konnte, davon. Sofort machten sich alle Tiere an seine
Verfolgung; ihnen voran lief der Löwe.
Es währte nicht lange, so hätte er den Schakal eingeholt;
doch dieser brach zwischen einem Felsen und
einem über diesem hängenden mächtigen Steinblock
durch und rief dem Löwen zu, er möchte doch kommen
und ihm helfen, den Block im Fallen aufzuhalten,
da dieser sie beide sonst im Sturz zermalmen würde.
Der Löwe stemmte sich mit seiner ganzen Kraft gegen
den großen Stein und klemmte sich dadurch fest in die
enge Spalte ein.
»Jetzt laß mich gehen und eine Stütze für den Felsen
holen,« sagte der Schakal zum Löwen, »damit du
wieder hier herauskommen kannst. Ich helfe dir
dann.« Mit diesen Worten kroch der Schakal hervor
und ließ den Löwen stecken, der nun verhungern
mußte.
Fußnoten
1 In Hottentotten- und Kafferngeschichten vertritt der
Schakal vielfach unseren Reineke, ebenso wie in Suahelisagen
der Hase oder das Kaninchen diese Rolle
übernehmen.
Treue Liebe.
Ein Märchen vom See Nyassa, erzählt von einem
Mädchen des Mkiputa-Stammes.
Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die sich
sehr lieb hatten.
»Wenn ich einmal sterben werde,« sagte der Mann
zur Frau, »so werde ich doch wieder zu dir zurück
kommen; denn ich liebe dich sehr!« Dasselbe sagte
die Frau zu dem Manne.
Nach einigen Jahren wurde der Mann krank und
starb. Da kamen viele Leute zu der Frau, um mit ihr
zu klagen und zu weinen. Die Frau aber fühlte sich
getröstet, wenn sie an die Worte ihres Mannes und an
sein Versprechen dachte; deshalb weinte sie auch
nicht. Als nun der Tote begraben war, blieb sie allein
an dem Grabe sitzen und ließ sich nicht überreden
heimzukehren. Bald sah sie, wie das Grab sich öffnete
und der Verstorbene herauskam. Die Frau war glücklich,
ihren Mann wieder zu haben, und kehrte mit ihm
heim zu ihrer Hütte.
Die Mutter der Frau aber saß daheim, weinte und
trauerte, bis der Abend kam; da hörte sie ein fröhliches
Lachen und erkannte die Stimme ihrer Tochter.
»Wie kannst du lachen?« rief sie ihr zu, »da doch
dein Mann gestorben ist?«
»Er ist nicht tot, er lebt!« entgegnete die junge Frau
und hieß ihre Mutter in die Hütte treten. Da sah diese,
daß ihre Tochter die Wahrheit geredet hatte.
Nicht lange darauf erkrankte die F r a u und starb.
Alle ihre Nachbarn und Freunde weinten laut, nur ihr
Mann blieb ruhig; denn er gedachte des Versprechens,
welches seine Frau ihm gegeben hatte.
Am folgenden Tage wurde sie begraben, und ihr
Mann blieb hernach allein an ihrem Grabe sitzen und
sang. Nach einem Weilchen sah er, wie das Grab sich
öffnete und die Verstorbene heraustrat. Da umarmte
er sie und ging mit ihr heim.
Am Abend kam die Mutter der Frau und fand diese
mit ihrem Manne fröhlich lachend vor der Tür ihrer
Hütte sitzen. Da freute sie sich sehr, ging hin und erzählte
allen Nachbarn, was geschehen war, und sie
waren froh mit ihnen.
Das Kind und der Regen.
Ein Nyassamärchen.
Es waren einmal einmal ein Mann und eine Frau, die
starben und ließen zwei Kinder zurück.
In dem Lande, in welchem die Kinder lebten,
herrschte große Trockenheit. Man hatte schließlich
keinen Tropfen Wasser mehr; trotzdem gab es noch
viel zu essen. Eines Tages spielten die Kinder, welche
keine Eltern mehr hatten, mit anderen Kindern und
taten sich Mehl in ihre Kochtöpfe und wollten kochen;
aber es fehlte ihnen an Wasser. »Wenn ihr niemandem
etwas sagen wollt,« sagte ein Kind zu den
Gespielen, »so werde ich euch etwas zeigen.«
»Wir sagen nichts,« versprachen die Kinder.
