Bei seinen letzten Worten trat Cameon stark auf die Bremse, so dass der Wagen mit einem Ruck stehen blieb und ich unsanft mit dem Sicherheitsgurt in Berührung kam.
„Hey, geht’s noch?“, fuhr ich ihn an und rieb mir meine schmerzende Schulter. Ich sah mich um und war überrascht, dass wir tatsächlich schon auf dem Schulparkplatz standen. Sein Gerede hatte mich so fasziniert, dass ich überhaupt nicht auf den Weg geachtet hatte. Seine Ausführungen waren interessant und aufschlussreich, gar keine Frage. Aber gleichzeitig war ich auch mal wieder überrascht, wie geschickt Cameon um den heißen Brei herumreden konnte und meine Aufmerksamkeit von den Elben, schnell auf Sylvio und Adelaide lenken wollte. Na, so einfach sollte er mir nicht davonkommen. Ein bisschen mehr musste er mir schon noch erzählen.
„Welche Zaubertricks Sylvio und Adelaide drauf haben, kann ich die beiden bei Gelegenheit ja selber fragen. Ich wollte doch etwas über dich wissen. Wenn wir länger zusammenbleiben wollen, möchte ich schon erfahren, über welche Fähigkeiten du verfügst.“
Upps! Das klang jetzt fast wie ein Ultimatum. So sollte das nun auch nicht rüberkommen. Aber mal ganz ehrlich, dieses Herumeiern, um diese doofen Elbengeheimnisse hatte ich wirklich satt. Ein bisschen mehr Wahrheit konnte ich schon vertragen.
Zerknirscht schielte ich zu meinem Freund hinüber und tatsächlich guckte mich Cameon etwas seltsam an, als er meinte:
„Natürlich bleiben wir zusammen, was für eine Frage! Jedenfalls so lange, bis du es vielleicht nicht mehr mit mir aushalten willst. Und meine kleinen Tricks, wie du sie nennst, lernst du unweigerlich kennen, wenn wir zusammen nach Gorachod Gwlad reisen. Hier auf der Erde versuche ich mich so zu verhalten wie ein normaler Mensch und benutze euren technischen Schnickschnack, den es bei uns eher nicht gibt. Du wirst schon sehen. Also lass dich überraschen!“
„Okay, lass ich mich halt überraschen. Ich möchte aber schon etwas Spektakuläres von dir sehen, dass du das nur weißt!“, lenkte ich ein. „Aber eure Sprache ist für mich immer noch ein Buch mit sieben Siegeln. Aidan hatte mir euer Land damals als ‚segreto mundo‘ also ‚die geheime Welt‘ vorgestellt. Das klingt doch viel schöner, als Gorachod Gwlad.“
Cameons Miene hellte sich wieder auf. Na bitte! Man musste sich nur ein bisschen naiv anstellen und schon hatten die Männer auch wieder bessere Laune. Er grinste mich an und meinte:
„Es ist mir klar, dass unsere Sprache für eure Zungen schwierig ist. Aber als meine Gefährtin solltest du dir schon etwas Mühe geben und sie wenigstens im Ansatz erlernen!“
Peng! Jetzt war es an mir, seltsam zu gucken. Da sollte er sich jetzt mal nicht zu viel Hoffnung machen, dass ich dieses seltsame Kauderwelsch jemals verstehen würde. Aber weil ich ihn nicht gleich wieder vor den Kopf stoßen wollte, säuselte ich:
„Natürlich werde ich mir Mühe geben.“, und lenkte schnell mit der Frage ab: „Was sind denn das für Schildpriester, die du vorher erwähnt hattest? Beschwören die etwa eure Schilde, bevor ihr als Krieger in den Kampf zieht?“
„Nein. Nicht unsere Kampfschilde. Aber du bist nahe dran. Wir haben über unser Land einen Schutzschild gelegt, der jegliche fremde Technik lahmlegt und diesen Schild halten die Priester aufrecht. Wer uns also annektieren will, muss schon auf herkömmliche Weise bei uns einmarschieren. Und weil wir in dieser Art des Kampfes überlegen sind, haben wir mit unseren technikverliebten Nachbarn ein gutes Zweckbündnis und einen relativ sicheren Frieden.“
Aha! Mit diesen Nachbarn, die gerne mal eine feindliche Übernahme starten würden, konnte er ja nur die Duwiau meinen. Ein paar von diesen überheblichen Leuten, die sich hier auf der Erde gerne selber Götter nennen, hatte ich ja schon kennengelernt und konnte mir deshalb gut vorstellen wie unangenehm dieses Volk als Nachbar war.
