Sam stellte die Frage rein rhetorisch und erwartete auch keine Antwort. „Ihr geht zur Rezeption und lasst die Polizei verständigen. Ich informiere derweil Bernd!“
Wenderlen liefen immer noch die Tränen die Wangen herunter, als wir dem Portier gegenüberstanden.
„Bitte verständigen sie die Polizei, wir sind bestohlen worden“, wies ich den Hotelangestellten an. Der rührte sich jedoch nicht.
„Die Polizei ist schon unterwegs“, meinte er nur lakonisch und wandte sich seinem Computerbildschirm zu.
Doch Christine hatte keine Lust auf diese Spielchen. Schon vorhin, als er uns nicht weiterhelfen wollte, konnte meine Kollegin sich nur mit Mühe zurückhalten. Jetzt schnellte ihr Arm vor und sie bekam den Mann am Kragen zu packen. Schon lag der Portier quer über dem Tresen. Chrissi näherte ihr Gesicht dem seinigen.
„Jetzt pass mal auf, Bürschchen! Wenn du dich nicht gleich ein wenig kooperativer zeigst, sehe ich mich gezwungen, dir einen Finger zu brechen. Haben wir uns verstanden?“
Der Portier nickte ängstlich. „W-Was kann ich denn für sie tun?“
Christine ließ den Mann los. „Schon besser. Warum ist die Polizei hierhin unterwegs?“ - „Wegen dem Brand.“ - „Des Brandes!“
Der Mann schaute mich verwirrt an. „Des Brandes?“ - „Ja“, erklärte ich geduldig „es heißt ‚des Brandes‘.“
Jetzt mischte Chrissi sich wieder ein: „Lass gut sein, Jonathan. Das ist doch jetzt egal. Was ist jetzt mit dem Brand?“
„Das war Brandstiftung. Jemand hatte eine Kerze im Mülleimer angezündet und als die heruntergebrannt war, entzündeten sich irgendwelche Stofffetzen.“
Chrissi nickte. „Okay, trotzdem verbinden sie mich jetzt sofort mit der Polizei!“
„Sie schicken einen Kriminalbeamten, der die Sache aufnimmt. Wir sollen so lange hier warten.“ Christine zeigte auf eine Sitzgruppe. „Setzen wir uns dort hin.“ Dann wandte sie sich ab und sprach mit Sam über ihr Headset.
„Sam, kannst du mich hören?“ - „Ja.“ - „Wir warten jetzt hier auf einen Polizisten, der den Diebstahl aufnehmen soll. Wie gehen wir danach vor?“
Sam überlegte einen Moment. „Fragt Wenderlen, was er noch plant und bietet ihm an, dass ihr ihn nach Amsterdam zurück kutschiert. Soviel sind wir dem Mann schuldig ...“
Chrissi nickte und wandte sich an den Händler. Der beruhigte sich allmählich und hörte zum Glück auf zu heulen. „Mijnheer Wenderlen, sollen wir sie nach der Vernehmung durch die Polizei nach Amsterdam zurückfahren? Ich befürchte, dass wir hier nicht mehr viel ausrichten können.“
Aaron Wenderlen schüttelte entschieden den Kopf. Nachdem er jetzt etwas ruhiger war, klang sein Deutsch auch wieder ganz passabel. „Nein, danke. Ich buche mir hier ein Zimmer. Vielleicht ergibt sich ja noch etwas mit der Polizei. Dann fahre ich mit dem Zug zurück.“
Wir nickten. Chrissi übernahm es, Sam wieder zu informieren. Dank meinem Headset konnte ich das Gespräch mit anhören.
„Gut, dann beendet Ihr die Sache hier nach dem Gespräch mit der Polizei und kommt ins Sportstudio. Bernd möchte, dass wir ihm genauestens Bericht erstatten. Ich verschwinde jetzt auch. Wir sehen uns dann später.“ Ein Knacken im Headset zeigte an, dass Sam die Verbindung abgebrochen hatte. Wir nahmen unsere Geräte ebenfalls aus den Ohren. Ich unterhielt mich leise mit Christine.
Wenderlen saß zusammengesunken da und starrte vor sich hin. Nur von Zeit zu Zeit ließ er ein ‚Wo bleibt nur verdammtes Polizei?‘ vernehmen.
„Ich kann mir nur vorstellen, dass dieser Ibn sal Abdar die Koffer vertauscht hat“, meinte ich.
