Hmm, sollte ich an die Scheibe klopfen? Noch vor einigen Stunden wollte ich diesem Mädel mein Herz schenken. Hatte ich mir in irgendeinem Rausch eingeredet, sie zu lieben? Wahrscheinlich. Vielleicht hatte ich sie ja auch geliebt. Nur es war schon wieder verflogen. Du unstetes Gefühl von Geborgenheit und Nähe. Bald nähe ich dich fest an meine Seele, damit du mich nicht immer aufs Neue täuschen kannst. Ah, fickt euch. Lass dem Schweinepriester seinen Spaß. Scheiß auf die Schlampe. Sie ist austauschbar. Nur wollte ich Ted da nicht so hängen lassen. Ich überlegte kurz, ließ ihn aber doch pennen. Wollte die anderen in ihrer Zweisamkeit nicht stören. Noch nicht.
Spuckend ging ich über den Rasen. Zurück zum Haus. Wurde mit meinem Körper einig, dass mittlerweile so viele Drogen mein Verhalten beeinflussten, dass sie sich gegenseitig blockierten. Break on through, hallte es von drinnen heraus.
Durchbrechen. Okay, warum nicht. Doch, entweder bin ich zweimal durchgebrochen und wieder an der gleichen Stelle angekommen, an der ich startete, oder ich bin so high, dass der Instinkt das Handeln übernommen hat. Und nicht das anerzogene Denken. Beides bestens.
So trottete ich dahin und dachte mir, dass jede Passage eine Langatmigkeit braucht, um das Tempo zu definieren. „Wie auch immer du meinst“, sprach ich zu mir selbst. Um die weitere Diskussion im Keim zu ersticken.
Ich blieb vor dem Haus stehen und betrachtete die Maschinen des MCs. Gütiger Gott. Nur leichte, gechoppte Bikes. Mit viel Chrom und Sissybars. Nett anzuschauen, aber scheiße zu reiten. Keine Bikes für lange Runs. Außer, man hat Adolfs Rückgrat als Ersatz dabei. Langgezogene Gabeln, Wendekreis wie ein Truck. Nieten und Eiserne Kreuze. Kleinere Tanks im Vergleich zur Serie. Die meisten Harleys. Einige wenige Japaner. Trotz, oder gerade wegen, meiner Herkunft war ich absolut der Norton, BSA, Triumph Typ. Café Racer halt. Ace Café, Ace of spades. Dafür takte ich.
Ich wollte ein paar Benzinleitungen kappen. Konnte mein Messer aber nicht finden. So spuckte ich stattdessen auf eine Sitzbank. Ging wieder rein. Kein Anzeichen von Joel so weit. Was hatte er bloß zu erledigen? Im Prinzip egal. Ein weiterer Zwischenstopp auf dem Weg zur Hölle. Ich hatte die Schlüssel.
„Liz.“ Brüllte ich. Sie stand etwas abseits. Lächelte mich an, als sie mich sah. Wartete anscheinend auf mich. Lehnte an einer Anrichte und wippte im Blues. Ich schubste eine betrunkene Alte weg, die mich mit ihrem ausladenden Tanzstil anrempelte. Drehte mir zur Tarnung schnell eine Kippe. Dann spitzte ich Messers Schneide. „Liz. Lass uns etwas H. kochen.“ Sie sah mir in die Augen. Böse.
„Scheiße. Was? H.?“ Ihr Lächeln fror ein.
„Ja“, erwiderte ich. „Das böse H.“ Wobei ich es als Buchstaben aussprach. H ... „Hörst du nicht die Musik?“ Meine Finger wirbelten durch die Luft. „Denk doch an Pam. Sie macht bestimmt das Gleiche, wenn Jim tourt.“ Sie fanden Ruhe auf ihrer Hüfte. „Einsam und stumpf. Das ist unser Schicksal. Für heute Nacht. Lass uns zu zweit sein.“ Ich wollte sie zurück zur Toilette führen. War meiner Sache sicher. Doch sie ließ sich nicht ermuntern. Wandte sich wie ein zerteilter Wurm.
„Vergiss es! Ich drücke nicht.“ Lautstarker Ausdruck ihrer Selbst. Ich lächelte müde. Nickte nachgiebig.
„Ich auch nicht. Wollte dich nur testen.“ Das war zu viel für sie. Hatte anscheinend eine alte Wunde aufgekratzt.
„Du bist echt ein Freak!“ Sie brüllte mich plötzlich an. Die Frequenzen breiteten sich im Raum aus. Ein paar von den umstehenden Kutten wurden aufmerksam. „Was laberst du die ganze Zeit für eine Scheiße? Ich komme gerade echt nicht klar auf dein Verhalten.“ Was sollte das? Was ist Los? Der Mix, den wir uns gegeben hatten, schob er bei ihr einen anderen Film? Warum werden Frauen nur immer so verdammt emotional? Am liebsten hätte ich ihr in die Schnauze gehauen. Nur um ihr die Fresse zu stopfen. Jesus, war ich wieder gut drauf.
