Weiß der Himmel, was Sylvio an der Zicke Erato schön findet. Auf jeden Fall freute sie sich über solch einen Liebesbeweis und Sylvio bekam dafür auch das, was er sich erhofft hatte. Nur, die dumme Pute Erato konnte es nicht lassen und prahlte mit dem Ding herum. Wie das nun einmal so ist, Schlechtigkeiten verbreiten sich ziemlich schnell und Aphrodite bekam Wind von der Sache. Sylvio würde also ganz schön in Schwierigkeiten und Erklärungsnöten stecken wenn sie ihn erwischte, denn mit Aphrodite war angeblich nicht gut Kirschen essen. Also konnte man gespannt sein, wie er sich aus dieser Affäre ziehen würde. Er ist zwar ein Schlitzohr aber ich mag ihn ganz gern und deshalb hoffte ich mal für Sylvio, dass der Zusammenprall mit der Göttin nicht gar so schlimm für ihn ausging. Wenn Erato Ärger bekäme, wäre mir das allerdings sehr recht, schließlich hatte sie mir ja im letzten Sommer eine elbische Auftragskillerin auf den Hals gehetzt. Nicht dass ich etwa nachtragend wäre. Nein, nein.
Und die Neuigkeiten die mich persönlich betrafen waren die, dass Cameon mit Rektorin Wyler übereingekommen war, bis zum Sommer am College zu verbleiben, um dann gemeinsam mit uns durch das Portal nach Seren Saethu ins Elbenland zu reisen. Bis dahin sollte er sie unterstützen und mich in die Lebensweise in diesem fremden Land einweisen.
Das waren sehr gute Nachrichten für mich. Na ja, dass ich mit Cameon noch ein ganzes halbes Jahr ungestört zusammen sein konnte, fand ich schön. Danach würde es dann wohl auf eine Fernbeziehung hinauslaufen. Auf den anderen Quatsch, wie zum Beispiel: Hofprotokoll und allgemeine Anstandsformen, konnte ich gut verzichten, denn das hörte sich nach viel langweiliger Arbeit an.
Fast hätten wir vor lauter Quatscherei und natürlich ein bisschen rumknutschen, die Zeit vergessen. Aber mein Freund war in Sachen Pünktlichkeit ein bisschen oldschool, deshalb meinte er nach einer Weile:
„Lass uns mal lieber losfahren! Als brave Schüler müssten wir schon längst da sein.“
Also gingen wir zurück zum Auto und ich traf dann eine Feststellung, bei der mir im Vorfeld schon klar war, wie richtig ich damit lag.
„Du bist bestimmt froh, wenn du hier nicht mehr den Schüler spielen musst und endlich wieder dein Elbenkrieger-Leben fortführen kannst. Stimmt's?“
Ich wusste, dass dem so war. Obwohl ich mir wünschte, es wäre anders. Wer konnte schon wissen, wie oft wir uns wiedersehen würden? Ehrlich gesagt, hatte ich ein bisschen Schiss, dass Cameon mich vergessen würde, wenn er wieder in seiner Welt unterwegs wäre.
„Für dich habe ich das doch sehr gerne getan und tue es auch immer wieder, wenn nötig.“, meinte er und gab mir schnell noch einen Kuss, weil er merkte wie traurig mich unsere bevorstehende Trennung machte. „Aber du hast recht. Ich habe auch noch andere Verpflichtungen und in meinem Alter ist Schule auch eher nicht mehr nötig. Meine vierzigjährige Schulzeit habe ich schließlich schon abgesessen.“
Hä??? Ungläubig und geschockt guckte ich ihn an.
„VIERZIG JAHRE? Um Himmels Willen, was habt ihr denn da alles zu lernen?“
Bei näherer Betrachtung ließ mich die Zahl Vierzig schaudern. Obwohl, bei der Lebenserwartung, die ein Elb hat, waren vierzig Jahre eine lächerliche Zeit. Trotzdem, wer braucht schon vier Jahrzehnte Schule? Ich bestimmt nicht!!!
Cameon, der ja schon an die tausend Jahre auf dem Buckel hatte und sich wohl kaum noch an seine Schulzeit erinnern konnte, brach in Gelächter aus, als er mein entsetztes Gesicht sah.
