1 ...8 9 10 12 13 14 ...18 Aber auf eines möchte ich hinweisen: Niemand verlässt München und wenn, dann nur mit meiner Genehmigung!“ Hans-Heinrich meldet sich zu Wort: „Wie stellen Sie sich das denn vor, ich muss zu meiner Arbeit nach Frankfurt.“ „Ich bin sicher, Sie finden einen Weg“, entgegnet Gerd Wildfang ungerührt. Sie wollen sich gerade trennen, da bekommt Wildfang einen Anruf auf dem Handy. „Aha, verstehe, also ganz klar Mord!“ Als er das Gespräch beendet hat, wendet er sich mit finsterer Miene an die Anwesenden: „Meine Herrschaften, bitte geben Sie mir ihre Reisepässe!“ Jeder reicht dem Kommissar seinen Reisepass. Was Gerd Wildfang vergessen hat, Ester hat natürlich noch ihren Schweizer Pass. Aber sie wäre ja dumm, wenn sie das jetzt erwähnen würde.
Dieter aus Salzburg hat noch einen Personalausweis, also können eigentlich alle drei innerhalb Europas reisen, denn auch Hans-Heinrich, hat einen zweiten Ausweis. Vorerst geht man auseinander, aber Wildfang kündigt an, dass er schon morgen Früh alle einzeln vernehmen will. „Um neun im Präsidium“, verkündet er. Ester winkt sich ein Taxi herbei und Dieter steht plötzlich neben ihr. „Du nimmst mich doch mit. Ich möchte schon dabei sein, wenn du den Safe im Haus aufmachst.“
„Da irrst du, das ist alleine meine Angelegenheit.“ „Gut, dann komm ich heute Abend um acht bei dir vorbei.“ Ester verschwindet in Richtung Friedensengel und Dieter steht mit Hans-Heinrich vor dem Tor der Polizeiwache in der Ettstraße. Hans-Heinrich grinst ihn an. „Jetzt wo wir wissen, dass wir Brüder sind, könnten wir uns eigentlich ein Bier genehmigen. Was hältst du davon?“
„Das ist endlich mal eine gute Idee“, meint Dieter. Dieter kennt sich in München recht gut aus, da er ja schon öfter mit Ester zum Essen ausgegangen ist. Sie gehen um zwei Ecken und landen im Augustiner. „Sag mal, du kanntest Ester schon. Aber woher?“, will Hans-Heinrich wissen. Dieter beginnt eine lange Erklärung vorzubereiten, aber Hans-Heinrich bittet ihn um eine kurze Fassung der Geschichte. Nachdem dieses Kapitel abgeschlossen ist, beginnen sie mit dem Abgleich ihrer Geburtsdaten. Wer ist wann und wo geboren? So stellen sie fest, dass sie nur zwei Jahre auseinander sind. „Unser Vater hat ja ganz schön herumgehurt“, so Dieters Feststellung. Sie prosten sich zu und meinen: „Auf unsere Bruderschaft!“ „Den Bruderkuss können wir uns ja wohl schenken“, meint Hans-Heinrich. Ester ist inzwischen am Normannenplatz angekommen. Der Briefkasten quillt über von Kondolenzschreiben. Sie ruft ihre Haushaltshilfe und bemerkt, dass diese sehr einsilbig ist. „Um Gotteswillen, ich hab ja ganz vergessen, dass sie gestern Geburtstag hatten!“ Ester greift in ihre Börse und zieht einen Schein heraus. „Kathi, kaufen Sie etwas Schönes, oder gehen Sie mit Ihrem Mann schön zum Essen!“ „Vielen Dank, aber mein Mann hat mich vor zwei Jahren verlassen.“ „Dann gehen Sie halt mit einer Freundin.“
Als Kathi schweigt, sagt Ester: „Ich will jetzt nicht gestört werden, ich habe einiges im Arbeitszimmer zu tun. Wenn ein Anruf kommt, sagen Sie bitte, ich bin gerade nicht zu sprechen!“ Nun hat Ester Zeit sich dem Safe zu widmen. Wo ist nur der Zettel mit der Geheimzahl. Maximilian hat die Kombination fast täglich geändert. Dafür hatte er ein richtiges System entworfen. Dann aber wird sie fündig. Heute ist die Geheimzahl Esters Geburtstag, also ganz einfach. „Was hat er sich dabei gedacht? Wie einfältig!“ „Sagten Sie etwas, Gräfin?“, kommt es von Kathi der Haushälterin. „Nein, ich hab nur mit mir selbst gesprochen.“ Als Kathi die Türe wieder hinter sich geschlossen hat, entnimmt Ester dem Safe zuerst einen Stoß Papiere. Es wird ihr wohl nichts anderes übrig bleiben, jedes einzeln zu inspizieren. Dann aber hält sie endlich eine Blechschachtel in der Hand. Das muss das Bargeld sein.
