König vordem ein Löwe gewesen war, da kam der
König mit seinen Soldaten und mit großer Musik ihm
zu Ehren entgegen. Als man sich zu Tische gesetzt,
kam beim Eßen und Trinken die Rede auf dieß und
das, und der Prinz sagte ›Bei uns ists Sitte, daß wir,
wenn wir irgend eine Speise genießen, grobes Brot
dazu beißen.‹ Der König sagte »Aber bei uns gibt es
gar kein solches Brot.« Der Prinz sagte ›Geht in meinen
Wagen, bringt den Brotleib und bestellt einen
starken Mann!‹ Da lachten alle die vornehmen Herren
über ihn, weil er nur einen Leib Brot habe und noch
dazu einen starken Mann zu bestellen angeordnet.
Jetzt befahl er Brot abzuschneiden; als man aber bis
zur Hälfte geschnitten, da war der Leib wieder ganz.
Der König sagte »Würdest du mir den Leib wol verkaufen?
« ›Nein (sagte der Prinz), verkaufen kann ich
ihn nicht, aber versetzen so lange du willst.‹ Darauf
gieng der König ein und gab ihm drei Fäßer voll
Gold. Das packte er sich ein und reiste von dem Könige
zu dem andern, der vorher in einen Bären verwandelt
war. Als er nicht mehr weit von der Stadt
war, empfieng ihn auch dieser König mit großen
Ehren, mit Soldaten und großer Musik, und ladete ihn
zum Mittagseßen ein. Als man gespeist hatte, sagte
der Prinz ›Bei uns hat man die Gewohnheit, nach dem
Eßen reines klares Waßer zu trinken.‹ Der König
sagte »Wir haben aber kein solches Waßer.« Da
schickte der Prinz seinen Diener nach der Flasche und
einem großen Zuber; die Herren aber lachten über ihn,
daß er aus einer kleinen Flasche einen großen Zuber
zu füllen gedenke. Aber als er die Flasche auszuschütten
begann, da goß er den ganzen Zuber voll, und die
Flasche ward doch nicht leer. Da sagte der König
»Würdest du wol die Flasche verkaufen?« ›Nein
(sagte der Prinz), verkaufen kann ich sie nicht, aber
für drei Faß Gold will ich sie dir leihen.‹ So ließ er
denn die Flasche da, lud sein Gold auf und reiste weiter.
Das dritte Land, dessen König in einen Wolf verwandelt
war, besuchte er gar nicht, sondern reiste gerades
Weges in die Stadt Schönheit, wo er in einer
schönen Schenke, in einem Gasthofe abstieg. Nach
Tische sah er, daß sehr viel Menschen in der Straße
giengen; da fragte er den Wirt, warum so viele Leute
die Straße entlang giengen, ob etwa etwas zu sehen
sei. »O ja (antwortete der), es werden zwei gehängt.«
›Könnte ich das wol auch mit ansehen?‹ »Na, warum
denn nicht!« So gieng er denn auch auf den Platz hin.
Als er die zwei Verurteilten erblickte, erkannte er in
ihnen sogleich seine Brüder; er meldete sich deshalb
bei der Obrigkeit, ob er sie nicht befreien könne. ›Ei
ja, aber es kostet viel Geld; wenn einer vier Faß Gold
gibt, dann werden sie frei gegeben.‹ Da ließ der Prinz
vier Faß Gold bringen und nahm die zwei armen Sünder
mit nach Hause in seinen Gasthof, ließ ihnen
Eßen und Trinken bereiten, kleidete sie gut und gab
sich ihnen als ihr Bruder zu erkennen.
Sie verweilten nicht lange mehr und begaben sich
auf die Reise. Als sie ein gutes Ende Wegs zurück gelegt,
da dachten die zwei Brüder ›Was wird nun geschehen,
wenn wir zum Vater kommen? Der Dumme
hat die Arzneikräuter und hat uns noch dazu vom Galgen
erlöst; wir werden beim Vater nur mit großen
Schanden bestehen.‹ So faßten sie denn folgenden Beschluß
›Nicht weit von hier ist eine Hexe, gehen wir
zu ihr und laßen wir uns von ihr solche Kräuter
geben, von denen der Mensch, wenn er sie auf die
Augen streicht, erblindet, und die hinterlegen wir dem
Bruder, dann hat er die nichtsehenden Kräuter und wir
nehmen die sehenden2.‹ Sie verschafften sich auch
wirklich solche Kräuter und reisten weiter. Auf der
Reise schlief der Bruder vor Erschöpfung ein, und
während er schlief, vertauschten sie die Heilkräuter.
