sagen, die dir im Leben von Nutzen sein werden.
Wähle!«
»Sage mir die drei Worte!« entgegnete der Mann.
Dann nahm er die Kiste, setzte sie sich auf seinen
Kopf1 und trug sie eine Strecke Weges. Als er sich
ausruhen wollte, sprach er:
»Herr, ein Drittel des Weges habe ich hinter mir;
gib mir eins der drei Worte zu wissen.«
Da sprach der Geizhals:
»Glaube dem nicht, der dir sagt, Sklaverei sei besser
als Freiheit.«
Der Träger nahm seinen Weg wieder auf. In seinem
Innern aber dachte er:
»Dieser Mensch ist schlimmer als ein Geizhals;
denn er ist ein arger Betrüger.«
Nach abermals einer Weile setzte er die Kiste nieder
und sprach:
»Ich will ausruhen! Sage mir das zweite Wort.«
Der Geizhals sprach:
»Sollte sich jemand finden, der dir sagt, Armut
bringe Glück, und Reichtum Unglück, so glaube es
nicht.«
Wieder hob der Mann seine Last auf den Kopf und
trug sie bis vor das Haus des Geizhalses.
»Welches ist das dritte Wort?« fragte er diesen.
»Erst setze die Kiste nieder!«
»Nein, erst sage das Wort!«
»Glaube niemandem, der es versucht, dir einzureden,
Hunger tue nicht weh,« lauteten die Worte des
Geizhalses.
»Gehe zur Seite, Herr,« rief der Träger der Kiste,
»damit ich meine Last niedersetze!« Dabei ließ er sie
mit großem Krach zur Erde fallen.
»Was hast du getan?« jammerte der Geizhals.
»Du hast mein Glas zerbrochen!«
Da sprach der Mann:
»Wenn jemand kommt, der dir sagt, es sei etwas
anderes als Scherben in der Kiste, so glaube ihm
nicht.«
Fußnoten
1 Die Sitte, Lasten auf dem Kopfe zu tragen, ist wohl
eine so ziemlich bei allen Negerstämmen übliche. Es
ist erstaunlich, welch ein Gewicht ein Schwarzer auf
diese Weise ohne Ermüdung weite Strecken tragen
kann. In Süd- und Ostafrika benutzen die Leute einen
aus Gräfern geflochtenen Teller, den sie zwischen
Schädel und Last schieben, und der vor zu großem
Drucke schützt.
Der Wind.
Eine Buschmannsage.
In früheren Zeiten war der Wind ein Mensch, und als
solcher ging er umher und schoß die Tiere des Feldes.
Da wurde er plötzlich in einen Vogel verwandelt. Da
er nun nicht mehr auf die Jagd gehen konnte, breitete
er seine Flügel aus und flog in die Berge und verbarg
sich in einer Kluft. Diese Kluft wurde seine Heimat.
Nur wenn er die Kraft seiner Schwingen üben will,
dann verläßt er die Berge und fliegt weit über die
Erde; aber die Menschen sehen es nicht, daß er ein
Vogel ist. Wenn er fliegt, dann läßt er seine Blicke
weithin schweifen und sucht sich Nahrung. Sobald er
seinen Hunger gestillt hat, kehrt er zurück in seine
Kluft, und dort schläft er, bis er gestärkt wieder erwacht
und von neuem seinen Flug über die Erde beginnt.
Die verlorenen Kinder Gottes.
Eine Madagaskarsage.
Der Erschaffer der Welt, der Geist, von dem alles
Leben ausgeht, Gott, hatte zwei Söhne. Diese stiegen
hernieder auf die Erde und nahmen zwei Pflegerinnen
mit sich; denen vertraute Gott sie an. Diese beiden
Weiber hießen Rakoriaho und Ravao. Die Söhne Gottes
aber waren eines Tages verschwunden, und Rakoriaho
und Ravao gingen aus, um sie zu suchen; aber
auch diese beiden kamen nicht wieder. Da machten
sich alle Wesen und Dinge auf der Erde auf die Wanderschaft,
um die verlorenen wiederzufinden. Die
Steine, die Bäume, die Menschen, das Wasser – alles,
was lebte und nicht lebte, suchte. Aber es half nichts;
die Vermißten kamen nicht zurück. Endlich fragten
die Menschen bei Gott an, ob er nicht sagen könne,
wo man zu suchen habe. Als Gott die Bitte der Menschen
hörte, sprach er:
»Jeder Mensch, jeder Stein, jedes Tier, jeder Baum
und das Wasser soll aufhören zu suchen und bleiben,
wo es gerade ist.«
Es waren aber manche Steine auf ihrer Wanderung
tief in das Erdinnere eingedrungen. Als nun das Wort
Gottes, welches ihnen befahl, nicht weiter zu suchen,
sie traf, blieben sie an Ort und Stelle liegen und liegen
noch dort. Auch Tiere befanden sich tief in der
Erde und mußten von nun an dort wohnen bleiben, so
der Maulwurf, die Schlange und alles Gewürm.