„Und wann?“ - „Als diese Frau in den Raum kam. Du erinnerst dich? Die Nackte. Wir waren alle abgelenkt. Ideal um die Koffer zu vertauschen!“
Chrissi schüttelte den Kopf. „IHR wart abgelenkt. Ich nicht. Ich habe den Koffer nicht aus den Augen gelassen.“
„Du willst damit sagen, der Koffer wurde nicht ausgetauscht?“ - „Richtig. Zumindest nicht in diesem Moment.“
„Aber sonst gab es keine Gelegenheit. Ich hatte Ibn sal Abdar immer im Blick. Das Ganze ist sehr, sehr merkwürdig.“ Dann fiel mir noch etwas ein: „Aber die Koffer müssen vertauscht worden sein. Erinnere dich einmal an die Sache in der Tiefgarage. Wenderlen konnte seinen Koffer nicht mehr öffnen, da die Kombinationen der Zahlenschlösser nicht stimmten.“
Unsere Diskussion wurde durch das Eintreffen des Polizisten unterbrochen. Chrissi zuckte nur mit den Schultern.
„Kriminalkommissar Artur Asens, Kripo Köln“, stellte sich der Polizist vor, „wer von ihnen ist der Diamantenhändler?“
Wenderlen erhob sich und reichte dem Mann die Hand. „Aaron Wenderlen. Ich komme aus Amsterdam, um hier zu verkaufen Diamanten. Die beiden“, er zeigte auf uns „sind meine Bodyguard.“
Kriminalkommissar Asens nickte uns leicht zu. „Ihnen wurden die Diamanten gestohlen?“
„Deswegen sind sie hier“, konnte ich mich zu bemerken nicht zurückhalten.
„Ich werde sie gleich schon noch befragen.“ Der Polizist zückte einen Block und einen Stift. „Also, wie heißen sie?“ - „Aaron Wenderlen, aber das habe ich doch schon gesagt.“
Asens sah mich an. „Und sie?“ - „Jonathan Lärpers.“ Eifrig notierte er unsere Namen. „Christine Weru.“
„Dann schildern sie mir doch bitte einmal den Hergang, Herr Wenderlen.“
Wenderlen blickte traurig auf seinen Aktenkoffer. „Hier waren sie drin, Herr Kriminalkommissar.“
Asens schaute irritiert auf. „Wo war ich drin?“
„Nicht sie, Herr Polizist. Die Diamanten natürlich. In diesem Koffer hatte ich Diamanten im Wert von anderthalb Millionen Euro.“
„Und die tragen sie so einfach im Koffer spazieren?“ - „Ich habe doch die Bodyguards!“
Asens machte sich fleißig Notizen. „Und weiter?“
„Wir haben einen Käufer hier im Hotel getroffen. Eine hochgestellte arabische Persönlichkeit.“ - „Und der heißt? Wo befindet sich diese Person denn jetzt?“
„Ibn sal Abdar. Und wo der Mann jetzt ist, weiß ich nicht. Da war doch dieses Feuer und alle mussten das Hotel verlassen und ...“
„Würden sie die Geschichte bitte der Reihe nach erzählen?“
Wenderlen nickte ergeben. „Ibn sal Abdar wollte die Diamanten kaufen. Deswegen trafen wir ihn auf seinem Zimmer. Nummer dreihundertdreißig. Dort hat er die Diamanten begutachtet. Er wollte sie kaufen und die Geldtransaktion vornehmen, als plötzlich diese Frau das Zimmer betrat.“
„Diese Frau dort?“ Der Kriminalkommissar zeigte auf Christine.
„Nein, nein. Eine andere Frau. Vollkommen nackt.“
„Aha!“ Kriminalkommissar Asens sprang von seinem Sitz auf. „Klarer Fall! Eine nackige Frau! Da haben sie natürlich alle dahin glotzen müssen. Und ihr Scheich konnte in aller Seelenruhe die Koffer austauschen.“
Jetzt meldete Christine sich zu Wort: „Also, ich habe d...“
Asens unterbrach sie unwirsch: „Frau Bodyguard. Habe ich sie befragt? Sie kommen auch noch zu Wort - aber später. Also halten sie sich zurück, ja?“
Christine nickte und verdrehte die Augen, was aber nur mir auffiel.
„Und dann ging auch schon der Feueralarm los“, erzählte Wenderlen weiter. Wir sind sofort die Treppe herunter. Bei Feuer darf man den Aufzug ja nicht benutzen.“
Wieder machte sich der Polizist eifrig Notizen. „Und wann haben sie bemerkt, dass die Diamanten weg waren?“
„In der Tiefgarage. Wir haben den Koffer zuerst nicht aufbekommen. Aber ein Helfer dieser Bodyguards hat ihn dann kaputt gemacht und da war er leer.“
Asens schaute von seinem Notizbuch auf. „Ein Helfer? Das erscheint mir aber verdächtig. Und den Koffer hat er auch noch kaputt gemacht?“ Dann sah er uns an: „Zeigen sie mir doch einmal ihre Personalausweise. Und wo ist jetzt dieser ominöse Helfer? Vielleicht auch verschwunden?“
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