muste der Prinz seiner Mutter einen andern Hof draußen
im freien Felde bauen, denn die Alte wollte mit
der Schwiegertochter nicht zusammen leben. Der
Sohn that dieß und heiratete die Prinzessin.
Später muste der Prinz in den Krieg reiten, und da
ließ er seiner Frau ein rotes Petschaft und seiner Mutter
ein schwarzes. Nicht lange nachher kam einmal
die Alte zu Besuch zu ihrer Schwiegertochter und
stahl ihr ihr Petschaft. Wenn nun die Königin ihrem
Manne Briefe schrieb, so hatte sie kein Petschaft, um
sie zu versiegeln; und wenn sie schrieb, so muste
immer die Post mit dem Briefe durch den Hof der
Alten ihren Weg nehmen; und so oft die Post kam,
machte die Alte die Leute trunken, nahm, erbrach und
verbrannte den Brief der Königin und schrieb einen
andern Brief, den sie mit dem gestohlenen Petschafte
siegelte und dem Könige zusandte. Der König dachte
aber immer, daß seine Frau die Briefe geschrieben
habe. Einst schrieb die Königin, daß sie zweier Prinzen
genesen sei; aber als die Post zum Hause der
Alten kam, da machte sie wieder die Männer betrunken
und schrieb, sie habe zwei Hündchen geboren.
Der König aber antwortete, sie solle warten bis er
nach Hause komme; und wie die Post bei der Alten
vorbei kam, da nahm sie wieder den Brief und schrieb
ihr in einem andern, daß sie mit ihren beiden Kindern
sogleich umgebracht werden solle.
Man führte sie nun heraus in einen Wald, und sie
wollten zuerst ihre Kinder tödten, aber sie sagte
›Einen dreifachen Tod kann ich nicht sterben, tödtet
mich zuerst,‹ und bat sehr um ihr Leben: ›dieß Blut
(sagte sie), komme auf euch und eure Kindeskinder.‹
Da ward es den Dienern angst und sie tödteten sie
nicht. Den Leuten war aber befohlen, sie sollten
sämmtliche sechs Augen und die drei Zungen mit
nach Hause bringen. Es waren ihnen aber zufällig, als
sie in den Wald giengen, drei Hunde zugelaufen; dieser
drei Hunde Augen und Zungen nahmen sie mit
nach Hause. Die Königin aber versprach, nicht wieder
in die Stadt zurück zu kehren. Und wie sie sie gehen
ließen mit ihren Kindern, da legte sie sich unter einem
Baume schlafen; da kam ein Wolf und trug eins ihrer
Kinder weg, aber ein Bauer, der in dem Walde war,
sah den Wolf, wie er das Kind davon trug, lief herbei
und nahm ihm das Kind ab, und der Wolf kehrte um,
um das andre zu holen, aber der Bauer nahm ihm
auch das ab. Das Kind aber hatte eines erwachsenen
Menschen Hand über seine eine Schulter hangen, und
das war der Königin Hand, denn die Diener hatten sie
ihr ab gehauen. Die beiden Kinder nahm der Bauer
mit nach Hause, und als sie größer geworden, sagte er
zu ihnen ›Kinder, ich bin euer rechter Vater nicht;
wollt ihr, so könnt ihr da bleiben; wollt ihr aber nicht,
so könnt ihr gehen wohin ihr wollt.‹
Da verließen die beiden den Bauern; einer der Knaben
aber trug die Hand immer auf der Schulter. Da
kamen sie zufällig in eine Stadt und zu des Königs
Haus, und der König kam heraus, die zwei Knaben an
zu sehen, und wie er die Hand beschaute, da war an
einem Finger ein Ring, und den Ring erkannte der
König als den Ring seiner Frau. Nun fragte er die
Knaben, woher sie seien, und sie sagten ›Wir waren
bei einem Bauern, und der Bauer sagte uns, wir seien
nicht seine Söhne, und wenn wir wollten, so könnten
wir bei ihm bleiben, und wenn nicht, so könnten wir
auch gehen.‹ Da erkannte der König, daß es seine
Kinder seien, und er behielt sie bei sich und fuhr aus,
seine Frau zu suchen. Da kam er in eine Stadt und
gieng in eine Schenke, aber sein Kutscher blieb draußen
und sah ein Weib mit einer Hand, die gieng zum
Brunnen, um Waßer zu schöpfen. Der Kutscher lief
sogleich zu seinem Herrn hinein und meldete ihm das;
der König lief heraus, fand die Frau und erkannte in
ihr seine Gattin und nahm sie mit sich an seinen Hof.
