Werner Siegert - Die Tote an der Rosenbank

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Neben einer verwitterten Bank auf einem Gebirgssattel in den Dolomiten wird die Leiche einer Frau gefunden, ohne jeglichen Hinweis auf ihre Identität, unter der Bank eine verwelkte dunkelrote Rose. Keine Anzeichen von Gewalteinwirkung. Mord oder Selbstmord?
Die Spuren führen zu Gunter Terborg, dem Leiter einer Sommerakademie zum Themenbereich «Kreativität», und zu den Teilnehmerinnen. Unter anderem lernten die Teilnehmer, sich in andere Bewusstseins-Zustände zu versetzen. Im Alpha-Zustand kann man sich tranceähnlich an seinen Glücksort versetzen. Für Terborg war dies die Bank in den Dolomiten. Bei einem seiner Alpha-Ausflüge entdeckte er auf dieser Bank eine virtuelle Bacchara-Rose. Und nun wird ausgerechnet dort eine der Teilnehmerinnen tot aufgefunden – neben einer Rose.
Die beiden Kommissare Lothar Velmond und Maurice Elsterhorst teilen sich die Ermittlungsgespräche im engeren Kreis der Teilnehmerinnen. Dabei geraten sie in ein Geflecht aus Intrigen, Eifersucht und unerklärlichen Begebenheiten. Bei einem Treffen aller Beteiligten kommt es beinahe zu einer erneuten Katastrophe.

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Werner Siegert

Die Tote an der Rosenbank

Kriminalroman

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Inhaltsverzeichnis Titel Werner Siegert Die Tote an der Rosenbank - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Werner Siegert Die Tote an der Rosenbank Kriminalroman Dieses ebook wurde erstellt bei

Die Tote an der Rosenbank

Terborg und seine Verehrerinnen

Kommissar Velmond hört es wispern

Luisa de Valmont

Thalida Pernice

Damaris Schweizer

Iris Springer

Terborg im Präsidium

Der Schnüffler

Unerwartet schön

Elsterhorst greift ein

Raunen? Alraunen?

Das Picknick an der Rosenbank

Die Heimkehr

Finale furioso

Amoklauf am Etschberg-Sattel

Epilog

Notabene:

Hinweis

Impressum neobooks

Die Tote an der Rosenbank

Um diese Jahreszeit stieg ausgesprochen selten jemand zum Etschbergsattel auf. Unten im Tal ließen es sich die letzten Herbst-Touristen beim Törggelen gut gehen. Die Weinlese war vorbei, die Äpfel waren eingelagert, die gerösteten Maronen in den kleinen Tütchen wärmten Hände und Mägen. Die Invasion der Deutschen, insbesondere der Bayern, die Südtirol eigentlich als ihren widerrechtlich abgesprengten Regierungsbezirk empfinden, in dem man sich an der Sonnenseite der Alpen so richtig wohl fühlen kann, war beendet, die Mehrzahl der Touristen war wieder heim „ins Reich“ zurückgekehrt. Zahlreiche Hotels hatten schon zu und bereiteten sich auf die Wintersaison vor.

Die Lifte fuhren nur noch spärlich. Letzte warme Tage lockten vor allem Pilzsucher nach oben und allzu Sonnenhungrige, weil hier oben in günstigen Lagen noch Sonnenstrahlen das Herbstlaub zum Glühen bringen, wenn drunten im Tal in den Häusern schon die ersten erleuchteten Fenster sichtbar werden.

In der Übergangszeit vom Spätherbst zum Winter, in der nach Föhntagen immer mal wieder Berge und Almen mit einer zunächst noch flüchtigen Schneedecke überzogen wurden, in diesen Tagen muss es gewesen sein.

Der Haller Jakob war nochmal aufgestiegen, um an seinen Geheimplätzen späte Pfifferlinge, vielleicht auch den einen oder anderen Steinpilz zu finden. Außerdem schätzte er gerade jetzt die einsame, die ruhige Zeit, ohne Touristen und vor allem ohne Mountain-Biker, die krachend, quietschend und scheppernd durch Wälder und Almen brechen, die Wanderer auseinander scheuchen und die Wege ruinieren. Jetzt konnte man auch Rehe beobachten. Gämsen hatte er schon lange nicht mehr gesichtet.

Jakob musste sich sputen, denn der Abstieg vom Sattel war steil und steinig und lag auf der Schattseite, war also viel früher in gefährliches Dunkel gehüllt. Noch bei Dämmerlicht musste er den Almweg erreicht haben. Ab da konnte er es langsam angehen lassen.

Der Sattel, das war der westliche Übergang von Ausläufern der Seiser Alm zum Etschtal. Dort stand neben der Felswand zur Linken eine einfache Bank, roh zusammengezimmert, ein ausgewittertes, fast silbergraues Brett auf zwei Pfosten, unweit vom Wegweiser, der sternenförmig auf die vielen Bergpfade deutet, die hier zusammen laufen. Auf Wanderwege, früher auch Schmugglerpfade. Im dramatischen ersten Weltkrieg waren es Versorgungswege, Saumpfade für die Esel und Maultiere, die hier Fourage, Waffen und Munition hinüber transportieren mussten.

