch bestimmt mehr, als nur putzen zu gehen. Wie kann sie sich damit zufrieden geben?“, erklärte Susanne kopfschüttelnd. Nein, dafür hatte sie kein Verständnis. Wie konnte diese Frau sich nicht darum bemühen, einen richtigen Job zu finden. „Wahrscheinlich macht sie das nur aus Rache, damit er zahlen muss und dem Mann nichts erlassen wird.“
„Siehst du das nicht zu einfach? Sie kann ganztags nicht arbeiten gehen, weil sie ihre beiden noch kleinen Kinder nicht weggeben will. Und das macht sie nicht aus Rache, sondern um der Kinder willen. Sie möchte Zeit für die Kleinen haben, bis sie alt genug sind und von ihrer Hand losgelassen werden können“, hielt ich ihr entgegen.
Erstaunt richtete sich Susanne auf und blickte mich an, als wäre ich weltenfremd. „So ein Quatsch! Kinder müssen unter Kinder, die gehören in einen Kindergarten.“
„Der aber kostet Geld. Wie viel würde ihr bei ihrem sicher nicht allzu hohen Verdienst dann noch übrig bleiben?“
„Kati, erzähl mir nichts. Ich habe auch drei Kinder. Wir hatten auch nicht immer viel Geld und haben das Problem gelöst, obgleich ich den ganzen Tag im Laden beschäftigt war.“
„Dennoch wird euer gemeinsamer Verdienst höher gewesen sein, als ihn Frau Müller allein je erreichen könnte.“ Am liebsten aber hätte ich sie daran erinnert, wie wenig Zeit sie für ihre Kinder gehabt hatten und dass sie ihnen mitunter sogar im Wege gewesen waren bei ihren beruflichen Verpflichtungen. Doch ich sagte es nicht, dachte nur: Haben sie in Berlin nicht immer noch neben Kindergarten und Pflegestelle die Hilfe von Margot gebraucht, wenn sie wieder nicht wussten, wohin mit den Kindern, weil es für sie Wichtigeres zu tun gab? Wie oft hatte Robert Spätdienst und Susanne musste zu einem wichtigen Geschäftstreffen oder am Abend länger im Geschäft bleiben. Jede Beschäftigung bringt nun einmal Verpflichtungen mit sich. Und die Verpflichtungen den Kindern gegenüber? Manchmal habe ich das Gefühl, als sei dies heutzutage zweitrangig.
Als ich diesen, meinen letzten Gedanken aussprach, richtete sich Susanne empört auf. „Nur weil ich mir erlaube, auch eigene Interessen zu haben, sind mir meine Kinder doch nicht weniger wichtig. Die Sklavin der Familie aber bin ich nicht!“, widersprach sie mir.
„So habe ich das nicht gemeint. Niemand sollte das sein“, schwächte ich ab.
Sklavin der Familie, wie kommt sie darauf? Welch ein Ausspruch! Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Mama sich früher jemals so gefühlt hatte. Auch Margot schien das nie so zu empfinden. Warum gerade Susanne?
Ich finde es wirklich nicht falsch, dass eine Frau nach Unabhängigkeit strebt und Geld verdienen möchte, doch ihre Möglichkeiten dabei sind noch viel zu sehr begrenzt. Was bedeutet das für die Jahre, in denen sie eigentlich Zeit für ihre Kinder haben sollte? Reichen da drei Jahre Erziehungsurlaub nach der Geburt, wovon auch nur ein bestimmter Kreis der Frauen Gebrauch machen kann? Und viele haben hinterher Schwierigkeiten, wieder einen vergleichbaren Arbeitsplatz einnehmen zu können? Manchmal kommen mir die Frauen blind vor, wenn sie sich in die Arbeitswelt der Männer drängen, die noch nie mit ihrem Beruf Rücksicht auf Kinder nehmen mussten. Und mit jedem Bisschen, was ihnen gewährt wird, glauben die Frauen, dass sie Großartiges erreicht haben. Dabei ist ihnen diese Gesellschaft noch immer die annehmbare Lösung schuldig, Kinder und Beruf im Leben einer Frau miteinander vereinbaren zu können. Bis jetzt ist dafür der Anfang gemacht worden, mehr nicht.
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