Der Himmel Elohims, das schön anzusehende Firmament, ist ein Dach über unserem Kopf, nicht das Universum, nicht das All, nicht der Weltraum.
Jahwe hatte seinerseits einen noch engeren Horizont: Einen Garten Eden hat er gepflanzt, verortet in Mesopotamien. Was außerhalb dieses eingezäunten Gartens war, ist nicht das Werk Jahwes. Der Garten Eden ist der neue Kosmos Jahwes, ähnlich wie die Insel im Wasser, der Nilhügel, begrenzt und gezäunt. Eine Inseloase.
Für die Schöpfung Jahwes ist das Bild der Oase in der Tat sehr treffend. Der Boden ist öde und trocken, kein Strauch und kein Gras weit und breit: die den Nomaden bekannte Wüste. Mittendrin schafft Jahwe einen Garten mit Bäumen und Wasserquellen: eine kleine Welt, wenn auch ein schöner Garten.
Am Allerwichtigsten, wie wir gesehen haben, ist für beide schaffende Götter der Mensch. Anthropozentrisch ist alles, auf den Menschen fixiert, ausgerichtet. Und das Firmament ist geozentrisch, auf die Erde hin erschaffen und gedacht.
Wer heute meint, Elohim oder Jahwe habe auch das uns heute mehr oder minder – eher vom Hörensagen – bekannte Universum erschaffen, kann sich auf die Bibel nicht berufen. Das geschieht eher assoziativ: Je größer der eigene menschliche Horizont wird, desto größer wird auch der Schöpfergott, desto mannigfaltiger werden die Schöpfertätigkeiten Gottes. Wir reden dann nicht mehr von Jahwe oder Elohim, sondern von ›Gott‹, und meinen eigentlich nicht mehr den biblischen Elohim, auch wenn Elohim ›Gott‹ bedeutet, sondern einen globalisierten namenlosen Gott.
Heutige Gläubige meinen kurzschlüssig, im Schöpfungsbericht stehe, Elohim oder Jahwe hätte das All erschaffen. Dem ist nicht so. Zur Zeit der Entstehung der Bibel war der globale Gott nicht denkbar. Es waren viele ganz kleine Lokalmatadoren, viele Götter, von denen jeder seinen kleinen Kosmos für sein eigenes Volk schuf.
Die kopernikanische war eine ganz gefährliche Wende. Nicht nur die Erde befand sich nicht mehr in der Mitte des neuen Universums, sondern der Mensch selbst war nicht mehr der Mittelpunkt der Welt.
Nicht nur soll sich nun die Sonne anders verhalten als in der Bibel beschrieben, nicht nur soll sich die Erde um die Sonne drehen, statt, wie früher geglaubt, anders herum, wie es in der Bibel steht.
Plötzlich stimmten die Koordinaten nicht mehr. Die Erde war nicht mehr in der Mitte von allem, und der Mensch nicht mehr die Mitte der Erde, sondern umgekehrt. Die Sonne droht, selbst die Mitte zu werden, die Erde wird ein einfacher Trabant und der Mensch ein Wesen, das von diesem Trabanten um die Sonne herum mit geschleudert wird – ohne dass er sehr lange Zeit, Millionen von Jahren, überhaupt gemerkt hätte, dass er mal auf den Füßen, mal auf dem Kopf steht – so eingebildet ist er.
Sollte das stimmen, und es stimmt leider für uns, dann ist der Mensch nicht der Gipfel der Schöpfung – und das ist nun gerade der Gipfel! Seine sämtlichen Privilegien sind damit in Frage gestellt. Der Mensch ist ein kleines Wesen innerhalb einer kleinen Welt, die Jahwe oder Elohim für ihn erschaffen hatten, mitten in einem Universum, das anscheinend nicht für ihn existiert. Sein Kosmos ist nicht mehr seiner. Der Kosmos ist größer, unübersichtlich, ungemütlich, eigentlich kein Kosmos im eigentlichen Sinn, sondern schon wieder ein bisschen chaotisch geworden – auch für Elohim. Das Universum ist dem Menschen und Elohim über den Kopf gewachsen. Er fühlt sich nicht mehr zu Hause.
Der Mensch ist ein seltsames Wesen. Intelligent, fantasiebegabt, aber gelegentlich ohne Humor.
Mehrere Jahre später hat er entdeckt, dass nicht einmal unsere Sonne die Mitte des Universums ist. Sie ist nicht mal die Mitte unsere Galaxie, der Milchstraße, in der sich andere große Sonnen befinden, in der bereits abgestorbene, weit größere Sterne als dunkle Löcher sich befinden. Sie steht oder dreht sich (man kann es nicht übersehen) am Rande eines Universums ohne für uns sichtbare Ränder und Grenzen.
Eine ganz bedrohliche Situation für alle, eigentlich auch für den Schöpfer.