Zu oft hat sie beobachtet, wie Maximilian hier sein Geld zum Ausgehen herausgenommen hat. Sie öffnet die Schachtel und in diesem Moment fällt ihr ein, dass ihr Mann ja kurz bevor sie nach Salzburg gefahren sind einen Packen Scheine herausgenommen hat. Nach diesem Gedanken folgt auch schon der Schock, gerade mal zweitausend Euro sind in der Blechschachtel. „So eine Scheiße!“, entfährt es ihr. „Gnädige Frau, kann ich Ihnen behilflich sein?“, ertönt es vom Gang. „Nein, ist schon recht!“ Nun weiß die Gräfin, dass sie in den nächsten Tagen nach Zürich muss. Sie entschließt sich, gleich mal bei der Lufthansa anzurufen. „Für übermorgen, ja das ist recht so, die Frühmaschine bitte!“ Kaum hat sie diesen Satz ausgesprochen hat, hört sie von ihrer Haushaltshilfe Kathi einen Aufschrei.
„Gnädige Frau, hier liegt ein Kuvert mit einer Menge Geld!“ „Die Rettung!“, ruft Ester. „Lassen Sie sehen! Wo war das Kuvert?“ „Es war offen, ich hab nichts angerührt. Als ich es in die Hand nahm, viel ein Päckchen heraus“, verteidigt sich Kathi. Ester betrachtet sich das Kuvert und liest darauf: „Für Dieter“ Ester beginnt zu zählen. Zweiundzwanzigtausend. Da werde ich wohl besser ein neues Kuvert nehmen und den Betrag in den Safe tun. Sie wird die Summe in die Blechschachtel geben, in der sich ja noch zweitausend befinden. „Gerettet!“, denkt sie sich. Nach dem der Schock mit dem Geld abgeklungen ist, genehmigt sich Ester einen doppelten Whisky. „Bringen Sie mir bitte eine Tüte mit den Kartoffelchips!“ Kathi denkt sich, kaum ist der Graf weg, wird sie primitiv. Jetzt isst sie die Chips schon aus der Tüte! Ester liegt mehr auf der Couch, als sie sitzt. Nebenbei blättert sie in den Papieren und muss feststellen, dass es Unterlagen für Beteiligungen sind. So erfährt sie aus verschiedenen Unterlagen, dass ihr Mann mit Hans-Heinrich zusammen Anteile an einem Fond hat. Da wird sie mit Hans-Heinrich reden müssen. Diese Beteiligung wird er auf sie übertragen müssen, darauf wird sie bestehen. Dann aber läutet es. „Hier ist ein Herr Dieter von Weißenhahn“, vermeldet Kathi.
„Bringen Sie ihn bitte in den Salon! Ich komme gleich. Ach und fragen Sie ihn, was er trinken möchte!“ Aber Dieter steht bereits hinter Ester. „Ach sieh mal einer an, da gab es ein Kuvert mit meinem Namen darauf.“ „Ja, das lag auf seinem Schreibtisch, aber es war leer.“ Dieter greift nach dem Kuvert und findet darin einen Schnipsel von einer Geldbandarole eines Geldinstitutes. „Da war Geld drinnen, wo ist es?“ „Ich fand es leer, vielleicht hat ja dein Vater vorher Geld darin gehabt. Als ich es fand, war es auf jeden Fall leer“, versichert Ester. Kathi hört das Gespräch und überlegt, ob sie zu Dieter etwas sagen soll, aber sie entscheidet sich anders. Sie wird nichts sagen, schließlich steht sie ja in den Diensten von Ester. Die Gräfin wird schon ihren Grund haben, das Geld zu verschweigen. Ester bittet Dieter in den Salon zu gehen, da sie befürchtet, dass er noch mehr herumschnüffeln wird.
„Das ist das Arbeitszimmer deines Vaters und jetzt ist es meines, ist das klar? Was willst du eigentlich von mir?“, fragt sie Dieter. „Ich möchte daran erinnern, dass du vor genau zwei Wochen sagtest, dass du froh wärst, wenn der Alte endlich weg wäre. Hast du ihn umgebracht?“ „Ich hab so etwas niemals gesagt. Ich habe meinen Grafen geliebt“, beteuert Ester. „Das hat sich damals anders angehört. Vielleicht hast du ja eine Person engagiert, die etwas nachhalf. Aber gut, wenn du mir nicht helfen willst, dann werde ich es eben dem Hauptkommissar Wildfang stecken“, droht Dieter.
„Wieviel Geld brauchst du denn?“ „Eigentlich sind es fünfzig, aber fünfundzwanzig würden vorerst auch reichen.“ „Da muss ich zuerst auf die Bank.“ „Rede keinen Unsinn, wir wissen alle, dass auf der Bank kein Geld mehr liegt. Das hast du sicher ohne Wissen von Papa umgebucht, schließlich weiß ich, dass du auch eine Vollmacht hast.“ „Das stimmt nicht, wäre gar nicht möglich gewesen, da nur er an die Konten konnte. Er und natürlich der Notar.“ Dieter spürt Esters Nervosität und begreift, dass sie beide im selben Boot sitzen. „Habt ihr in der Schweiz noch ein Konto?“ „Ja da haben wir eines, aber das gehört meinen Eltern. Das hat sich Maximilian so ausgedacht.“ „Aber deine Eltern sind doch schon gestorben“, meint Dieter. „Da irrst du. Meine Mutter lebt in einem sehr schönen Altenstift. Aber ich gebe zu, sie hat starke Demenz. Sie wird keine Ahnung von irgendeinem Konto haben.“
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