Auch die Bäume hatten sich teilweise in den Erdboden
verborgen; deshalb sind bis auf den heutigen
Tag ihre wurzeln darin versteckt. Andere, welche bereits
tiefer gewandert waren, blieben dort liegen. Man
findet ihrer an manchen Stellen große Mengen tief
unter der Erdoberfläche. Die Menschen waren suchend
weit über die Erde gezogen und hatten sich
nach allen Richtungen hin zerstreut. Daher kommt es,
daß es überall, in allen Ländern Menschen gibt.
Das Wasser wurde angeklagt, daß es schuld daran
trage, daß die Söhne Gottes und ihre Wärterinnen verloren
waren. Deshalb sprach Gott zu dem Wasser:
»Weder bei Tag noch bei Nacht sollst du Ruhe finden,
bis Rakoriaho und Bavao gefunden sind.«
Seitdem rauschen die Wasser unaufhörlich auf und
nieder, ohne jemals zur Ruhe kommen zu können, und
immer noch suchen sie nach den Kindern Gottes und
ihren Wärterinnen.
Viel Suchen wirbelt Staub auf.1
Eine Betschuangeschichte.
Ein Mann ging in den Wald, um Holz zu fällen. Er
suchte nach Bäumen, die gutes, gesundes Holz hatten,
aber er konnte keine finden. Schließlich erstieg er
einen hohen Felsen, und von ihm aus sah er, was er
suchte. Da nahm er einen großen Stein und rollte ihn
hinab auf den Baum zu. Der Stein rollte in die Tiefe
und schreckte einen Bock auf, welcher im Busche lag
und schlief. Der Bock lief tiefer hinein in den Busch
und traf auf einen Büffel. Der sprang auf; denn er
fürchtete sich vor dem Bock. Ein Mann aber jagte in
demselben Busch. Als der Büffel ihn sah, tötete er
ihn. Kaum war der Mann tot, so versammelten sich
Aasvögel an der Stelle. Da die Menschen von weither
die Vögel in der Luft schweben sahen, liefen sie eilends
hinzu, um zu sehen, was geschehen sei. Da fanden
sie den toten Mann, konnten aber nicht sehen,
was seinen Tod veranlaßt hatte. Sie standen um den
Leichnam herum und fragten einander:
»Woran starb dieser Mensch?«
Plötzlich gewahrten sie den Abdruck des Fußes des
Büffels.
»Ein Büffel hat ihn getötet«, riefen sie.
»Woher kam der Büffel?« fragten sie dann.
Und sie fanden, daß er aus dem Busch gekommen
sein müsse.
»Warum kam er aus dem Busch?« fragten sie wieder.
Da gewahrten sie die Fährte des Bockes.
»Woher kam der Bock, als er den Büffel erschreckte?
« fragten sie.
»Er kam aus diesem Busch!«
»Was aber hat den Bock aufgejagt?«
Sie sahen den großen Stein und fragten weiter:
»Woher kam der Stein, als er den Bock erschreckte?
«
»Von jenem Felsen!« lautete die Antwort.
»Und was hat den Stein ins Rollen gebracht?«
»Ein Mensch! Denn er suchte nach einem Baume
zum Fällen und rollte den schweren Stein gegen jenen
Baum, daß er ihn umwürfe.«
Sie sprachen weiter:
»Warum mußte er gerade diesen Baum fällen? Es
waren eine Menge anderer Bäume da. Warum mußte
er Dinge, die in Ruhe und Frieden waren, stören?«
Seitdem gibt es in Betschuanaland ein Sprichwort,
welches heißt:
»Viel Suchen wirbelt viel Staub auf.«
Fußnoten
1 In der Betschuanasage »Viel Suchen wirbelt viel
Staub auf« ist eine unverkennbare Gleichheit des Aufbaues
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