„Guck nicht so merkwürdig!“, meinte er ein wenig herablassend. „Diese Zeitspanne ist schon von Nöten. Zwanzig Jahre davon sind dem allgemeinem Grundwissen vorbehalten und dann kommen, je nach Qualifikation, Talent und Neigung, zwanzig Jahre Fachunterricht dazu. Dafür können wir dann auch Dinge, die ihr Menschen nicht könnt.“
„Ist ja gut, ich glaub's dir“, gab ich genervt zurück. Überheblichkeit kann ich überhaupt nicht leiden, damit brauchte er mir nicht zu kommen. Aber neugierig war ich doch und fragte deshalb noch einmal:
„Was lernt ihr denn so alles in eurer Schule?“
Er blieb stehen und kratzte sich am Kinn, was mich in meiner Vermutung zu bestätigen schien, dass seine Schulzeit schon länger zurücklag und er sich nicht mehr an alles erinnern konnte. Aber da irrte ich mich mal wieder. Anscheinend hatte er nur überlegt, wie viel er preisgeben wollte, denn er fing an zu erzählen und ich bekam einige seltsame Unterrichtsfächer aufgezählt:
„So ähnlich wie bei euch gibt es natürlich Unterricht im Zahlenverständnis, aber bei uns sind auch Bauwesen und Architektur dabei. Dann Sprache in Wort und Schrift, unter anderem auch Fremdsprachen aus anderen Welten. Für einen Krieger ist es nämlich wichtig, seinen Feind zu verstehen. Kampf- und Kriegstechniken inklusive Waffenkunde. Du kannst dir sicher denken wozu diese Fähigkeiten gut sind. Tierpflege, Nutzpflanzen, Kräuter- und Heilkunde erklären sich auch von selbst. Dann gibt es noch das Fach für naturgebundene Magie und die Beherrschung der Elemente, welches für die Heiler sowie für die Schildpriester wichtig ist. So das war alles. Lass uns nun losfahren!“
Damit setzte er sich wieder in Bewegung und ging zum Auto. Aber ich blieb wie angewurzelt stehen und rief hinter ihm her:
„Magie? Beherrschung der Elemente? Und was sind bitteschön Schildpriester?“
Ich hatte wohl zu laut geschrien, denn ungeduldig winkte Cameon mich heran. Wieder zu mir zurückzukommen fiel ihm gar nicht ein. Also trottete ich zum Auto und stellte erneut, aber diesmal etwas leiser, meine Frage. Es war zwar weit und breit kein Mensch in Sicht, aber falls doch jemand in Rufnähe war, brauchte derjenige ja nicht gleich mitzukriegen über welch seltsamen Sachen wir redeten.
„Nun sag schon! Du beherrscht Magie und die Elemente? Wie geht das? Und warum habe ich noch keine magischen Tricks bei dir gesehen?“
„Steig endlich ins Auto!“, kommandierte er ungeduldig. „Dann erkläre ich dir ein bisschen. Aber um es im Ganzen zu verstehen, braucht es mehr Zeit als wir jetzt haben.“
Natürlich! Ich bekam ja immer nur das Nötigste erklärt und auch nur auf Nachfrage. War ich inzwischen ja gewohnt. Ich wurde mit solchen überraschenden Dingen stets dann erst konfrontiert, wenn es bald zu spät war. Typische elbische Geheimniskrämerei eben.
Ein wenig unmutig ließ ich mich auf den Beifahrersitz plumpsen und guckte Cameon gespannt an.
„Jetzt erzähl schon! Welche magischen Sachen kannst du?“, bohrte ich weiter. Unglaublich, dass man diesen Kerlen immer alles einzeln aus der Nase ziehen musste.
Er spannte meine Geduld wirklich auf die Folter, indem er in aller Seelenruhe zuerst den Motor startete und langsam anfuhr. Aber als ich schon glaubte, mein Freund bekäme seinen Mund nie wieder auf, fing er an zu reden:
„Nun, wir Elben beherrschen die Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde auf gewisse Weise. Wer besonders begabt ist setzt nach der Schulzeit seine Studien bei einem Meister fort und strebt nach Perfektion auf seinem Gebiet. Unsere Magie beziehen wir aus der Natur. Zum Beispiel geben uns Bäume, Gewässer und Erze ihre Kraft, deshalb sind wir bestrebt die Natur zu achten und sie gesund zu halten. Und du hast aus dem Grund noch keine Magie bei mir gesehen, weil wir Elben, in Gegenwart von Menschen, sehr vorsichtig damit umgehen. Es würde zu viele unangenehme Fragen aufwerfen, die wir nicht gerne beantworten würden. Außerdem können wir unsere Fähigkeiten hier auf der Erde nicht mehr voll entfalten, weil bei euch nicht mehr viel von der freien und wilden Magie übrig ist, die nötig wäre. Das liegt zum Teil an eurer Technik, die ihr so hoch lobt und an der unüberlegten Ausbeutung der Natur. Hier auf der Erde leben eure alten magischen Wesen schon sehr eingeschränkt, weil es nur noch so wenig unberührte Natur gibt. Einen Satyr und eine Undine hast du ja schon kennengelernt und du würdest staunen, was Sylvio im Wald und Adelaide im Wasser, alles imstande sind zu bewirken. Bist du mit meinen Erklärungen zufrieden? Mehr gibt’s jetzt auch nicht. Wir sind nämlich da.“
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