„So richtig rund läuft’s bei euch wohl auch nicht, oder? Diese Art von Abschottung erinnert mich ja stark an den Eisernen Vorhang in Europa und an die Zonengrenze in Deutschland.“, merkte ich spöttisch an. Dann kam mir noch ein schrecklicher Gedanke: „Sag jetzt bloß nicht, dass jemand sofort und ohne zu fragen getötet wird, wenn er eure Grenze überschreitet.“
Entsetzt hob Cameon beide Hände:
„Nein! Natürlich nicht! Da stehen die Götter vor. Wie kommst du nur auf solch eine Idee? Wir pflegen mit unseren Nachbarn schon Kontakte, die sollen nur mit ihrem schweren Gerät fernbleiben und die Füße stillhalten. Weißt du, eine gewisse Vorsicht ist immer angebracht.“
Der war ja lustig, mich zu fragen wie ich auf solche Ideen kam. Unsere Welt und speziell mein Heimatland hatten da doch ihre ganz eigenen und besonderen Beispiele. Aber es war gut zu hören, dass es auf Seren Saethu anscheinend besser lief. Cameon machte auf mich den Eindruck, für heute genug preisgegeben zu haben. Aus meinem Freund würde ich also nichts mehr herauskriegen, aber zum Glück hatte ich ja noch andere Kontakte, die ich zu diesem Thema befragen konnte. Guendalina als Elbin und Caja als Duwiau-Halbling würden sich wohl auch bestens mit den Gegebenheiten auf diesem seltsamen Planeten auskennen. Ich nahm mir also vor, die beiden bei der nächstbesten Gelegenheit dazu auszufragen. Und wenn man vom Teufel spricht, kommt er auch schon um die Ecke.
Caja und Guendalina hatten wahrscheinlich Cameons Auto auf dem Parkplatz erspäht und kamen nun wild winkend auf uns zugelaufen. Cameon war augenscheinlich froh, dass ich ihn nicht weiter ausquetschen konnte und meinte sichtlich erleichtert:
„Da kommt dein Empfangskomitee. Mach dich also bereit für Kaffee, Kuchen und Küsschen.“
„Dafür bin ich immer bereit.“, gab ich augenzwinkernd zu.
Mit diesen Worten stieg ich voller Vorfreude aus dem Wagen und lief meinen Freundinnen mit einem breiten Grinsen im Gesicht entgegen.
„Ja wo bleibt ihr denn so lange?“, rief Caja und umarmte mich. „Aveline muss Mrs. Smith schon mit Gewalt daran hindern alle halbe Stunde neuen Kaffee zu kochen, weil sie meint, dass dir der nur frisch richtig gut schmeckt. Und Patrick macht uns irre mit der Deko. Wenn du nicht bald kommst, versinken wir in Girlanden und Luftballons.“
Guendalina umarmte mich ebenfalls und meinte lachend:
„Stimmt. Komm schnell mit! Patrick läuft in der Tat herum wie ein aufgescheuchtes Huhn und macht alle verrückt.“
Sie nahm mich kurzerhand am Arm und zog mich in Richtung der Wohnhäuser. Cameon kam gar nicht so schnell hinterher. Aber wahrscheinlich trödelte er mit Absicht, weil er sich die wilde Wiedersehensfreude mit meinen Freunden ersparen wollte. Egal. Ich freute mich jedenfalls riesig wieder hier zu sein.
Aber selbst mir, wo ich schon mit allem gerechnet hatte, blieb fast die Spucke weg, als ich unseren sonst so schlichten Aufenthaltsraum betrat. Luftschlangen, Girlanden und Luftballons wohin man auch schaute. Das sah aus wie der reinste Kindergeburtstag. Aber was hatte ich erwartet? Eigentlich hätte ich mit so etwas rechnen müssen, denn wenn man Patrick freie Hand ließ, war so ein Ergebnis eigentlich vorauszusehen. Dann kamen alle Leute auf einmal auf mich zugestürzt um mich zu umarmen und willkommen zu heißen.
Patrick quetschte mich an seine Brust und schniefte ein wenig:
„Hallo Schätzchen. Schön, dich wieder in einem Stück da zu haben.“
Aveline befreite mich von ihm, indem sie ihn einfach zur Seite schubste. Ihre Umarmung fiel deutlich sanfter aus und sie meinte lachend:
„Gut, dass du wieder da bist. Patrick hat uns mit seiner Sorge um dich fast den Verstand geraubt“
„Na ich bin halt ein mitfühlender Mensch.“, meinte der ein wenig beleidigt und zischte ab.
Sogar Adelaide, Giada und Miss Shepherd waren da, aber die begnügten sich wirklich mit einer kurzen Umarmung und den üblichen Begrüßungsfloskeln. Bei Mrs. Smith allerdings nahm die Begrüßung leicht dramatische Formen an, denn sie fing tatsächlich an zu weinen und jammerte während sie mich an ihren Busen drückte:
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