Ewe ist die am meisten gesprochene Sprache Togos. Die Ewe stellen neben den Kabiyé das größte Volk dar. In Togo gibt es rund 40 verschiedene Ethnien, die zum Großteil ihre eigene Sprache sprechen. Die meisten Togolesen sprechen darüber hinaus französisch. Französisch ist die offizielle Amtssprache Togos, die in den Schulen gelehrt und gesprochen wird.
Im CARED, wo vor kurzer Zeit noch Spinnen gehaust hatten, tobte nun das Leben. Das Waisenhaus wurde jetzt von einem Dutzend junger Leute bewohnt. Neben Ami und uns Freiwilligen lebten noch drei togoische Jungs, in dem Haus, Eric, Edi und Nyedzi. Sie schienen alle für Honoré zu arbeiten. Die beiden erstgenannten waren nicht viel älter als 20 Jahre . Nyedzi war 27 Jahre alt und besaß das breiteste und strahlendste Lächeln Togos. Er war drahtig, muskulös und von einer sympathischen, einnehmenden Art. Honorés Frau Aku kam beinahe täglich mit ihren zwei Söhnen Jacques und Jean-Paul vorbei. Außerdem kamen auch immer wieder Jungs aus dem angrenzenden Dorf zu uns. Zu ihnen zählte auch Kodjo, der ebenfalls für Honoré arbeitete. Bereits nach zwei Tagen in Togo machte dieser mir den ersten von vielen weiteren Heiratsanträgen, die folgen sollten. Kodjo hatte einen kleinen Strauß Blumen gepflückt. Im Garten des Hauses gab er sie mir und stellte die große Frage. Er lächelte mich breit an und seine schiefen Zähne waren zu sehen. Ich hielt das für einen Spaß, guckte ihn herausfordernd an und sagte: „Vielleicht“. Dann fragte Kodjo, wo mein Geschenk für ihn sei. Ich hätte doch bestimmt etwas aus Europa für ihn mitgebracht. Das schien er nun ganz ernst zu meinen. Mit einer ausweichenden Antwort verzog ich mich ins Haus. Von nun an hatte ich einige Mühe damit, Kodjo auf Distanz zu halten. Alle weiteren Anträge lehnte ich in Zukunft vehement ab.
Der gemauerte Schweinestall lag in der hintersten Ecke des Gartens. Besonders nachts, wenn alles still war, hörten die Mädchen in dem nächstgelegenen Zimmer die Schweine grunzen und quieken. Eines Nachmittags, als wir gerade zum Französischkurs zusammen saßen, hörten wir einen lauten Schrei, der uns erschauern ließ. Wir stürzten in den Garten.
Kodjo stand auf der Terrasse. In der linken Hand hielt er ein kleines Messer mit einem Plastikgriff. Er hatte eines der jungen Schweine getötet. Ein Eimer Blut stand neben dem toten Tier. Das Schwein lag auf der Seite und blutete aus der Halsschlagader. Kodjo lachte über den Ausdruck auf unseren Gesichtern und setzte seine Arbeit fort. Er nahm eine Rasierklinge in die Hand und begann, die Borsten von der dicken, rosafarbenen Schweinehaut abzuschaben. Ich bekam Gänsehaut, hatte wenig Lust, mir das weiter anzuschauen und ging wieder ins Haus. Kurz darauf folgten weitere laute Geräusche, die bis in jedes Zimmer vordrangen. Es klang so, als würde jemand mit einer Axt Holz hacken, als Kodjo das Schwein mit seinem Beil in einzelne Teile zerlegte.
Die Schweinezucht im Garten.
Kodjo entfernt die Borsten des toten Schweins mithilfe einer Rasierklinge.
An der Außenseite des Hauses gab es einen Wasseranschluss. Zum Duschen und für die Toilettenspülung mussten wir uns dort das Wasser holen. Mehrmals täglich befüllten wir Plastikeimer mit Wasser und trugen sie in die Dusch- und Toilettenräume. In der Dusche gab es weitere Plastikgefäße, mit denen wir uns das kalte Wasser portionsweise über den Körper schütten konnten. Manchmal hörte man es im Vorbeigehen aus den belegten Duschkabinen schnaufen und japsen, weil das Wasser eiskalt war. Aus anderen Duschen hörte man es manchmal kichern. Mit großer Belustigung nahmen wir Freiwilligen zur Kenntnis, dass die togoischen Jungs dort zusammen ihre Dusche nahmen. Eric und Nyedzi bespritzten sich gegenseitig mit dem kalten Wasser und amüsierten sich dabei köstlich.
