„Von Malerei kann doch nur ein Promille der Maler leben, die anderen sind Taxifahrer, Kellner oder machen an Computern rum.“
„Die probieren es wenigstens und vielleicht sind die trotzdem zufriedener als du. Das ist doch wie beim Lottospielen: Nur wer spielt kann auch gewinnen.“
„Ja, ja.“
„Und?“
„Und was?“
„Habe ich dich überzeugt, den Unfug aufzugeben?“
„Nein.“
„Ich würde auch was über dich schreiben.“
„Das zieht nicht.“
„Hm.“
„Ich bin überhaupt nicht kreativ, wenn ich es sein muß und auch nicht, wenn es mir schlecht geht.“
„Das ist ungewöhnlich, also letzteres, glaube ich. Unzufriedenheit ist doch oft ein Antrieb. Die Alkoholikerrate unter Schriftstellern ist enorm, auch unter Malern und Musikern abseits des Mainstreams ist – zumindest in der wichtigsten Schaffensperiode – der Drogenkonsum und anderes selbstzerstörerische Verhalten besonders ausgeprägt.“
„Ich bin dann einfach nur leer.“
„Dann übertreibst du es vielleicht.“
„Ist doch aber auch alles egal.“
Zum Glück kam der Hauptgang und ich fragte mich, warum ich mich eigentlich andauernd mit Frauen unterhalte. Nur weil sie die viel angenehmere Gesellschaft sind? Ich sollte mal wieder ins Stadion gehen und mich mit ein paar Typen über den bevorstehenden neuerlichen Abstieg des Stadtvereins unterhalten. Oder über Autos. Oder über das letzte versoffene Wochenende. Da besteht keine Gefahr, daß irgend jemand irgendein Leben verändern will.
Nachdem der Kellner gegangen war, fing Anne wieder an.
„Was müßte denn passieren, damit du dein Leben änderst?“
„Ich müßte da versehentlich rein geraten – in die Veränderung“, sagte ich grinsend, denn der Duft der Pizza weckt neue Lebensgeister und gab mir Kraft, das Thema zu beenden oder lockerer zu nehmen.
„Im Ernst!
„Im Ernst? Ähm, ich müßte im Lotto gewinnen und mein Einkommen für ein Jahr gesichert haben. Dann würde ich den Schnüfflerjob aufgeben und wieder malen oder ich mache Videokunst. Da könnte ich dann meine Liebe zur Musik, selbst wenn es nur Popmusik ist, einbringen.“
„Na, das klingt doch schon mal gut. Spielst du Lotto?“
„Nö. Wozu?“
„Grrrr. Du willst mich ärgern?“
„Nö, auch das nicht. Wozu?“
„Du willst das nicht ernst nehmen, oder?“
„Oh, diese Pizza ist wirklich göttlich. Willst du mal probieren?“
„Ich weiß wie die schmeckt.“
„Ich hätte da noch einen Plan. Der klappt auch ohne Lottogewinn.“
„Hoffentlich ist der gut genug, um ein Plan A zu sein.“
„Heirate mich.“
„Okay, bestenfalls ein Plan B. Wie kommst du darauf?“
„Na, ich wäre glücklich und wieder kreativ, du würdest für das regelmäßige Einkommen sorgen, jedenfalls in der Anfangszeit, würdest sogar Steuern sparen. Dann würde ich irgendwann berühmt werden und deshalb natürlich auch reich.“
„In Ordnung. Du solltest definitiv Lotto spielen.“
Ich genoß meine Pizza, wir bestellten jeder noch einen Espresso – „zwei Espressos“ sagte der Kellner – und dann machten wir uns auf den Weg: Sie zu irgendeinem berichtenswerten Kulturevent und ich zum Flughafen, um zu gucken, ob mich das weiter bringen würde, wohin auch immer.
Vor der Restauranttür blieben wir noch kurz stehen, rangen um eine angemessene Verabschiedung.
„Und?“
„Und?“
„Heiraten wir? Es muß ja nicht gleich sein. Vielleicht fangen wir einfach damit an, daß wir uns demnächst mal wieder sehen und nicht erst zu Weihnachten, wenn dir einfällt, daß wir uns fast das ganze Jahr nicht gesehen haben.“
„Mal sehen. Aber fang vorsichtshalber an, Lotto zu spielen.“
„Du kennst mich doch.“
„Deshalb sag ich es ja.“
Ich grinste.
„Und laß dich in wo-auch-immer nicht umbringen. Laß dich nirgends umbringen.“
„Wenn dieser Befehl von dir kommt, dann ist es ein guter.“
„Jetzt aber genug. Mach’s gut!“
Es regnete inzwischen. Anne stieg in ihr Auto, ich ging zur S-Bahn. Ich dachte an nichts, fast nichts, denn eigentlich dachte ich daran, daß ich an nichts dachte. Im Zug, der Richtung Flughafen fuhr, fiel mir der Idiot wieder ein, Lou, nicht ich, der ich Anne hatte gehen lassen können. Ich mußte mir Gott sei Dank keine Gedanken darüber machen, wo und vor allem womit er mich erwartete. Er hatte einfach die wichtigsten Informationen nicht rausgerückt. Ich starrte auf den Fußboden: Spuren von nassen Schuhen, Fahrrädern und Schirmen, Pumps auf denen die Buchstaben L, O, V und E standen. Ich träumte, erwachte aber an der Station, an der ich aussteigen wollte, sprang auf und stieß mit L, O, V, E zusammen. Sie küßte mich und stieg aus. Das ging alles so schnell, daß ich gar nichts mehr blickte, mich wieder setzte, der Verwirrung nachgab und mich nicht widersetzte. In welchen Film war ich hier nur geraten? Das ist doch alles absolut absurd. Der Mann, der Remington Steele genannt wurde, hätte mir sagen können welcher Film es war, doch geholfen hätte mir das auch nicht.
Irgendwann hörte ich „Endstation. Bitte alles aussteigen. Dieser Zug endet hier.“ Seit wann kennen die denn das Wort Bitte?
Orientierungslos stand ich auf dem Bahnsteig. Zum Flughafen war ich immer nur mit dem Taxi gefahren. Ich steckte meine Hände in die Tasche, bemerkte ein Stück Papier, mehrere zusammengeheftete Stücke Papier, ein Flugticket, ausgestellt auf meinen Namen, für einen Flug nach Madrid, Abflug in einer Stunde.
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