Am Wochenende, bevor ich mit meiner Mutter nach Schongau gefahren bin, ist ganz übles Wetter, ich muss arbeiten, ... was macht Udo?, er schickt Carlo mit der Kleinen hinaus, ... ohne Mütze, ... und viel zu dünn angezogen, sie werden beide nass bis auf die Haut. Udo ist betrunkener Weise eingeschlafen, … am hellerlichten Nachmittag. Die Kinder hatten keinen Schlüssel, stehen vor der Tür, sie können nicht herein. Pudelnass kommt Carlo mit Tessa zu mir in die Gaststätte, holen meinen Schlüssel. Ich gebe den Kindern den meinigen mit und bitte Frau Vogenschmidt gehen zu dürfen, sobald ich mit den Vorbereitungen fertig bin, weil ich absolut keine Ruhe mehr habe. Natürlich meckert sie, ... und ich verstehe sie auch, aber die Kinder sind mir wichtiger als ihre Gäste. Meine Kollegin Marianne meint dann zu mir : „Mach` Dir keinen Kopf, geh` nur, ... ich schaffe das schon! "
Bei dieser Transaktion hat sich Tessa natürlich erkältet, … ganz logisch eigentlich, ich musste sie bereits verschnupft nach Wiesenstadt geben, so ungern wie noch nie, aber immer noch besser, als die Kinder bei Udo zu lassen. Als ich von Schongau zurück bin, ist die Erkältung noch nicht weg und ich finde es besser, den Arzt aufzusuchen. Na jedenfalls, als ich am besagten Tag nach Hause komme, stecke ich die Kinder zunächst in die Wanne, koche ihnen einen Tee, versorge sie und bringe sie zu Bett. Wie gesagt, kann ich es leider trotz alledem nicht verhindern, dass Tessa sich erkältet hat. Während ich die Kinder versorge, schläft der Taugenichts noch immer. Als ich alles soweit gerichtet habe, lallt er nur: „Du, … Du, ... bist schon da?“. Ich muss mich zusammenreißen, dass ich nicht irgendetwas nehme, um es ihm über seinen versoffenen Schädel zu ziehen. Tut mir leid, aber anders kann ich es nicht beschreiben, ich bin so sauer und entsetzt über soviel Gleichgültigkeit uns gegenüber, dass mir genannter Gedanke unwillkürlich durch den Kopf gehen muss. Ich spreche ihn wie schon so oft auf seine Verantwortungslosigkeit hin an, das einzige, was er hervorbringt, weil er wohl gar keinen Überblick mehr über die Situation hat , ist: „Na, … na, ... wenn Du da bist, kannst Du Dich wohl um die Kinder kümmern, ... und, ... und, ... außerdem hätte Carlo Tessa ja besser anziehen können“. Es hat keinen Sinn, ihm zu erklären, warum oder weshalb ich schon da bin und dass Carlo wohl kaum dafür verantwortlich zu machen ist, was angezogen wird und dass die Kinder bei so einem Wetter draußen wirklich nichts verloren haben, er hätte es ohnehin nicht geschnallt. -
Mit dem Monatsende Juni und Beginn des eigentlichen Sommermonates Juli wird endlich auch das Wetter besser, und steigert sich von schönen warmen Sommertagen, bis hin zur fast unerträglichen Hitze zum Juliende bis in den August hinein. Am 31. 7. 1994 um 1.35 Uhr schreibe ich Tagebuch und übernehme das Zitat:
Sonnabend, bzw. Sonntag, 31. Juli, 1.35 Uhr, eine ungewöhnliche Zeit um Tagebuch zu schreiben, aber warum soll ich dieses neue Büchlein, das vorhergehende ist schon wieder voll, nicht auch einmal ungewöhnlich anfangen. Nun weiß ich leider nicht genau, mit welchem Ereignis ich das letzte beendet habe, ich kann auch nicht nachschlagen, es geht nicht, es liegt nämlich in der Eckbank der Stube und Udo sitzt, bzw. fläzt darauf, ... betrunkener Weise versteht sich, ... eingepennt. Nicht einmal wenn meine Mutter da ist, kann er sich zusammenreißen, das tut er schon lange nicht mehr. Ich habe wie so oft das Gefühl, es nicht mehr lange ertragen zu