„Ebent“
Als erstes gingen wir daher noch in Frankfurt zu der nächsten großen Bank und tauschten unsere Australdoller zurück, nicht ohne dabei einen beachtlichen Verlust in Kauf nehmen zu müssen.
Auf der Rückfahrt hatten wir für das schöne klare Winterwetter keine Augen mehr. Wir machten nur noch Pläne, wie wir die leeren, vor uns liegenden, Wochen ausfüllen könnten.
Natürlich wollten wir etwas gleich Ausgefallenes, Exotisches und Einmaliges wie Australien machen, aber als wir in Gedanken die Weltkarte durchgingen, fanden wir bei jedem Ziel das berühmte „Haar in der Suppe“.
Die Länder, die in die engere Wahl kamen, wie etwa Brasilien oder Peru, hatten eine Reihe von „Muß- und Empfehlungsimpfungen. Nun, diese durchzuführen dafür fehlte uns ja definitiv die Zeit. Außerdem wußten wir von diesen Ländern nicht soviel wie für einen gelungenen Urlaub nötig gewesen wäre und dann störte uns noch ganz gewaltig die Sprachbarriere.
Konnte doch keiner von uns beiden spanisch, geschweige denn portugiesisch. Es war also nicht unsere Sache so auf blauen Dunst, gänzlich ohne Vorbereitungen, in so ein exotisches Land zu fahren.
Zurück in Dortmund stürmten wir sofort in unser Reisebüro und Klaus legte dort seinen Gefühlen durchaus keine Zügel an.
„Natürlich geben wir die tickets zurück, meinen Sie denn, wir könnten den Leuten von Qantas noch vertrauen? Jetzt stehen wir wirklich mehr als saudumm da, Zeit und Geld für Urlaub und kein Ziel!“
Vor lauter Enttäuschung waren wir waren wie vernagelt und nicht in der Lage, klar zu denken.
Es wäre sicherlich sehr hilfreich von unserem Agenten gewesen, wenn er anstatt uns nur zu bedauern konstruktive Vorschläge gemacht hätte, wie z.B. die Umbuchung auf eine andere Airline zu versuchen oder den guten Rat, erst einmal abzuwarten. Vielleicht hätte auch ein gutes Tässchen Kaffee geholfen etwas den heißen Dampf des Ärgers abkühlen zu lassen. Nun, wir waren jedenfalls fest entschlossen, Australien für immer den Rücken zu kehren. Wie das so manchmal mit Vorsätzen ist......
Mit dem anstandslos zurückgezahlten Geld verließen wir das Reisebüro und strebten einem kleinerem Geschäft in einer etwas schmuddeligen Passage zu. Aus irgendeinem mir nicht mehr erfindlichen Grunde versprachen wir uns gerade von diesem Büro Rat und Hilfe zu bezahlbaren Preisen.
Die Chefin selber bat uns mit den Worten: „Was kann ich für Sie tun?“ an ihren Tisch. Wie bei einem, von langen Regengüssen aufgefüllten, Wasserfall toste ein Sturzbach von Worten auf die Frau des Hauses herab. Mit der Zeit wurde der Fluß schmaler, dann zum Rinnsal und versiegte schließlich ganz. Klaus hatte sich endlich seinen ganzen Ärger und die riesengroße Enttäuschung von der Seele geredet.
Sie lächelte skeptisch und schien nicht so ganz an unsere Reise zu glauben. Außerdem zweifelte sie den Streik bei der Qantas an. Erst als ich ihr das Visum im Paß zeigt, erkundigte sie sich bei verschiedenen Stellen und fand schließlich alle unseren Angaben bestätigt.
„Zum Kuckuck noch eins, ja hat man denn nicht wenigstens mal versucht, Sie auf eine andere Airline umzubuchen?“ fragte sie etwas ungläubig verblüfft.
Klaus und ich sahen uns an. Völlig perplex hatten wir auf diese so berechtigte Frage keine Antwort, sondern nur die lahme Gegenfrage: „Ja, kann man das denn so einfach? Fliegen denn auch andere Gesellschaften nach Australien?“
Frau Sonne maß uns mit einem langen Blick. Ich konnte darin die stumme Frage lesen: „Tun die so unbedarft, oder sind die so schlicht im Geiste?“ Aber sie war auch eine erfahrene Geschäftsfrau und konnte sich auf ihr Gegenüber einstellen.
„Dann wollen wir doch mal sehen, ob wir sie nicht nach Australien bekommen. Da gibt es heutzutage jede Menge Verbindungen. Machen Sie sich mal keine Gedanken. Mit ein bißchen Glück schneidern wir Ihnen eine Superreise zusammen.“
Das hörte sich ja schon mal sehr vielversprechend an. Also, reden konnte Frau Sonne. Wenn sie in der anderen Hinsicht auch noch so tüchtig war, konnte nichts mehr schiefgehen.