„Scheiße, was ist los mit uns? Wo ist das Verständnis hin“, brüllte ich zurück. Das war das Signal. Für die Meute.
Zwei Rocker kamen näher. Stellten sich links und rechts neben mich. Reihten sich auf. Einer war offensichtlich der Sprecher. Der andere zum Züchtigen. Mit tiefer Stimme fing das Verhör an.
„Liz, ist hier alles klar?“ Es war eigentlich keine Frage. Es lag auf der Hand, dass hier etwas im Unreinen war.
„Ja, hier ist alles klar“, antwortete ich anstelle. „Was soll das überhaupt? Sie ist doch keine von euren Old Ladies, also was kümmert es euch überhaupt.“ Gab ich leichtsinnig zurück, ohne gefragt worden zu sein.
Der Stille holte aus zum Schlag. Langsam. Ich zählte gedanklich meine Zähne mit der Zunge. Damit ich sie später besser zuordnen konnte. Doch Liz hielt ihn zurück. Knapp vor dem wuchtigen Einschlag. Erklärte, dass ich in Ordnung sei. Nur zu viel vom selbstgebrauten Cocktail drin hatte. Dann schob sie beide weg. Mit leicht angedeuteter Geste. Unglaublicherweise folgten sie dem Befehl. Verzogen sich. Zurück in den Schatten. Schauten dabei grimmig. Und behielten stetig ein Auge auf mich gerichtet.
Es schüttelte mich. Kurz aber heftig.
„Danke“, fing ich an. „Und entschuldige.“ Ich reumütiger Hund, ich. Widerlich. Wie tief kann ich mich noch bücken? Doch sie nahm es gelassen.
„Schon gut. Bin ja auch nicht mehr ganz klar.“ Ich brauchte einen Drink. Gegen das Zittern. Ging kurz los. Holte aus der Küche zwei Dosen Flüssigbrot. Das schale Bier hatte ich weggeschüttet. Wir stießen versöhnend an. Und kippten die Hälfte in unseren Schlund.
„Sag mal.“ Ich musste rülpsen. „Wenn du keine von deren Ladys bist ... Was machen sich die Kerle so einen Kopf um dein Befinden, hmm?“ Sie schaute mich mitleidig an. Denn es lag auf der Hand. Dann kam es über mich. Wie ein Orgasmus. Nur nicht so schön. Gott, ich stumpfer Idiot. Hab doch sonst nie Schwierigkeiten, Zusammenhänge zu erkennen. Sie war wichtig. Ihre Erklärung hallte nach.
„Ich bin die Schwester von Terry.“ Terry, terry, tery, try, ty.
„Terry“, wiederholte ich halbherzig fragend. Kannte die Antwort aber. War ja nicht gänzlich weltfremd.
„Ja, Terry. Der VP des MCs.“ Schob sie nach. Ohne Ausdruck. Ohne Durchklang der eigentlichen Hebelwirkung. Ihrer Position. Ich nahm erneut einen kräftigen Schluck. War in einer Art Starre gefangen. Rekapitulierte. Ja, es würde sich nun schnell herumsprechen, dass ich mit der Schwester des VPs einen Streit hatte. Wenn auch nur ein kurzer, lautstarker Austausch stattfand. Früher oder später musste ich mich dafür verantworten. Und wenn Liz nicht erneut für mich eintreten sollte, konnte ich meine Rippen auch gleich nummerieren. Langsam strich ich mit meinen Fingern darüber. Flucht nach vorne.
„Entschuldige mich kurz“, prostete ich ihr zu. „Muss schon wieder aufs Klo.“ Tauchte kurzerhand los. Versuchte möglichst anonym zu bleiben. Begegnete während meiner aufbäumenden Paranoia vielen schrägen Vögeln. Gott beneide ich den Dicken gerade. Draußen im schützenden Wagen. Die Hose offen. Fürs Gehänge ist gesorgt. Mollig warm und feucht. Tropfsteinhöhle. Rein und raus. Raus und rein. Ich schloss die Tür hinter mir. Packte meinen Schwanz aus, um mich zu erleichtern. Es kam gelblich. Sprudelte stark. Ich stöhnte erleichtert, als es hart an der Tür klopfte. Während des Mittelstrahls. Als ich furzen wollte. Ich drehte meinen Kopf. „Gleich fertig“, rief ich.
„Gleich fertig“, hallte es von draußen fordernd fragend wieder. Das Klopfen wurde zum Hämmern.
„Ja, ja. Schon gut!“ Angestrengt pisste ich zu Ende. Packte ein. Öffnete die Tür. Ohne zu spülen. Vor mir stand ein langhaariger, bärtiger Typ. Mit Kutte. Auf seinem Patch war VP gestickt. „Hi Terry“, begrüßte ich ihn. Er schob mich zurück. Schloss hinter sich zu. Kurze Pause. Regenerierung der Gedankenstränge. „Ähm, ich würde dir ja gerne die Hand schütteln. Aber ich habe sie mir noch nicht gewaschen.“ Abschätzende Verständnislosigkeit. Beiderseits.
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