Oh, wie weh ihm die Hände taten! Sie waren rot und zerstochen wie ein Nadelkissen. Das hielt ihn aber nicht davon ab, neugierig den Tropfen zu folgen. Vergessen war, dass er verzweifelt nach dem Weg zu Malipu und seiner Höhle gesucht hatte.
Weiter schwebte er neben dem Fluss her. Wo war sein Ende? Was machten diese seltsamen goldenen Tropfen dort? Das wollte er ergründen. Lange musste er so dahingleiten, dann sah er, der Fluss schien ins Nichts zu führen. Er verschwand mit all seinen goldenen Tropfen in einem seltsam wallenden, grauen Dunst. Was war das wieder? Er bekam Angst. Nun war es genug. Er wollte nur noch zu Malipu. Er sah sich um. Doch wie sollte er zu seiner Höhle gelangen? Ringsherum war ihm alles unbekannt. Ratlos setzte er sich ins grün getupfte Moos, möglichst weit weg von dem wabernden dunklen Nebel und weinte. Wo war er?
Plötzlich tauchten aus dem dunklen Dunst Elflinge und zwei Koboldiner auf.
„Maliputti, was machst du hier? Darfst du schon zur Erde fliegen?“ Verwundert und besorgt flatterten die Elflinge um ihn herum.
„Dreh um! Schwebe nicht weiter! Sonst findest du nicht mehr zurück“, brummten warnend die Koboldiner.
„Zur Erde?“, staunte Maliputti. „Geht es hier zur Erde?“
„Ja, hier ist das schwarze Loch“, antworteten die Elflinge.
„Das ist das Tor von unserer Geisterwelt zum Universum“, ergänzte ein Koboldiner.
Wieder neugierig geworden und alles vergessend sah Maliputti zu dem wabernden Nebel des schwarzen Loches hin.
„Was wolltest du hier?“, fragte ein Elfling.
„Sehen, wohin die goldenen Tropfen fließen.“
Ein Koboldiner näherte sich ihm und schnupperte an seinen Händen. „Wie sehen die aus? Wolltest du etwa einen Lebenstropfen fangen?“, brummte er und zog erstaunt seine Brauen hoch.
„Na, ja ...“, druckste Maliputti herum.
„Wie konntest du?!“, tadelte entsetzt ein Elfling.
„Warum?“, trotzte Maliputti.
„Weißt du nicht, dass man das nicht darf? Hat dir Malipu darüber nichts gesagt?“
„Nein! Was ist mit diesen Tropfen?“
„Sie kommen von weit her, aus dem ewigen unendlichen See des Lebens, und bringen von dort die Kraft zum Leben mit. Sobald sie hinter dem schwarzen Loch ins Universum kommen‚ verwandeln sie sich in kleine Nebel, gleiten sanft zur Erde und dringen dort ein in alles, was wachsen soll. So erwecken sie Mensch, Tier oder Pflanze zum Leben“, erklärte ein Elfling.
„Und so etwas wolltest du fangen“, brummte ein Koboldiner fassungslos. „Die Hände werden dir noch lange schmerzen. Dagegen kann selbst Magifa nichts tun. Mach jetzt, dass du zu Malipu zurückkommst.“
„Wenn ich nur wüsste, wie? Und Malipu ist bestimmt noch auf der Erde“, gestand Maliputti ein.
„Darum konntest du dich so weit entfernen“, staunten die Elflinge.
Und die Koboldiner lachten: „Du hast dich verschwebt!“
„Ach, was? Ein Magihexer verschwebt sich nicht, der ruft mit seiner Gedankenkraft einen andern zu Hilfe. Warum hast du das nicht getan?“, wunderte sich ein Elfling.
„Gedankenkraft? Was ist das?“, fragte Maliputti.
„Du weißt das nicht? Ja, das muss dir Malipu erklären“, antwortete der Elfling
„Er wird dazu zu klein sein, ist doch erst ein paar Magitage hier. Ja, ja, er muss noch viel lernen“, meinte ein Koboldiner.
„Ich bin nicht mehr klein“, widersprach Maliputti und streckte sich.
„Halt! Nicht zu hoch. Wir können dir nicht helfen, wenn du umfällst“, piepsten ängstlich die Elflinge.
Schnell plusterte sich Maliputti zurück. Nein, noch einmal umfallen, das wollte er nicht.
„So groß wie die andern Magihexer bist du aber nicht“, brummte ein Koboldiner.
„Vielleicht wächst er noch“, vermutete der anderer.
Maliputti war das egal, er hatte von der ganzen anstrengenden Schweberei genug und die Hände brannten ihm wie Feuer. Er wollte nur noch in die Höhle von Malipu. „Bringt ihr mich zurück?“, bat er kleinlaut.