können, manchmal möchte ich wissen, womit ich das verdient habe. Das Gestreite und Gezerre zwischen Udo und Carlo geht den ganzen Tag, ich bin immer heilfroh, wenn das Wochenende vorbei ist und Udo wieder weg ist. Auch diese Arbeit, die er da jetzt hat, löst ständig mehr als nur unwohle Gedanken aus, alles ist so unsicher mit dieser Maklerei, es hat zwei Monate über weg gedauert, bis ich von Udo wiedermal ein wenig Geld bekommen habe. Woran das liegt weiß ich nicht, er sagt, der Arbeitgeber habe so spät gezahlt, aber ich weiß schon lange nicht mehr, was ich glauben kann und was nicht, nur dass es ein Dauerzustand geworden ist, nicht zu wissen wie ich das alles drehen und wenden soll. Von überall her kommen Mahnungen, unter anderem von den zu zahlenden Autoraten. Hoffentlich glättet sich alles bis ich so um den 20. August herum nach Seelstein fahren muss wegen des Gartens und um alles mit Hennys Geburtstag zu verbinden. Henny hat wieder Arbeit gefunden, zwar leider nicht in ihrem Beruf, aber in einem Geschäft für Kosmetikartikel, immerhin besser als gar nichts.
Nun weiß ich schon wieder nicht, ob ich eingeschrieben habe, dass ich nun wieder zu Hause bin, Tessa war eine Woche krank und da bin ich gleich von Frau Vogenschmidt entlassen worden, geradeso als hätte sie auf so einen Grund dafür gewartet. Mein Gott, ist das heute eine Zeit, ich glaube, wenn der Herr Vogenschmidt noch da wäre, dann hätte er mich sicher nicht gleich abserviert. Nun bin ich dabei, mir etwas zu suchen. Auf dem Arbeitsamt war ich auch, ich muss mich ja gleich melden und weil ich sagen wollte, dass ich doch so gern wieder im Gesundheitswesen arbeiten möchte. Aber sie konnten mir nichts vorweisen. Ich sagte auch, ich wäre bereit, eine Umschulung zu machen, wenn ich damit zurück in den Gesundheitsdienst käme. Ich werde nicht aufgeben, alle zwei Wochen hingehen, bzw. fahren bis ich Erfolg habe, ich will und muss endlich wieder vernünftig Geld verdienen, von Udo, da hatte ich bisher noch nie etwas zu erwarten, aber das wisst Ihr inzwischen alles selber. Bis ich beim Arbeitsamt etwas erreiche, versuche ich mit Hilfe der Zeitung und dessen Stellenanzeigen etwas zu finden, irgendwie muss ich die Kinder und mich über Wasser halten. Zur Zeit warte ich auf Antwort eines Stellenangebotes, es hängt mit dem Verkauf von Schulmaterial zusammen, das andere ist eine Stelle als Hauswirtschafterin hier in der Nähe auf einem Dorf, da werde ich morgen einmal anrufen. Ich werde verrückt, wenn ich weiterhin auf die paar Mark von Udo und dem Arbeitslosengeld angewiesen bin. Ein Grund, warum ich noch nicht im Bett bin ist, dass ich auf dem Musiksender etwas über die Gruppe Pink Floyd höre, aus meiner Tinizeit, sie ist jetzt wieder im Kommen und macht Tournee in Deutschland, so gerne würde ich auch einmal zu so einem Konzert gehen, aber mit den wenigen Kröten ist nicht daran zu denken. Ich bin froh, wenn ich für die Kinder genug zu essen habe und lange genug gestochert habe, um ein paar Kröten mit Tante Lenas Hilfe für einen gebrauchten fahrbaren Untersatz zusammen zu kriegen. Noch ein Grund, warum ich nicht schlafen kann, ist ein Gewitter, aber es ist auch dringend nötig, es hat lange nicht geregnet und wir haben gerade Temperaturen bis über 30 Grad, es ist alles ausgedörrt. - Einmal schwimmt mir im Garten alles weg, dann wieder vertrocknet alles. - Jetzt ist es kurz nach 2.00 Uhr, ich bin gar nicht müde, manchmal erinnert es mich an meine Nachtdienste, die ich oft bis zur „Vergasung“ geschrubbt