Als Jakob aus den niederen, windgeduckten Fichten und Kusseln hinaustrat auf das Wiesenstück, das die Bank umgibt, erschrak er nicht schlecht. Da hatte sich doch tatsächlich eine Frau, eine Städterin offenbar, noch längelang auf dem dürren Gras in der Sonne ausgestreckt. Ihr Rucksack war von der Bank runtergefallen und hatte seinen Inhalt zum Teil auf dem Weg verstreut.

„Holla!“ rief er. „Jetzt wird’s aber Zeit, Madl! Wenn du nicht hier übernachten willst, dann mach dich auf die Socken. In zwanzig Minuten findst du den Weg nimmermehr!“

Aber die Frau reagierte nicht. Überhaupt nicht. So laut Jakob sich auch bemerkbar machen wollte.

„Holla!“ rief er nochmal, so laut er konnte, und es gab weithin ein ziemliches Echo.

Erst als er näher trat, die Frau mit seinem Bergstock anstupste, da stutzte er, dann schrie er laut auf. Da wo mal die Augen dieser Frau mit dem krausen rotblonden Haar gewesen waren, hatten Vögel sie bereits rausgepickt. Ameisen liefen über das Gesicht. Eine Tote! Eine Tote! Hier! Jakob fasste sich an den Kopf, er bekreuzigte sich und versuchte, ein Vaterunser zusammen zu stammeln. Kraftlos und verzweifelt sackte er auf der Bank zusammen. Er versuchte wegzuschauen, als ob er das Gesehene damit auslöschen könnte. Er zitterte. Sicher, jetzt, nach den letzten Sonnenstrahlen floss die Kälte vom Berg; aber deshalb kein Zittern und Beben. Angst überfiel ihn. Er allein mit einer Leiche auf dieser Passhöhe! Ja, wenn er jetzt ein Handy dabei hätte, so wie die Stadtleut’ und seine Kinder. Aber er, wozu sollte er ein Handy haben? Mit diesen kleinen Tasten? Da würde er mit seinen Bauernpratzen immer gleich auf drei drücken.

Was jetzt? Die Almhütte zur Etsch hinunter war längst verlassen. Er könnte noch so laut rufen, niemand würde ihn hören.

Im letzten Licht versuchte er, die Siebensachen, die aus dem Rucksack auf den Weg gefallen waren, wieder hineinzuschieben. Alles würde er gar nicht finden. Nur damit niemand drauf tritt. Da lag auch noch ein abgebrochener Flaschenhals und Scherben .... von einer Weinflasche? Nein, von einer Champagnerflasche! Hier oben? Heidsiek stand auf dem schwarzgoldenen Etikett. Nie gehört. Er trank so ein Zeug sowieso nicht. Nie!

Inzwischen hatte er sich soweit gefasst, dass er die tote Frau mit einiger Andacht und Gebetegemurmel anschauen konnte. Wie lange mochte sie schon da liegen? Wieder und wieder schüttelte er sein Haupt und bekreuzigte sich. Kein Blut, soweit er das noch zu erkennen vermochte. Er müsse ihr das Gesicht zudecken. Aber womit? Mit seiner Jacke? Die würde er jetzt selbst dringend benötigen. Mit dem Rucksack? - nein, nein!

Jakob hastete zurück zu den Fichten und schnitt mit seinem Taschenmesser ein paar starke Zweige ab. Mit denen deckte er die Frau fast liebevoll zu, als solle sie sich darunter wärmen. Weiter konnte er nun wirklich nichts tun, als sich so schnell wie möglich - und so trittsicher wie möglich - über den kaum noch erkennbaren Bergpfad bergab zu tasten.

Am Tag wäre er vielleicht sogar juchzend die schmalen Serpentinen entlang gesprungen. Hätte er auch manche Abkürzung genommen. Nur ganz allmählich gewöhnten sich die Augen an die Finsternis. Nur einmal spürte er plötzlich, dass Wasser in seine Schuhe hineinfloss. Er hatte den Pfad mit einem kleinen Bach verwechselt. Zurück also bis auf festes Gestein. Was würde seine Frau, was würden die Kinder denken, dass der Papa noch nicht zurück ist?

Jakob brauchte fast eine Stunde, bis er das erste Gatter erreichte und damit endlich den breiten Almweg. Bei Tag .... zwanzig Minuten! Jetzt aber rannte er. Was seine Kräfte noch hergaben. Die Kräfte, die bei jedem Gedanken an die tote Frau zu erlahmen drohten.

„Heilige Maria, Mutter Gottes ....!“ keuchte er immer wieder vor sich hin, bis er endlich die ersten Lichter sah, endlich die ersten Häuser. Ja, jetzt kannte er sich wieder aus. Beim Gruber Fritz klopfte er heftig an die Tür. Ach wie lange dauerte es, wie lange? Schmerzhaft lange, bis die Steffi die Tür einen Spalt weit öffnete und erschrak:

„Du, Jakob, ja wie schaust denn du aus! Wieso kommst du denn um diese Zeit hier vorbei?“

„Da oben, da oben, da oben ....“, stammelte er keuchend. Und versuchte, ungefähr die Richtung anzuzeigen. „Da oben liegt eine tote Frau! Da oben, bei der Bank! Da liegt eine Tote! Heilige Maria, Mutter Gottes ....“

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