So hatte er seine beiden Söhne und seine Frau wieder;
seine böse Mutter aber ließ er mit ihrem Hause,
sammt allem was darin war, verbrennen.
Vom Grünbart.
In einer Stadt lebte ein sehr reicher Kaufmann, der
hatte eine sehr schöne Tochter, die wollte durchaus
keinen andern heiraten als einen Mann mit grünem
Barte. Um die Stadt herum waren sehr große Wälder;
in diesen Wäldern hausten vier und zwanzig Räuber
mit einander. Der Hauptmann dieser Räuber, der von
dem Mädchen vernommen hatte, daß sie nur einen
Mann mit einem grünen Barte heiraten wolle, fragte
seine Leute, ob sie kein Mittel kennten, mit dem man
sich den Bart grün färben könne, und sie verschafften
ihm sogleich solche Farbe. Da färbte er denn seinen
Bart grün (und er war auch außerdem ein stattlicher
Mann) und reiste in die Stadt zu dem Kaufmann: er
wolle seine Tochter freien. Dem Mädchen gefiel er
auch sehr und so blieb er da über Nacht. Des andern
Tages verabredeten sie sich, daß das Mädchen zu ihm
hin reisen solle; er besitze hinter dem Walde ein großes
Gehöfte. Dem Mädchen bedeutete er, sie solle
immer die Straße entlang reiten, bis sie an eine Brükke
komme; jenseit der Brücke solle sie sich links wenden
und auf dem Pfade nur weiter reiten, so werde sie
zu seinem Hofe gelangen. Der Grünbart reiste ab.
Die Kaufmannstochter rüstete sich nun zur Reise,
ließ sich guten Kuchen backen, um ihn ihrem Bräuti-
gam mit zu bringen, und machte sich dann zu Pferde
auf den Weg. Sie kam zur Brücke und fand jenen Seitenweg,
von dem der Grünbart gesprochen hatte. Sie
ritt nun auf dem Pfade in den Wald; je tiefer sie aber
in den Wald hinein kam, desto schmaler ward der
Pfad: nur ein schmaler Fußpfad war noch da. Was
sollte sie nun thun? Reiten konnte sie nicht mehr, sie
muste absitzen, das Pferd anbinden und zu Fuße
gehen. Nachdem sie ein Ende gegangen, sah sie ein
Häuschen, an dessen Thüre zwei Löwen mit Ketten
angebunden waren. Als sie in die Nähe derselben gekommen
war, dachte sie ›Sollst du weiter gehen oder
nicht?‹ Aber da die Löwen nichts thaten, trat sie hinein
und gieng in eine Stube: da stunden Betten und an
der Wand hiengen mehrere Flinten. Als sie sich da
umgeschaut, gieng sie in eine andre Stube: da stund
ein Tisch und am Deckbalken hieng ein Käfich mit
einem Vögelchen. Der Vogel sagte zu ihr ›Wie
kommst du hierher? denn das ist ein Räuberhaus.
Hinweg kannst du jetzt nicht, denn wenn du hinaus
willst, so zerreißen dich die, Löwen; aber ich will dir
Unterweisung geben. Lege du dich jetzt unters Bett;
wenn die Räuber kommen, werden sie sich betrinken
und dann einschlafen; dann geh du weg, und wenn du
hinaus gehst, wirf beiden Löwen jedem ein Stück Kuchen
hin, dann kannst du ein Ende weit davon laufen.‹
So that sie auch und kroch unter das Bett.
Die Räuber kamen einer nach dem andern und sagten
›Hier stinkts nach Menschenfleisch;‹ aber der
Vogel wehrte ab so viel er nur konnte, und so ließen
sie sich davon abbringen. Die Räuber brachten ein
Mädchen mit; nachdem sie ihr Abendeßen zu sich genommen,
hieben sie das Mädchen in Stücke und fiengen
mit den kleinen Fingern an. An einem hatte sie
einen Ring, und der Finger mit dem Ringe rollte unter
das Bett, wo jene lag. Da nahm sie den Finger und
steckte ihn in ihre Tasche. Als die Räuber ihr Werk
vollendet, fiengen sie noch einmal an zu trinken und
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