Als sie nun zum Vater nach Hause gekommen, da
fragte der Vater ›Wie, meine Kinder, habt ihr die
Kräuter mit gebracht?‹ »Ja, Vater, wir haben sie.«
›Nun, da streicht einmal auf.‹ Die beiden nahmen ihre
Kräuter und strichen auf, und der König öffnete die
Augen. Jetzt schloß aber der König die Augen wieder,
als sei er blind, und sagte zum dritten Sohne ›Na,
mein Sohn, streich einmal von deinen Kräutern etwas
auf.‹ Als dieser es that, sah der König nichts mehr.
Da sagte der König ›Nun streicht ihr beide wieder
von euren Kräutern auf!‹ Und sobald sie aufgestrichen,
konnte der König wieder sehen. Der König ergrimmte
nun so über seinen Sohn, weil er ihm solche
Kräuter gebracht hatte, daß er befahl ihn sofort zu erschießen.
Wie aber der Jäger mit ihm ritt und ihn von
hinten erschießen wollte, da versagte ihm das Gewehr.
Der Prinz sagte ›Was wolltest du eben da
thun?‹ Der Jäger sagte »Lieber Prinz, der König hat
befohlen, ich solle dich erschießen und Herz, Leber
und Lunge mit zurück bringen.« ›Na, wenn das so ist
(sagte der Prinz), sieh, da ist ein Hund, erschieß den
Hund, nimm sein Herz, Leber und Lunge heraus,
brings nach Hause und wirfs in den Ofen, so ist die
Sache abgethan; ich werde nicht mehr in die Heimat
zurück kehren, auch wenn man meiner einst bedürfen
wird: ich gehe zu dem Müller da und lerne als Müller.‹
Der Jäger that das, brachte die Sachen und zeigte
sie dem Könige; der sagte ›Wirfs in den Ofen, da
kanns verbrennen.‹
Zu der Zeit genas die Prinzessin jenes Landes, aus
welchem der Prinz die Kräuter mit gebracht, eines
Sohnes. Nachdem sieben Jahre verfloßen waren und
der Junge heran gewachsen, sprang er ein Mal in der
Stube umher und kroch unter einen Tisch; er sah in
die Höhe und sah da etwas schimmern. ›Mutter (sagte
der Knabe), sieh doch einmal her, was da so flimmert.‹
Die Mutter kam, sah unter den Tisch, aber sie
konnte nicht verstehen, was da geschrieben stund. Da
ließ sie sich vier Männer mit verbundenen Augen
bringen, um die Schrift zu lesen, und als sie sie gelesen,
verband man ihnen die Augen wieder und führte
sie hinweg. Aus der Schrift erfuhr aber die Prinzessin,
daß ein Prinz aus dem und dem Lande bei ihr gewesen
sei und die Arzneikräuter, den Brotleib und die
Waßerflasche mitgenommen habe. Sodann rüstete
sich die Prinzessin zur Reise mit einer großen Schaar
Soldaten, und eine große Menge Schießpulver nahm
sie mit und zog zu jenem Könige hin und machte eine
viertel Meile von des Königs Stadt Halt. Den Weg
von ihr bis zur Stadt ließ sie mit rotem Scharlach belegen
und die Stadt mit Pulver umschütten, und dem
Könige sagen, ›Er solle in vier und zwanzig Stunden
den zu ihr schicken, der von ihr die Kräuter gebracht
habe, sonst laße sie die Stadt mit Pulver gen Himmel
sprengen.‹ Da sandte der König sofort den ältesten
Sohn zu Pferde zu ihr; als er hin geritten, fragte sie
ihn ›Hast du die Kräuter gebracht?‹ »Ja,« sagte der
Prinz. ›Und was weiter?‹ »Nichts.« Da sagte die Prinzessin
›Reit du nach Hause und sag deinem Vater, er
solle in vier und zwanzig Stunden den schaffen, der
die Kräuter gebracht.‹ Der Prinz ritt nach Hause und
sagte es seinem Vater. Da sagte der Vater zum zweiten
›Nun, mein Sohn, du hast doch die Kräuter gebracht?‹
»Ja,« sagte der Sohn. ›Nun so eile und reite
du zu ihr hin.‹ Und da ritt auch er hin. Als das Kind
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