Darauf ließ das Mädchen, welches zuerst gesprochen
hatte, alle Wasserkrüge auf einen Fleck nebeneinandersetzen,
stellte sich in ihre Mitte und blickte
auf zum Himmel. Dort waren einige kleine Wolken,
die fingen alsbald an sich zusammenzuziehen, und es
fiel ein wenig Regen gerade in die Kochtöpfe hinein.
Da kochten die Kinder ihre Speise, aßen davon und
brachten das übrige hinein.
»Woher habt ihr das Wasser bekommen?« fragten
die Väter der Kinder.
Aber diese schwiegen still und verrieten nichts.
Am nächsten Tage gingen sie wieder zu ihrem
Spielplatz. Da fragte das Mädchen, welches den
Regen gemacht hatte:
»Hat einer von euch mein Geheimnis verraten?«
»Niemand,« antworteten sie.
Ein Mädchen unter ihnen aber hatte sich eine List
ausgesonnen und zwei Wassertöpfe mitgebracht. Den
einen versteckte es im Gebüsch.
Wieder blickte das andere Kind auf zum Himmel
und hieß ihre Gespielen schnell ihre Wasserkrüge um
sie herumzusetzen.
Da kam eine große Wolke, die gab vielen Regen,
aber der Regen fiel nur in die aufgestellten Krüge.
Als es aufgehört hatte zu regnen, goß das Kind,
welches zwei Krüge hatte, einen Teil des Wassers
heimlich in den Krug, den es im Busche versteckt
hatte. Bald darauf, als sie fertig gekocht und gegessen
hatten, gingen sie heim. Da es Nacht war und alles
schlief, ging das Kind zu seiner Mutter, weckte sie
und sprach:
»Ich habe dir etwas zu erzählen; erst aber versprich,
daß du es niemandem weiter sagst.«
Sie antwortete:
»Erzähle, mein Kind!«
Darauf faßte das Kind seine Mutter bei der Hand
und führte sie dahin, wo sie den Topf mit dem Wasser
versteckt hatte.
Die Frau erzählte die Geschichte von dem wunderbaren
Regen einer anderen und diese wieder einer anderen,
bis schließlich der Sultan davon hörte.
Der Sultan schickte sofort zu seinem Vezier und
befragte ihn in der Angelegenheit.
»Laß uns Brunnen graben,« sprach der Vezier, und
alsbald wurden viele und tiefe Brunnen gegraben.
Als die Brunnen fertig waren, ließ der Sultan das
Kind, welches den Regen gemacht hatte, holen, gab
ihm vielen Schmuck und sprach: »Laß Regen für
mein Land herniederfallen.«
Das Kind sprach zu dem Sultan und den Leuten,
welche sich um ihn versammelt hatten:
»Geht weiter fort von mir!«
Sie alle aber weigerten sich, diesen Worten zu gehorchen.
Endlich blickte das Kind auf zu den Wolken, deren
eine Menge am Himmel standen. Sofort ergoß sich
unendlicher Regen auf das Land, und es blitzte und
donnerte, so daß alle Menschen erschraken. Dabei
sahen sie, wie inmitten von Blitz und Donner das
Kind vor ihren Blicken von der Erde fortgenommen
wurde und in den Wolken verschwand.
Der Löwe und der Schakal.1
Ein Hottentottenmärchen.
Der Löwe und der Schakal kamen einstmals überein,
daß sie auf Jagd gehen und die Beute miteinander teilen
wollten, damit sie für sich und ihre Familien für
die Regenzeit einen guten Vorrat hätten.
Da der Löwe von den beiden bei weitem der beste
Jäger war, so schlug der Schakal vor, daß sie sich in
die Arbeit teilen wollten. Der Löwe sollte jagen, während
der Schakal mit seiner Frau das Erlegte in die
Höhlen schleppte, das Fleisch zubereitete und trocknete.
Es verstünde sich von selbst, fügte der Schakal
hinzu, daß er die Frau des Löwen und seine Kinder
reichlich mit Nahrung versehen würde.
Auf diesen Vorschlag ging der Löwe ein, und die
Jagd begann.
Nachdem er eine überaus reiche Beute an Wild
aller Art gemacht hatte und längere Zeit von den Seinen
abwesend gewesen war, kehrte er heim. Schon auf
dem Wege freute er sich auf die Mahlzeit, welche ihn
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