Bei der deshalb erforderlichen Revision sind einige kleine Berichtigungen und Verbesserungen vorgenommen, auch manche durch die inzwischen eingetretenen faktischen Veränderungen gebotene Zusätze eingeschaltet.
Hamburg, im Mai 1886.
Dr. O. B.
1. Sagen von Hamburgs Entstehung
(Um 805.)
Als nach der großen Sintflut Noahs zweiter Sohn, Ham, mit Weib und Kind in die weite Welt gegangen war, da ist er auf seinen Fahrten auch in diese Gegend der Unterelbe gekommen und hat ein festes Haus gebaut auf der Höhe der Uferberge, und hat es nach seinem Namen Hams Burg oder Hamburg genannt, und einige seiner Söhne nebst ihren Weibern und Kindern darin gelassen. Und diese haben sich rund umher angebaut, und eine Stadt gegründet, und das ist der Ursprung Hamburgs und die Abstammung der Hamburger, - also meinen einige.
Andere sagen: Als das griechische Heidentum im Morgenlande zerstört worden war, da ist ein Schwarm Heiden, welche den Jupiter Ammon oder Hammon am höchsten verehrt und nicht von ihm hat lassen wollen, in diese Gegend gekommen, allwo sie ihrem Abgotte ein neues Heiligtum erbauet, sich rings umher niedergelassen und befestigt, und diese Stätte Hammonsburg genannt haben. Und davon rührt der noch heut zu Tage übliche Name der Stadt Hammonia her, welche absonderlich gern von den Poeten gebraucht wird. Als Kaiser Karl der Große aber gekommen ist, da hat er diesen Götzendienst gänzlich abgeschafft und die christliche Lehre eingeführt und einen Dom nebst fester Burg dazu gebauet, den alten Namen aber hat er gelassen.
Wieder andere sagen: Hier zu Lande haben Deutsche gewohnt aus dem Stamme der Sachsen, die Wald- oder Holt-Sassen, deren Name in Holsaten oder Holsten sich verkehrt hat, daraus des Landes Namen Holtseen oder Holstein entstanden ist. Das möchte nun soweit ganz richtig sein. Diese alten Sachsen haben (so sagen jene) unter den vaterländischen Gottheiten hauptsächlich den Thor oder Asathor verehrt, den sie Hamons genannt haben, welcher an der Stätte, wo jetzt Hamburg steht, sein Heiligtum gehabt hat. Daher ist sie geheißen Hamonsburg oder Hammenburg. Karl der Große hat dann solch heidnisches Wesen der Sachsen zerstört und sie zum Christentum geführt. Also ist der Name Hammonia von dem Beinamen des Altgermanischen Gottes Thor entstanden.
Noch andere sagen: Hier habe ein unmenschlicher Riese und großer Fechter gehaust, mit dem Namen Ham, welcher hier von den gewaltigen Nordlandshelden Starkater (Stark=Attr) im offenen Kampfe ist erschlagen worden. Und den Ort, da er gewohnt, den habe man Hamburg genannt.
Auch heißt es, die Bewohner dieser Stätte hätten neben dem Fischfange auch viel Viehzucht getrieben, und es verstanden, sonderlich gute Schinken, Rauch- und Pökelfleisch zu bereiten, so dass man ihre Stadt danach benannte Hammen-Burg, will sagen Schinken-Stadt, da man in damaliger Sprache einen Schinken oder Bug oder Schulterknochen eine Hamme geheißen habe. „Was ich aber mehr auf seinen Unwert, denn auf seinen Wert beruhen lassen will, obwohl es gar keine Erklärung scheint, wenn man an die schönen Stücke Fleisch denkt, so allzeit in unserer guten Stadt geräuchert und von hier in die weite Welt verführet worden sind“, fügt der kluge Erzähler dieser Sage hinzu.
Wunderlich ist es, dass einige sonderbare Bierfreunde den Namen unserer Stadt, in der vor Zeiten das beste Bier der Welt gebraut wurde, mit dem fabulösen Biergötzen Gambrinus in Verbindung bringen, und sagen, es habe geheißen Gambrins Burg, woraus Gamsburg und daraus Hamburg geworden. Der Name der Marschlandschaften (Alt- und Neu-) Gamme hänge damit zusammen, denn von daher sei Hopfen und Malz zum Hamburgischen Brauwerk gekommen. So sinnreich auch diese Etymologie ist und so vielen Beifall sie heut zu Tage in unseren wieder erstandenen Bierhallen finden möchte, so kann man ihr dennoch mit Fug nicht beifallen.
