Nachdem sich Conor kurz telefonisch mit Jim über die Vergabe abgestimmt hatte, rief er den Firmeninhaber Stephen McAndrew an und vereinbarte mit ihm einen Termin für den folgenden Morgen, um die Details der zu erledigenden Arbeiten zu besprechen.
Am kommenden Vormittag kam Stephen McAndrew wie vereinbart zu Conors neuem Heim, das inzwischen in Doochary und Umgebung von den Einheimischen nur noch Wolve`s Cottage genannt wurde.
Zunächst sollten die Zwinger erstellt und ein erster kleinerer Auslaufbereich umzäunt werden, um so schnell wie möglich die ersten Wolfswelpen unterbringen zu können. Parallel sollte die Umzäunung des kompletten Geländes angegangen werden. Diese Aufgabe würde naturgemäß einige Zeit in Anspruch nehmen, da das Gelände sehr weitläufig war. Erschwerend kam hinzu, dass das gesamte künftige Wolfsgebiet äußerst hügelig, darüber hinaus mit unzähligen Granitblöcken durchzogen und an der nördlichen Abgrenzung im Bereich des Lough Muck nur sehr schwer zugänglich war.
Glücklicherweise sagte Stephen McAndrew zu, gleich mit den Arbeiten beginnen zu wollen, denn lukrative Aufträge dieser Größenordnung bekam er auch nicht jeden Tag.
So konnte Conor sich der Aufgabe widmen, passende Jungwölfe für das Gehege zu finden. Dazu musste er für einige Tage nach Deutschland reisen, um sich mit dem Wolfzüchter Markus Wiedemann, mit dem er die gesamte Zeit telefonischen Kontakt aufrechterhalten hatte, zu treffen.
Da er in seinem Cottage weder einen Festnetz- noch einen Internetanschluss besaß, die Telefongesellschaft Eircom hatte zumindest die Installation des Telefonanschlusses für den Verlauf der nächsten zwei Wochen zugesagt, rief er Markus Wiedemann über sein Handy an und kündigte seinen Besuch für den folgenden Tag an.
Glücklicherweise gab es ganz in der Nähe von Annagary in den Rosses einen kleinen Flugplatz, von dem aus die Fluggesellschaft AerAerrann zweimal täglich den Dubliner Flughafen anflog. Also packte Conor die notwendigsten Dinge zusammen und fuhr, nachdem er sich über die Abflugzeiten informiert hatte, mit seinem Wagen zum Donegal Airport . Seinen Defender konnte er problemlos für einige Tage auf dem großzügigen Parkplatz direkt vor der Abflughalle abstellen. Das kleine Propellerflugzeug, das etwa fünfzehn Personen Platz bot, landete in etwas mehr als einer Stunde später sicher auf der Rollbahn des Dubliner Flughafens. Von dort hatte er einen zeitlich passenden Anschlussflug mit Ryanair nach Frankfurt- Hahn, einem ehemaligen Militärflughafen im Hunsrück gebucht. Dort sollte Conor von Markus Wiedemann, der sein Gehege in einem menschenleeren Tal unweit des Flughafens Hahn unterhielt, abgeholt werden. Einige seiner Wölfe hatte Markus Wiedemann in der Vergangenheit im nahen Wildpark Rheinböllen untergebracht.
Gleich auf den ersten Blick erkannten Conor und Markus, wie konnte es auch anders sein, dass die Chemie zwischen ihnen stimmte. Sie spürten auf Anhieb, dass ihre Interessen vollkommen deckungsgleich waren und beiden das Wohl, die Gesundheit und die artgerechte Haltung der jungen Wölfe über jeglichen kommerziellen Ansatz hinweg am Herzen lagen.
Markus Wiedemann hatte die letzten Wochen mit der Aufzucht der jungen Wölfe zugebracht. Dazu war er Tag und Nacht mit den Tieren zusammen gewesen. Er hatte die Wolfswelpen mit der Flasche groß gezogen, hatte dazu eigens ihre Verhaltensweisen angenommen, mit ihnen gespielt und geschlafen. Markus Wiedemann war einer von ihnen geworden, ein Teil des jungen Rudels. Und wie selbstverständlich akzeptierten ihn die Jungwölfe als ihren Leitwolf.
Conor war bezaubert und verzückt, als er die jungen Tiere das erste Mal sah, wie sie ihn mit ihren grünen Augen fixierten und mit tief gesenktem Kopf nervös im Gehege hin und her liefen. Besonders hatte Conor es der hellhäutige Schneewolf angetan. Tatsächlich hatte Markus einen dieser besonderen Tiere von außergewöhnlicher Schönheit beschaffen können. Insgesamt handelte es sich um einen Rüden und vier weibliche Tiere, die für die Aussiedlung im Nordwesten Irlands bestimmt waren.