„Natürlich!“ Die Elflinge und die Koboldiner erklärten sich dazu sofort bereit. Sie nahmen ihn in ihre Mitte und schwebten mit ihm den noch langen Weg zu den Höhlen.
*
Inzwischen suchten die Magihexer immer verzweifelter nach dem Kleinen.
„Was, wenn er sich bis zum schwarzen Loch verirrt hat? Dort haben wir noch nicht gesucht“, sagte Jojotu.
„Ach, was! Du immer mit deiner Angstmacherei. So weit kann er noch gar nicht schweben“, widersprach Pontulux.
Malipu erschrak. Und wenn doch? Wo sollte er sonst sein, wenn sie ihn bisher nicht gefunden hatten. Was, wenn Maliputti neugierig allein ins schwarze Loch geraten war, darin nichts sehen konnte und hinaus ins Universum gefallen war? Nicht auszudenken! Er wäre verloren, würde hilflos durch das Universum irren, weil er den Weg zur Erde oder zurück nicht kannte. Malipu machte sich heftige Vorwürfe, dass er ihn davor noch nicht gewarnt hatte, ja, dass er ihm nicht einmal beigebracht hatte, wie er seine Gedankenkraft einsetzen konnte. Somit würde er auch nicht verstehen, um Hilfe zu rufen. Dazu allerdings würde die Kraft der Gedanken auch nicht mehr reichen, wenn er sich bereits zu weit vom schwarzen Loch und Magihexanien entfernt hätte.
Voller Angst und Sorge machte sich Malipu unverzüglich auf den Weg. Und wenn er magitagelang durch das Universum gleiten müsste, er wollte Maliputti finden.
Doch als er um den ersten Berg hinunter zum Lebensfluss schwebte, sah er ihn mit den Elflingen und Koboldinern auf sich zu kommen. Erleichtert schwebte er ihm entgegen. „Was hast du dir dabei gedacht, allein herumzuschweben. Das war leichtsinnig“, schimpfte er. Dabei war er froh, ihn wiederzuhaben. Dann blickte er auf seine Hände und fragte vorwurfsvoll: „Wie sehen die aus? Du hast doch nicht etwa ...?“
Maliputti blickte schuldbewusst und müde zu Malipu auf. Er war froh, wieder bei ihm zu sein. Es war nicht mehr nötig, ihn viel zu rügen. Das würde er nie, nie wieder tun. Er nahm es sich jedenfalls vor. Er kam gar nicht schnell genug zur Höhle, glitt hinein und verkroch sich in seinen Zipfelhut. Es ist eben nicht so leicht, ein Magihexer zu sein, dachte er, ehe er erschöpft von diesem Abenteuer einschlief.
*
Als er wieder erwachte, hörte er die Magihexer sich gegenseitig zurufen: „Kommt zum Erzählplatz! Jubila, der Glückliche, und Ermano, der Ermahner kommen von der Erde zurück.“
Während alle nach Maliputti gesucht hatten, waren die beiden auf der Erde bei Oma Berta und den Zwillingen gewesen.
Geschwind krabbelte Maliputti aus seinem Zipfelhut, als Malipu ihn aufforderte, zum ersten Mal in seinem Magihexerleben zum Erzählplatz am Lebensfluss mitzukommen. „... nachdem du schon allein dort gewesen bist ...“, hatte Malipu dabei gebrummt und ihn bedeutsam angesehen. Nur noch für einen Moment zog Maliputti daraufhin seinen Kopf schuldbewusst ein, dann folgte er ihm neugierig.
Von Oma Berta und den Kindern hatte er die andern bereits oft reden hören. Wenn er es richtig verstand, so war Oma Berta der einzige Mensch, der von ihnen und ihrem Land Magihexanien erzählen konnte, ohne zu wissen, dass es sie wirklich gab.
Er hatte auch davon gehört, dass irgendwann, bevor er zu Malipu gekommen war, die Eltern mit den Zwillingen beinahe in eine andere Stadt gezogen wären. Traurig und allein hätte Oma Berta zurückbleiben müssen. Das hatte sie alle sehr aufgeregt. Wie gut, dass es Zufido, dem Zufriedenen, gelungen war, einzugreifen und es abzuwenden. Dabei soll Oma Berta nicht einmal die richtige Oma der Kinder sein.
Wenn er nur mit zur Erde könnte. Das wünschte sich Maliputti. Doch Malipu sagte, das sei zu früh, zuvor müsse er noch viel lernen. Was denn? In seinem Zipfelhut hatte er einen kleinen Computer, der konnte ihm so viele Fragen beantworten, wie er wollte. Vielleicht wusste Malipu aber noch mehr, schließlich nannte man ihn den Wissenden.
Читать дальше