und manchmal deswegen gehasst habe. So um diese Zeit habe ich mich bald für die letzte Runde fertig gemacht und nun sitze ich hier und sehne diesen Lebensabschnitt so sehr herbei. Aber die Zeit lässt sich nicht zurückspulen wie ein Film, den man dann noch einmal von vorne sehen kann. Es muss einem wohl erst richtig mies gehen, bis man erkennt und begreift, wie schön und gut man es hatte. Wenn ich Udo so auf der Eckbank lümmeln sehe, könnte es mir übel werden, ... kotzübel, ... es ist mir einfach nicht vergönnt, einen Mann zu erwischen, mit dem ein Familienleben Spaß macht. Natürlich fährt Udo nach wie vor regelmäßig betrunken mit dem Auto, jeder Versuch ihn aufzuhalten hat keinen Sinn mehr, dann wird er ausfällig. Ich „warte“ förmlich darauf, dass er endlich erwischt wird oder etwas passiert. Nur gut, denn ich kann jetzt auch fahren, und ich komme mit den Kindern sicher an das gewünschte Ziel, ... sofern mir hoffentlich nicht jemand wie Udo in die Quere kommt!. Wenn alles klappt bekomme ich nächste Woche auch ein Auto, einen 353 iger Wartburg mit Tüv, für 200, - DM, der tut es erst mal und ich bin unabhängig, hoffentlich klappt ja das wenigstens, wenn schon sonst kaum etwas hinhaut bei mir. Eine Suchanzeige stand noch in der Zeitung, da sucht jemand einen Nachmieter für ein Bauernhaus bei Altkirchstetten mit 100 m2 Wohnfläche. Es wäre eine Möglichkeit für meine Mutter hierher zu ziehen, dann wäre ich die Sorge mit dem Garten in Seelstein los, obwohl es mir sehr weh täte, viele Kindheitserinnerungen sind damit verbunden, Gedanken an meine Heimat, die man nie vergisst. Zum anderen steckt viel Arbeit und Geld meiner Eltern darin. Tatsache aber ist, ich kann nicht ewig oft nach Seelstein fahren, geldmäßig, und auch der zeit wegen ist es auf die Dauer nicht zu bewältigen. Ich will und muss ja auch arbeiten gehen und das möglichst bald, ... und was ist, wenn meine Mutter einmal krank werden sollte?. Ich würde es mir schon wünschen mit dem Haus, aber es zu realisieren, geht sicher so gut wie gar nicht, die ganze Last und Arbeit würde einzig und allein an mir hängen bleiben. Egal ob es die Renovierung, Reparaturen oder den Garten betrifft, ich stehe immer mit allem alleine da. Wenn ich ihn so sehe, graut mir jeden Tag mehr vor ihm, ich schlafe jetzt immer auf dem Sofa, ich will unbedingt vermeiden, dass er unkontrolliert in Tessas oder Carlos Zimmer stolpert. Von der Stube aus habe ich den besten Überblick, auch wenn ich dann immer munter werde. Es ist einfach unerträglich ekelhaft, wenn er so ständig ungewaschen, mit nicht geputzten Zähnen, die immer schlechter werden, es immer wieder versucht, mit Alkoholfahne und schmierigen Fingern nach mir zu tatschen. Wenn ich doch einmal im Bett liege, weil ich auf dem Sofa nicht mehr liegen kann, nehme ich spätestens im eben beschriebenen Moment reiß aus. Mein Gott, ich habe doch nur gehofft, auch einmal etwas Glück zu haben, sonst nichts weiter. Gerade ist er ins Bett gegangen, in dem gerade beschriebenen abartigen Zustand wie immer. Dabei habe ich den ganz normalen Wunsch einer Frau, einmal wieder richtig leidenschaftlich zu küssen und umarmt zu werden, ... und denke bei der Gelegenheit an meine zurückgelassenen Bratkartoffeln. Nun habe ich doch noch schauen können, wo meine letzte Eintragung im alten Tagebuch endet, ich stelle mit Zufriedenheit fest, dass ich mit meiner nächtlichen Eintragung auf dem laufenden Stand der Dinge bin. - -Zitatende. -
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