„Halts Maul! Und sein nicht so ein Großkotz“, gab er zurück. Hatte eine Flasche Whiskey in der Hand. Stellte sie auf dem Waschbecken ab. Ich schaute mich um. Einen Weg gab es nach draußen. Durch ein winziges Klappfenster. Wenn ich die Flasche packen könnte, sie ihm über den Schädel schlagen würde, könnte ich es schaffen. Ohne gelyncht zu werden. Doch das interessierte ihn nicht. „Entspannt dich Wichser. Nimm einen Schluck. Ich sehe doch, wie gierig du den Tropfen anstarrst.“ Das stimmte so weit.
„Danke.“ Ich trank herzhaft von dem betäubenden Saft.
„Hab gehört, dass du meiner Schwester H. angeboten hast.“ Seine kleinen drogenseligen Augen blitzten mich an. „Und sie darauf durchgedreht ist ...“ Ich zuckte nur mit den Schultern. Umklammerte die Flasche mit hartem Griff. Doch er blieb ruhig. „Mach dir nichts draus. Ist eine unwissende Schlampe. H. ist die neue Sache.“ Er lachte hart. Wissend des Ausmaßes. Der Welle, eines einzigen Schusses. „Ha ha ha. Man kann damit gut Geld verdienen. Viele bücken sich sogar dafür.“ Er fixierte mich. „Hast du dich schon dafür gebückt?“ Ich schüttelte angewidert den Kopf.
„Ne, versuche aufrecht zu bleiben.“ Er schlug sich auf die Schenkel.
„Ja, so siehst du aus.“ Dann plötzlich ernst. „Hast ganz schön Nerven hier aufzutauchen. Unser Bier zu saufen und unsere Mädels zu erregen!“ Ich wollte meine Situation nicht erklären. Kam sie mir so natürlich vor. Niemals zurück. Immer vorwärts. Wenn du sie nicht bezwingen kannst, mach sie zu Verbündeten.
„Lust auf etwas H? Ich kann uns was machen.“ Die Phrase wurde gedeutet.
„He he, darauf hab ich gewartet, Penner.“ Ich kramte mein Besteck und den Stoff hervor. Bohrte tiefer.
„Willst du nen Tropfer oder Nadel?“ Er schüttelte den Kopf. „Scheiße, bin ich Burroughs oder was? Natürlich ne Nadel! Keine Ahnung wie man das vernünftig mit einem Tropfer anstellt. Vermutlich muss man dafür schwul sein. Wegen der ruhigen Hand, meine ich.“ Ich kramte die Spritze raus.
„Mag sein. Ich kann mit dem Tropfer auch nicht immer gut umgehen. Morgens klappt es meistens noch. Je später die Droge benötigt wird, desto schwerer stelle ich mich mitm Tropfer an. Scheiße, erst einmal ne genügend große Öffnung graben. Man sucht nach einer roten Schnellstraße. Richtung Herz.“ Ich schaute ihn an. „Okay, hab eine fit gemacht ... Du zuerst.“ Terry rieb sich die Hände. Griff zu. Gierig.
„Dank dir“, flüsterte sein Teufel. Er schob den linken Ärmel hoch. Stach zu. In die erst beste Vene. Die er finden konnte. Seine lederne Haut dehnte sich. Bis sie sich schließlich öffnete. Er drückte kurz rein. Zog dann an der Spritze. Ein Poser in der besten Gesellschaft. Gerade beim Hole in One. Es wirkte cool. Lässig. Bedachte Bewegungen. Saugend seinen Saft. Zurück in die Spritze. Das Liquid verfärbte sich. Er war sicher, dass eine Ader gefunden hatte.
All right. Diese Methode. Bei erfahrenen Spritzern sehr beliebt. Die Vorstellung des Gewohnten. Den Junk dadurch in Schüben abzugeben. Die rote Grütze verbindet sich mit dem teuflischen Fluid. Wird stoßweise zum Herzschlag eingepumpt. Womöglich sanfter. Aberglaube. Wie bei jeder Droge.
„Geiler Stoff“, keuchte er. Zog sich die metallene Nadel aus dem Arm. Unwissender Nichtsnutz, dachte ich.
Keine H.-Kultur im Blut. Ich reinigte die Spritze. Zog sie erneut auf. Nahm mir eine Vene in der Armbeuge vor. Mit der anderen Hand zählte ich meinen Puls. Pumpte den Rest des Gifts im Takt in die Umlaufbahn. Tauchte in andere Welten. Atmete langsam aus. Es begann zu knallen. Es war die reinste Hölle. Hehehe, immer dieser Aberglaube. Jedoch, das H. war rein. Und es haute mich kurz von den Beinen. Der Schub, der zur Sinnlosigkeit wird.
I get the Blues. I get the Blues pretty mama. And you don’t get me right.
Abtauchen. Driften. Ertrinken. Im Sauerstoff. Schwammige Muskeln wabern der treibenden Erleuchtung entgegen. Ein Gefühl, als ob Urin das Bein runter läuft. Stetig, über Stunden. Aber es wird nicht kalt ...