Übergehend noch viele andere meist unstatthafte oder unwahrscheinliche Sagen über Hamburgs Namen und Ursprung, z.B. von dem Stamme der Gambrivier, die aber hierorts niemals gehauset haben, ist dagegen noch diese anzuführen: In dieser Gegend habe das edle Geschlecht derer von Hamme gehauset, welche in diesem jetzigen Dorfe Hamm ihren Wohnsitz gehabt; diese Herren hätten vor Karls des Großen Zeiten eine Burg näher der Elbe gebaut, worauf der Kaiser ihnen Burg und Burgfrieden abgekauft habe.
Gewiss ist, das die alten Niedersassen eine große Waldung mit dem Namen Hamm oder Hamme bezeichnet haben, wie auch dass die ganze Gegend der Bill-, Alster- und Elbniederung eine große Waldung gewesen ist. Gewiss auch ist, dass davon die Ortschaft Hamm ihren Namen trägt, und dass die Herren von Hamme, Ritter und Knappen daselbst gelebt haben. Nur so viel später, dass man sie nicht züglich als Gründer der ersten Hammaburg ansehen kann. Diese wird von Karl dem Großen gegründet und nach der umliegenden Hamme (Waldung) also benannt worden sein. Denn noch später hieß man die Holzung, die vor Entstehung des St. Jakobi- und St. Georgs-Kirchspiels auf deren Grund und Boden stand, die „Hamme“, aber nur in dem heutigen Dorf Hamm ist der alte Name für die gesamte große Waldung übrig geblieben.
Es geht hiermit wie mit vielen Dingen menschlichen Wissens, es ist Stückwerk, davon der alte Spruch gilt:
„Ich weiß davon nichts kundhaft Wahres,
Wer´s aber weiß, der offenbar´ es.“
2. Der heilige Anscharius
(831 – 865.)
Karls des Großen Absicht: das von ihm gegründete Hamburg nicht nur zu einem Bollwerk der Christenheit gegen die germanischen und slawischen Heiden im Norden und Osten, sondern auch zu einer Pflanzstätte christlicher Lehre und Bildung zu erheben, wurde von seinem Sohne und Nachfolger gefördert. Und als deshalb im Jahre 831 Kaiser Ludwig der Fromme Hamburg zum Sitz eines Erzbistums gemacht hatte, wurde Anschar, ein junger, dreißigjähriger Mönch, erzogen für seinen ernsten Beruf in dem berühmten Kloster zu Corvey, der bereits als Missionar die Länder des Nordens durchzogen hatte, zum Erzbischof von Hamburg erkoren. Des Kaisers Bruder Drogo, Erzbischof von Metz, weihte ihn, und nachdem der Papst Gregor IV. ihm den erzbischöflichen Mantel geschickt hatte zum Zeichen seiner Bestätigung (834), kam er, sein hohes Amt anzutreten, nach Hamburg, wohin er, außer vielen Reliquien und wertvollen Heiligtümern, auch eben so viel frommen Eifer als Geschick zur Erfüllung seiner Bestimmung mitbrachte.
Hamburg war damals noch ein kleiner Ort. Ein Kastell, eine Kirche, einige Wohnungen der Geistlichen, einige Gassen rings umher, etwa von dem Umfange des heutigen St. Petri-Kirchspiels. Anschar vergrößerte sogleich die Kirche, den Dom, den er herrlich ausschmückte, errichtete daneben ein Kloster, das er mit gelehrten Benediktinern aus Corvey besetzte, und gründete eine von diesen besorgte Schule, welcher der Kaiser eine kostbare Bibliothek schenkte. Dies war die Pflanzstätte, aus der die Heidenapostel des Nordens hervorgingen. Leibeigene Knaben kaufte Anschar von den Dänen und Slawen der Umgegend, und ließ sie für denselben Zweck erziehen und ausbilden. Er baute rings umher im Holsteinischen viele Kirchen, zB. zu Bramstedt, Kellinghusen und in dem heutigen Dorfe Willenscharen an der Stör, dessen Name aus Villa Anscharii entstanden ist. Er sorgte für Schulen und Armenpflege, spendete geistliche wie leibliche Wohltaten, wo er nur konnte, und bereiste unablässig seinen weiten Kirchensprengel, um selbst seine begonnenen Werke zu fördern, Kaiser und Papst unterstützten ihn bereitwillig und er selbst gab gern sein väterliches Erbe dem Dienste Gottes hin, in Demut und Mäßigkeit mit ärmlichster Nahrung und Kleidung zufrieden. Glücklich gedieh sein Werk, und auch die kleine Stadt Hamburg blühte unter seinen Augen immer stattlicher auf.
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