„Mache dir nicht zu große Sorgen, Conor. Wie sagt man so treffend: Bellende Hunde beißen nicht. Ich kenne die beiden Farmer ganz gut. Die benehmen sich immer so, vor allem, wenn es um die Sicherheit ihrer Schafe geht. Das mit den Reifen würde ich nicht so ernst nehmen oder überbewerten. Damit wollen sie ihre Aggressionen abreagieren. Aber glaube mir, morgen schon werden sie sich selbst darüber ärgern. Übrigens fand ich deinen Vortrag sehr informativ und überzeugend. Und ich glaube die meisten Bewohner sehen das Projekt nicht mehr so kritisch wie vielleicht noch zuvor. Ganz im Gegenteil, viele sehen inzwischen darin eher eine große Chance denn ein Risiko für unseren kleinen Ort.“
„Danke, deine Worte geben mir doch wieder Mut zum Weitermachen. Bei der Demonstration offener Feindschaft der beiden Schaffarmer mir gegenüber hatte ich schon erhebliche Bedenken.“
„Das kann ich gut verstehen. Die beiden können einem schon Angst machen. Ich werde mich morgen früh um die Reparatur deines Geländewagens kümmern. Ein paar Meilen vor deinem Cottage unterhält Thomas òSullivan eine Reparaturwerkstatt für größere Maschinen wie Traktoren und Bagger. Der repariert aber sicher auch deinen Jeep, wenn ich ihn darum bitte. Ich hoffe, wir sehen uns trotz der unschönen Szenen von heute Abend doch noch öfter. Übrigens ist an jedem Sonntagabend bei mir im Pub Livemusik. Das ist immer sehr gesellig und du kannst viele Leute aus dem Ort kennen lernen, denen du bei der Gelegenheit dein Projekt in Einzelgesprächen näher bringen kannst.“
„Das hört sich gut an. Ich spiele nämlich auch für mein Leben gern traditionelle irische Musik.“
„Was spielst du für ein Instrument?“
„Eigentlich fast alle Flöten, von der Tin-Whistle angefangen bis zur Low-Whistle und Querflöte.“
„Wenn du Lust hast zu spielen, bringst du deine Flöten einfach mit in das Pub. Die Musiker freuen sich immer, wenn sie Verstärkung bekommen.“
„Auf das Angebot komme ich gern zurück. Danke für alles, Martin.“
„De nada, wie der Spanier sagt, dafür nicht. Ich rufe dich morgen an, wann dein Wagen fertig ist.“
„Ich bin dir wirklich sehr dankbar, Martin.“
Obwohl sich Conor etwas beruhigt hatte, fiel es ihm schwer, in dieser Nacht den notwendigen Schlaf zu finden. Zu oberflächlich waren seine Ruhephasen und es gelang ihm nicht, in einen erholsamen Tiefschlaf zu fallen. Gerade in Nächten wie dieser traf ihn immer wieder der Trennungsschmerz von Aoife mit besonders großer Intensität und Wucht. In diesen Momenten konnte er nicht aufhören, an seine große Liebe zu denken und er fragte sich, was sie jetzt wohl machte. Und dann sehnte er sich danach, in ihren Armen zu liegen und alle Probleme, die er sich ja, wie er sich persönlich gegenüber eingestehen musste, weitestgehend selbst eingebrockt hatte, hinter sich zu lassen.
Aber er fasste auch einen Entschluss in dieser schlaflosen Nacht: Er würde sich zu seiner eigenen Beruhigung und zu seinem Schutz als erstes einen Wachhund anschaffen. Schon am nächsten Tag würde er sich darum kümmern. Das war für ihn die erste zwangsläufige Konsequenz aus den Ereignissen des Vorabends. Und es würde ein Bordercollie sein, dazu gab es für ihn keine Alternative.
Schon um die Mittagszeit des nächsten Tages brachte ihm Thomas òSullivan den reparierten Landrover zum Cottage.
„Martin hat mir von gestern Abend berichtet. Trotzdem gut geschlafen?“, wollte Thomas wissen.