Die Poren kribbeln und jubeln. Härchen tanzen zum Herzschlag. Stärken sich an dem pumpenden Rot. Das geräuschvoll durch die Venen strömt. Fleischige Fasern nehmen ächzend das H. auf. Werden wieder geschmeidig. Massieren die Sprödigkeit heraus. Du hörst dich. Deine Maschine. Alles arbeitet.
Ich dachte nach. Über meine Flucht. Was war geschehen? Was wurde aus mir? Diese sinnlose Verwandlung. Traumatischer als Kafkas. Was treibe ich für ein gefährliches Spiel? Was tat ich ihr damit an? Ob sie noch an mich dachte?
Bestimmt. Doch ich wünschte anders. Hoffte sie hielt mich für tot. Wäre besser. Für beide Seelen. Täglich betäubte ich jeden Gedanken an sie. Lebte weiter. Irgendwie. Machte meinen Scheiß. Der sie nicht mehr interessierte. Keinen. War wieder der Steppenwolf. Ach H. Deine noblen Worte beschreiben meine zerrissene Seele. Immer wieder kehre ich zu dir zurück. Selbstzerstörung, Alkohol. Drogen, lange Nächte. Partys. Feuer der Selbstverwirklichung. Bis die Sonne aufgeht. Und nur Asche bleibt. Die vom morgendlichen Wind weggetragen wird.
Wo ist der andauernde Funke? Wo die ewigen Taten von denen Generationen berichten werden? Es wird Zeit für eine neue Bewegung! Alles schon gejagt. Alles schon erlegt. Nichts befriedigt mehr den grauen Wolf. Ständig wiederholt sich sein Schicksal. Und das macht müde.
Liebe kam einst. Rettete uns aus diesem Dasein. Ich ließ den Wolf von der Kette. Gab ihm seine Freiheit zurück. Schüchtern schnuppernd kehrte er in den dunklen Wald. Stets ein Auge auf sein altes Heim gerichtet. Ich ignorierte seinen verächtlich fordernden Blick. Kam er zu nah, schmiss ich einen Stein nach ihm. Ich konnte mich nicht um ihn kümmern. War beschäftigt, einen Menschen in meinem Leben zu haben. Verbog mich für eine Frau. Mal wieder. Erlernte das verlorene Lieben. Passte mich an, um zu gefallen. Befriedigte, fickte sie und mich. Sie lernte meine Rastlosigkeit kennen. Wie viele Frauen vor ihr. Es war diese Zerrissenheit am Anfang. Die sie neugierig machte. Sie faszinierte. Es ist mein Mysterium, dass Mädels an mir anziehend finden. Manchmal sogar Typen.
„Ey, du hast ein interessantes Gesicht. Schreibst du?“
Was geht es dich an, Pisser. Fickt euch einfach alle. Ich bin nicht umsonst! Doch das ist unnützes Gewäsch. Es lief gut mit ihr.
Wir lernten uns kennen, als ich in ihre WG einzog. Wir teilten uns mit acht Leuten eine Etage in einem schäbigen Altbau. Vier Mösen und vier Schwänze und eine Küche.
Badezimmer gab es vier. Jeder hatte sein eigenes kleines Reich. Sogar einen großen Balkon hatten wir. Er schmiegte sich wie ein L um die Küche. Oft saß ich dort. Draußen. Betrank mich. Ließ meine Musik aus dem Lautsprecher brüllen. Ein paar von den Typen stiegen sofort darauf ein. Bis auf einen. Aber er war eine verlorene Seele. Hatte seinen Wolf schon früh getötet. Widerlicher Spießer. Hatte das Leben bis weit über den Tod hinaus durchgeplant. Ich hasste ihn. Brauchte ihn nicht.
Oft hing ich mit einer der Pussys herum. Wir rauchten gutes Marihuana. Tranken Bier und billigen Wein. Fast hätten wir was angefangen ... Doch dann kam sie. Ich wohnte schon ein, zwei Wochen dort. Hatte nichts vermisst bis zu diesem Zeitpunkt. Sie war unterwegs gewesen. Auf Reisen. Irgendwo in Fernost. Ihrer Heimat.
Ich hatte ab und zu schon mal ihren Namen von den anderen Typen gehört, die sabbernd von ihrer sprachen, stellte mir aber nie etwas dergleichen vor. Und musste schreiben:
Kleine, weiße, schüchterne Brüste fassen sich an wie vergangene Tage. Schmale, dürre Hüften werden umschlungen mit der Begierde des Lüsternen.
Ich esse deine Haut. Atme dein Haar. Ich stehle. Stehle deine Scheu. Nehme dir das Menschliche. Gebe dir das Animalische eines Jungtieres.
Wir sind nackt. Verschmelzung zweier Kulturen. Zu einem Licht. Schatten kämpfen. Seelen wandern frei. Herkunft ist vergessen. Zukunft ist der nächste Atemzug.
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