Wir lehnten uns entspannt zurück.
Hurtig wurde der Computer befragt, und siehe da, auf dem Bildschirm erschien eine kurze, aber erfreuliche Liste mit exotischen Namen.
„Also, wir haben die Malaysia-, Philippin- und Singapore-Airlines. Natürlich gibt es noch einige sehr viel preiswertere Anbieter, aber manche von denen haben ausgesprochen schlechte Umsteigeverbindungen. So kann es sein, daß Sie bis zu neun Stunden auf einem Flughafen sitzen. Und ich sage Ihnen, das zieht sich, vor allem in der Nacht! Von einer Gesellschaft weiß ich, daß Service und Ausstattung so miserabel sind, daß man gut beraten ist, sich das Klopapier selber mitzubringen.“
Wir fanden es schon drollig, an was man so alles denken sollte.
Natürlich wollten wir einen preiswerten Flug, aber Picknickkörbchen und Toilettenrolle wollten wir nun doch nicht mitbringen müssen.
„Wie sind denn so die Preise bei den asiatischen Linien?“ waren wir interessiert. Frau Sonne nannte uns Beträge, die so um die 1000 DM höher lagen, als das, was wir zuvor bezahlt hatten. „Donnerschlag!“ zeigte sich Klaus beeindruckt – unangenehm, natürlich. Wir beide traten in eine heftige Diskussion über unsere Finanzen ein und kamen zu dem Ergebnis, daß, wenn wir einen Teil der Anschlußflüge streichen ließen, das Geld für die tickets gerade reichen würde. Wir entschlossen uns nach intensiver Beratung für die Philippin-Airlines, die uns über Manila ohne Stop-over nach Sydney bringen sollte.
Heute war Montag. Der nun gebuchte Flug sollte am Donnerstag stattfinden. Frau Sonne erklärte uns, daß sie von Streiks bei asiatischen Airlines noch nie was gehört hätte.
Wie sie sich auszudrücken pflegte:“ Alles klar, alles bestens!“
Wir waren froh und glücklich, doch noch eine Lösung gefunden zu haben, zumal uns Frau Sonne erklärt hatte, daß bis auf Kenia alle Pauschalreisen ausgebucht seien. – Es war eben noch nicht die Zeit von „Last Minute“.
Beschwingt fuhren wir zurück in unsere Wohnung. Dort empfing uns meine Schwiegermutter, die während unseres Urlaubs die Blumen gießen und nach der Post sehen sollte, aufgeregt mit einem Telegramm.
„Ich wollte nur mal nach den Blumen gucken und schauen, ob Ihr auch alles ausgemacht habt.
Ihr wißt ja, ich bin da immer besonders ängstlich. Gerade, als ich wieder gehen wollte, klingelte der Telegrammbote. Ich habe es sofort aufgemacht. Es tut mir ja so leid, daß Ihr jetzt nicht fliegen könnt.“
Ich glaube, Schwiegermutter war trotz aller Anteilnahme sehr froh, daß das „gefährliche Abenteuer Australien“ jetzt erst einmal „vom Tisch“ war. „Kinder, das Sauerland ist doch auch sehr, sehr schön und dazu auch noch viel billiger...“
Die Qantas hatte das Telegramm um 10.30 Uhr abgeschickt, also zu einer Zeit, wo wir uns schon längst am Flughafen befunden hatte. Der Inhalt war kurz und knapp: „Flug wegen Streiks gestrichen. Bitte Reisebüro kontaktieren.“
Wir waren schon immer besonders frühe Vögel gewesen. Schade, daß wir heute nicht verschlafen hatten, das hätte uns die ganze Fahrt nach Frankfurt mitsamt des Rattenschwanzes wie Geldrücktausch pp. erspart.
Ich konnte es nicht lassen, Klaus wegen seines Ausspruchs, den er seinerzeit bei der gezielten Auswahl der Fluggesellschaft Qantas gemacht hatte, aufzuziehen.
„Das Australische Abenteuer soll schon beginnen, wenn wir das Flugzeug besteigen! Ab dann soll alles nur noch australisch sein: Leute, Essen, Sprache und die drinks...“
Ich fühlte mich wie mit einem negativen Lottogewinn belegt. Schade, daß keine andere Gesellschaft streikte, nur die Qantas.
Hatte ich schon erwähnt, daß Klaus nach sieben Jahren wieder angefangen hatte zu rauchen?
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