Waren Elohim und besonders Jahwe so kurzsichtig, dass sie selbst das große Universum übersehen hatten und für den kleinen, unwichtigen Menschen so einen Garten (Eden) oder – ein wenig großzügiger – einen Fußboden (die Erde) mit einer Decke mit Lampen (den Himmel) gebaut haben? Die Vergleiche stimmen nicht ganz: Am Universum gemessen ist die Bleibe des Menschen noch winziger und unbedeutender.
Auf der anderen Seite: Welcher Gott hat dieses neue Universum, das All erschaffen? Davon steht in der Bibel leider nichts. Elohim eigentlich nicht und Jahwe mit seinem kleinen Edenschrebergärtchen nun wirklich nicht. Was die Menschen damals gekannt haben, nur das haben Elohim und Jahwe geschaffen. Für den Rest sind sie nicht zuständig.
Ist überhaupt ein Gott der Schöpfer des Universums, oder ist das Universum von schöpferischer Kraft beseelt und entwickelt sich weiter, bis es unendlich und ewig wird?
Jedenfalls ist die Erde nicht einmal ein heller Punkt im Universum, keine Sonne, kein Stern. Die Menschen können inzwischen – weit weg vom Garten Eden – um die Erde selbst kreisen. Die Erde scheint nicht aus eigener Kraft, wenn sie überhaupt scheint.
Je nach Gesichtspunkt und Perspektive ist die Erde einerseits wichtig, wenn man auf ihr fußt, sie scheint andererseits sogar entbehrlich zu sein, je weiter man, wenigstens gedanklich – und das haben die Menschen inzwischen gelernt –, sich von ihr entfernt. Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt ist sie wie nicht existent, vom Blickfeld verschwunden. Und mit ihr auch ihre sämtlichen Schöpfer und Götter. Aus dem Auge, aus dem Sinn. In der italienischen Wendung hat der Spruch eine andere Nuance: lontano dagli occhi lontano dal cuore (aus dem Auge, aus dem Herzen).
Und der Mensch, der sich als das höchste Wesen, ein klein wenig unter dem lieben Gott einstuft, befindet sich am Rande eines Universums, das er eigentlich gar nicht begreift.
Je entfernter man von der Erde ist, desto kleiner wird der Mensch. Bald ist er Staub, ein Körnchen dieser Erde. Selbst die Erde wird ein Körnchen Staub des Universums.
Was ist mit ihren Schöpfern? Die meisten in den Schöpfungsmythen genannten Götter sind selbst Staub der Vergangenheit geworden. Wer weiß noch etwas von den ägyptischen Schöpfern Hapi, Re, Atum, Chepri, Ammun, Ptah?
Auch die Götter aus Mesopotamien sind tot, Enki und An, Apsu, Tiamat und Marduk.
Und auch der kanaanäische Gott El ist tot.
Sie alle waren an der Erschaffung eines kleinen Teils dieser kleinen Erde beteiligt.
Hier ein kleiner Auszug aus einem ägyptischen Schöpfungsmythos, der stark an Jahwes Schöpfung erinnert:
»Du bist der Meister der Töpferscheibe,
dem es gefällt, auf der Scheibe zu bilden,
der wohltätige Gott, der das Land belebt,
der die Keime der Erde in Berührung bringt.
Du bist der Allmächtige,
du hast die Menschen auf der Scheibe gebildet, täglich,
in deinem Namen, Chum. Der Töpfer.«
(In: Die Schöpfungsmythen, Zürich 1964, 94)
So nah zu den biblischen Schöpfungsberichten, so weit vom jetzigen Universum.
Was haben diese Götter mit dem riesigen All zu tun? Nichts. Was haben Elohim und Jahwe mit ihm zu tun?
Weit weg von der Erde auf einem kleinen Planeten, der um einen größeren Stern als die Sonne sich dreht, sind Leben und Intelligenz vorhanden. Dort spricht keiner von Elohim und keiner von Jahwe. Dort kennt sie gar keiner. Vielleicht aber haben auch diese Wesen Gottesbilder und nennen sie mit anderen, eigenen Namen.
Es gibt kein wirksames Bilderverbot. Jeder macht sich seinen eigenen Gott und meint, sein Gott sei der richtige und der einzige.
Instinktiv – weil damals nicht mal Kopernikus oder Galilei von der tatsächlichen Größe des Universums wirklich Ahnung hatten – haben die Kirchenmänner gespürt, auf dem Spiel stehe nicht nur ein kleiner Spruch aus der Bibel, der davon ausgeht, dass die Sonne sich um die Erde dreht. Auf dem Spiel stehe das gesamte Machtgefüge des Menschen über Flora und Fauna, die Macht Gottes (zu dem Zeitpunkt war Elohim in der Kirche fast vergessen und Jahwe war scheinbar nicht mehr der Gott der Christen) über die Welt und den Menschen – was nicht so schlimm war.
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