Conor konnte sich gar nicht satt sehen und erst recht nicht genug bekommen von dem Gedanken, dass diese Prachtexemplare bald seine Tiere sein sollten. Sollte sein so lange gehegter Traum wirklich in Erfüllung gehen? Zu Beginn, als er sich das erste Mal ernsthaft mit dem Gedanken einer Wiederansiedlung der Wölfe in Irland beschäftigt hatte, hatte er das kaum zu hoffen gewagt. Nun bekam die theoretische Herausforderung einen realistischen Hintergrund in Form der vor ihm hin und her streifenden lebendigen jungen Wölfe. Ein Gefühl von Dankbarkeit, aber auch eine trügerische innere Unruhe ob der perspektivischen Verantwortung und Herausforderung überkamen ihn. Letztendlich überwog allerdings das Glücksgefühl auf die kommende Zeit, die er mit diesen in seinen Augen atemberaubend schönen, wilden Tieren würde verbringen können.
Markus spürte, wie Conor versuchte, sogleich einen ersten Kontakt zu den Tieren aufzubauen.
Die nächsten Tage nutzten sie, um Conor mit den Tieren und ihren Gewohnheiten vertraut zu machen. Das Wolfsblut lernte die Tagesabläufe, die Essenszeiten und –gewohnheiten kennen und machte sich bekannt mit den individuellen, unterschiedlichen Charakteren der Jungtiere. Dabei entstanden automatisch die ersten vertrauten Bande zwischen Conor und den Wölfen. Denn ein gewisses Maß an Vertrauen wollte er schon in den ersten Tagen aufbauen, um es dann in Donegal einfacher zu haben.
Conor und Markus einigten sich schnell auf die Übernahmemodalitäten der Wölfe, schließlich waren die Eckdaten bereits im Vorfeld abgestimmt worden.
Markus selbst würde den Transport der Tiere nach Irland überwachen. Er würde den Transporter persönlich begleiten und die ersten Tage nach Aussetzung seiner Wolfskinder in ihrem neuen Gehege gemeinsam mit Conor in Irland verbringen.
Beruhigt, diese weitere Hürde erfolgreich genommen zu haben, flog Conor wieder nach Donegal, um sich um die Fertigstellung des Geheges zu kümmern.
Erfreut stellte er fest, dass Stephen McAndrew mit seinem Team schon ganze Arbeit geleistet hatte. Die Fundamente und Böden der Zwinger waren bereits in Beton gegossen. Die ersten Zaunelemente der Boxen waren sogar bereits aufgestellt. Parallel hatte ein zweites Team mit den Fundamenten für die Einfriedung begonnen. Auch hier lagen die ersten Zaunelemente längst bereit und warteten auf das Aushärten des Betons und ihre anschließende Montage. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Zwinger und der erste Auslaufbereich fertig gestellt sein würden. Der Übergabe der Wölfe in einigen Tagen stand tatsächlich nichts mehr im Wege.
Nachdem er sich den Überblick über den Stand der Arbeiten gemacht hatte, machte sich Conor auf den Weg nach Dungloe, um wie versprochen Jim Gallagher über den aktuellen Stand zu informieren. Da ihm immer noch kein Festnetzanschluss und Internetbreitband im Cottage zur Verfügung standen, schrieb er die E-Mail im Internetcafe in der alten Kirche. Da man ihn inzwischen dort kannte, wurde er von der Angestellten auf das herzlichste begrüßt.
Froh gelaunt über den erfolgreichen Verlauf des Projektes, informierte er Jim Gallagher über die erfreulichen Neuigkeiten.
Danach fuhr er zunächst nach Doochary und reservierte beim Wirt des Teach Gleann Ceo für den kommenden Freitag den großen Festsaal. Nachdem das Projekt nun in die aktive Phase gehen sollte, wollte er die Bewohner des kleinen Ortes und vor allem die Farmer der näheren Umgebung seines Wolfsgeheges über das Gesamtvorhaben informieren. Er war der festen Überzeugung, dass ein potentieller Widerstand gegen das ambitionierte Projekt nur entstehen würde aus Mangel an Informationen aus erster Hand und der aus dem Halbwissen heraus resultierenden Gerüchteküche. Das wollte er gezielt vermeiden und im Sinne der reinen Organisationslehre die Betroffenen zu Beteiligten machen, in dem er sie beispielsweise mit Aufträgen versorgte oder er sich bei ihnen mit der notwendigen Nahrung für die Wölfe versorgte.
Читать дальше