Für uns Mädchen bestand das größte Problem in der Haarwäsche. Das Shampoo wieder aus den Haaren herauszubekommen, war besonders für Luisa und Felice mit ihren langen braunen Mähnen eine langwierige Sache. Mit den kleinen Plastikgefäßen konnte man sich immer nur kleine Mengen Wasser über den Kopf gießen. Dieses Wasser floss dann natürlich auch nur sachte über den Kopf. Eine ganz schöne Umstellung, denn wir waren aus Deutschland natürlich Duschbrausen mit hohem Wasserdruck gewohnt.
Die Landschaft, in die das alte Waisenhaus eingebettet war, war von üppigem Grün und sehr schön. Ganz anders, als man sich als Durchschnittseuropäer eine afrikanische Landschaft so vorstellt. An den Straßenrändern wuchs hohes, sattes Gras und überall standen Bananenbäume, Akazien, Teakbäume oder Fächerpalmen. Da das Waisenhaus am Fuße eines wild bewachsenen kleinen Berges lag, wurde es in dem Haus vor allem in der Nacht ziemlich kühl. Zum Schlafen hatte ich einen Jugendherbergsschlafsack dabei. Der stellte sich schnell als zu dünn heraus und ich deckte mich zusätzlich mit meiner hellblauen Regenjacke zu. Da ich sie vorher als Kopfkissen benutzt hatte, gab es nun kein Kissen mehr für mich, aber immerhin war es nicht mehr so kalt. Nun hielt mich nicht mehr die Kälte vom Schlafen ab, aber dafür andere Aktivitäten in unserem Zimmer. Es raschelte in den Ecken des Raumes, Nachtfalter und Moskitos schwirrten um die Betten herum und irgendetwas huschte über mein Moskitonetz. Das machte mich nervös. Ich griff nach meiner Taschenlampe und leuchtete das Netz von unten aus und entdeckte den Verursacher der Geräusche:
Ein Gecko auf der Außenseite meines Moskitonetzes.
Das Phänomen klärte sich und ich schlief ruhiger. Allerdings nur bis drei oder vier Uhr. Dann begannen die Hähne zu krähen. Auf die Morgendämmerung zu warten, kam ihnen nicht in den Sinn.
Neben dem wenigen Schlaf litt ich, genau wie alle anderen, am Kommunikationsentzug. Es war an der Zeit, dass wir uns ein Handy besorgten. Dafür mussten wir nach Kpalimé in die Stadt. Die 2 bis 3 Kilometer zu Fuß zurückzulegen, darauf hatten wir angesichts der sengenden Hitze wenig Lust. Ein Motorradtaxi musste her. Die Motos, wie die kleinen Motorräder in Togo genannt werden, ruft man sich als Fußgänger von der Straße heran. Dafür genügt ein Winken mit der Hand. Dass ein togoisches Heranwinken dieselbe Geste wie ein deutsches „Geh-weg-Winken“ ist, muss man dabei erstmal verinnerlichen. Auch auf Quietschen oder Zischen reagieren die Motorradfahrer. Gezischt wird mit aufeinandergestellten Zähnen und gequietscht mithilfe eines Kussmundes, durch den die Atemluft eingesogen wird. Hält ein Moto an, sollte man vor dem Aufsteigen nicht versäumen, mit dem Fahrer den Preis zu verhandeln. Gerade Weißen wird gerne ein höherer Fahrtpreis berechnet. Da wir am Anfang immer in Begleitung von Honorés Mitarbeitern waren, hatten wir das in der ersten Zeit jedoch nicht zu befürchten. Dann hieß es also aufsteigen. Immer von links, damit man sich den Fuß nicht an dem glühend heißen Auspuff verbrennt. Felice ist das einmal passiert. Eine fiese Brandwunde hat das gegeben.
Vorbei an der schönen grünen Landschaft, die das Waisenhaus umgab und im flotten Zickzack um die vielen Schlaglöcher herum, brausten wir in die Stadt. Wir kauften uns jeder ein Mobiltelefon, Thorsten erstand ein Paar überteuerte Sandalen und ich fand auf dem Markt noch ein kleines, mit Daunen gefülltes Kissen.
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