„Eigentlich nicht, ich werde mir wohl einen Wachhund anschaffen müssen, um beruhigt schlafen zu können. Ich werde mich nach einem Collie umsehen, die habe ich selber schon gezüchtet und weiß, was ich an ihnen habe.“
„Da musst du nur im The Dealer nachsehen. Da wird alles Mögliche und Unmögliche angeboten. Die Leute würden ja ihre eigene Oma verkaufen, wenn jemand etwas dafür bieten würde. Da werden sicherlich auch Collies inseriert sein. Dürfte nicht so schwer werden, einen passenden Hund zu finden. Viele Schaffarmer züchten Hütehunde schon aus Eigenbedarf.“
„Danke für den Tipp, Thomas, und für die prompte Reparatur. Ohne Auto wäre ich hier in der Einsamkeit vollkommen aufgeschmissen und hilflos.“
„Keine Ursache. Und wenn du mal wieder Hilfe brauchst, wende dich an mich. Ich bin wahrscheinlich dein nächster Nachbar, der kein Schaffarmer ist“, bot Thomas seine Hilfe an.
„Gut zu wissen, dass hier trotz allem auch Menschen wohnen, die mir offensichtlich wohl gesonnen sind. Übrigens, Thomas, trifft man dich auch sonntags im Teach Gleann Ceo an, wenn die Musik spielt?“
„Eher selten. Ich bin allerdings fast regelmäßig wöchentlich in Elliotts Bar in Lettermacaward. Da ist jeden Freitagabend traditionelle irische Musiksession mit richtig guter Stimmung und vollem Haus. Solltest du mal ausprobieren.“
„Mach ich bestimmt. Hört sich gut an.“
Conor fuhr nach Dungloe und besorgte sich im Cope- Laden das ihm schon bei der Autosuche behilfliche Free-ADS-Paper The Dealer . Er nahm im Supermarkt-Cafe Platz, nachdem er sich einen Capuccino besorgt hatte, und durchstöberte den Anzeiger sogleich nach Angeboten von Bordercollie-Hunden. Unter der Rubrik Working Dogs fand er dann auch gleich mehrere Angebote über Sheepdogs im Allgemeinen und Collies im Speziellen, die von Farmern aus der Gegend angeboten wurden. Da es sich ausschließlich um Wortanzeigen handelte und Fotos der Hunde fehlten, rief er einige der angegebenen Telefonnummern an. So verbrachte er den Nachmittag damit, sich die in Frage kommenden Tiere und deren Züchter und Herkunftsstätten anzusehen. Noch am gleichen Abend wurde er fündig. Bei einem Züchter in Mountcharles fand er seinen Traum-Bordercollie in der von ihm so geliebten Langhaar-Version. Er entschied sich für ein starkes Weibchen, von dem er wusste, dass es sich auch unterordnen konnte. Das war für ihn wichtig im Hinblick auf das künftige Zusammenleben mit den jungen Wölfen. Genau dieses Tier hatte er gesucht. Ihr Fell war im Großen und Ganzen pechschwarz, das nur einige weiße Stellen aufwies, wie die markante weiße Schwanzspitze, die Nase und ein paar Flecken am Hals. Darüber hinaus zierte sie im rechten oberen Rückenbereich eine kleine weiße Stelle in ihrem Fell, das ihr ein Wenig das Aussehen einer Punkerin verlieh, die sich eine einzelne leuchtend weiße Strähne in ihrem ansonsten kohlschwarzen Haar hatte färben lassen.
Glücklich brachte er den drei Monate alten Welpen in sein neues Heim. Und gleich vom ersten Moment fühlte sich Conor nicht mehr ganz so allein und einsam in seiner selbst gewählten Isolation. Das Wolve`s Cottage hatte einen ersten Mitbewohner.
Seine neue Freundin, die er fortan Hollie nannte, sorgte ab dem ersten Tag für Kurzweil und gute Laune. Jetzt realisierte er erst, was ihm die ganze Zeit so sehr gefehlt hatte. Endlich konnte er sich wieder der Erziehung und Ausbildung eines Colliehundes widmen. Das band ihn einerseits zeitlich aber, was noch viel wichtiger war, sorgte die Ablenkung dafür, dass er die neuerlichen Anfeindungen der benachbarten Farmer zumindest zeitweise aus seinem Kopf verdrängte.
Außerdem lenkte ihn das Musizieren vor seinem Kamin, das er sich fortan zur allabendlichen Gewohnheit machte, von den Problemen mit den benachbarten Farmern ab. Fast regelmäßig ging auch er nun freitagabends in die Elliots Bar , um mit den Musikern zu spielen und für einige Stunden in lockerer Atmosphäre seine Sorgen zu vergessen.
Meistens schlief er in solchen Nächten erst, wenn es bereits wieder dämmerte mit seinen letzten Gedanken an seine verlorene Liebe Aoife und der Vorstellung, wie wunderschön es gemeinsam mit ihr hätte sein können, in seinem einsamen Cottage ein.
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