Er war so richtig in seinem Element. Der Handwerker in ihm wurde wieder wach. Schließlich hatte er damals seine berufliche Karriere als Schreiner begonnen und den Meister darin gemacht. Er ging zum Werkzeugschuppen und begann damit die ein oder andere kleine Reparatur zu erledigen. Dabei fiel ihm auf wie viel Arbeit außerdem noch gemacht werden musste und wie viel Spaß er doch daran hatte. Er blickte auf die Uhr und war überrascht wie schnell dabei die Zeit vergangen war und wie gut es ihm doch getan hatte einmal nicht zu grübeln.
Nachdem er alle Geräte gründlich gereinigt hatte, legte er alles wieder ordentlich an seinen Platz zurück. Danach musste er ein zweites Mal duschen gehen, so sehr hatte er sich verausgabt. Mit einem Pfeifen auf den Lippen kam er aus der Dusche und begegnete Ellen auf dem Weg in die Küche. "Hallo Boss!", lächelte die ihn an. "Es freut mich sie so fröhlich zu sehen. Ich habe ihnen eine Kleinigkeit zu essen hingestellt. Wenn sie gleich essen .... es ist noch warm." "Danke Ellen, ich esse schnell. Ich muss mich beeilen. Ich habe einen Termin mit Prof. Wollersheimer im Krankenhaus.", antwortete er und lief eiligst zur Küche.
Ellen ging nach oben ins Bad um die Wäsche zu holen, während Peter eilig die leckere Mahlzeit von Ellen in sich hineinschlang. Körperliche Arbeit und frische Luft machen richtig hungrig, stellte er dabei fest. Wie gut, dass Ellen immer so gut für in sorgte. Er stellte das dreckige Geschirr in die Spüle und machte sich erneut auf den Weg zur Garage. Grinsend warf er einen Blick auf den Mäher bevor er sich in sein Cabriolet schwang. Auf dem Weg ins Krankenhaus fühlte er sich bedeutend besser als am Vortag und in ihm reifte so allmählich eine Idee heran........
"Hallo Herr Mantari" Professor Wollersheimer streckte Peter die Hand zum Gruß entgegen. Peter grüßte zurück und drückte sie fest. Er hatte auf dem Weg hierher einen Entschluss gefasst und wollte nun mit dem Professor über sein Vorhaben reden. Zunächst hörte er sich jedoch den Bericht des Professors an. Doch viel Neues hatte er dabei nicht erfahren. Tina ging es nach wie vor gesundheitlich gut. Sie fühlte sich soweit auch ganz gut aber ihre Erinnerung war noch immer nicht zurückgekommen und es machte auch nicht den Anschein, als würde sich das in der nächsten Zeit ändern. Er nannte das eine "Hysterische Amnesie", wie sie nach einem Trauma durchaus vorkommen konnte. Das bestärkte Peter nur in seiner Idee. Er erzählte dem Professor was er vorhatte. Der Professor war schon lange Peters Arzt und Vertrauensperson in einem. Er wusste um die privaten Probleme zwischen den beiden Eheleuten und hatte auch die Entwicklung dahin beobachten können. Auch ihm gefiel nicht wie sehr sich das Verhältnis der beiden zueinander verändert hatte und daher hatte er auch keine Einwände gegen Peters Plan. Schaden konnte er, seiner Meinung nach, schließlich keinen damit anrichten. Peter hatte vor, Tina vorerst in dem Glauben zu lassen er sei der Hausmeister seines eigenen Anwesens und die Eigentümer befänden sich auf einem längeren Auslandsaufenthalt. Dabei könnten sie noch einmal von ganz vorne anfangen. Vielleicht wäre seine Tina dann doch wieder irgendwie die Frau, in die er sich damals so sehr verliebt hatte. In der Zeit, in der Tina ihre Reha machen musste, würde er alle erforderlichen Dinge veranlassen, damit sie beide ins Gästehaus einziehen konnten, um dort das Leben des einfachen Hausmeisterehepaares zu leben. Der Plan war perfekt. Die Firma würde sich bei ihm nur per E-Mail melden und ihre Freunde, die Kleins und die Haushälterin Ellen, würde er in seinen Plan einweihen.
Er war so richtig beflügelt von dem Gedanken an sein neues Leben mit Tina. Doch nun musste er ihr erst einmal begegnen und ihre Reaktion auf ihn abwarten. Er war doch ziemlich aufgeregt, als er mit dem Professor vor ihrer Tür stand, doch gleichzeitig wirkte er sehr entschlossen. Der Professor klopfte und trat zuerst in ihr Zimmer. Peter folgte ihm kurz darauf.
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Robin Meier hatte es satt, ständig den Bediensteten zu spielen. Außerdem machte ihm sein Herz sehr zu schaffen. Bei jeder kleinen Anstrengung machte es Krawall, als wenn es ihm aus der Brust herausspringen wollte. Doch er konnte es nicht wagen einen Arzt aufzusuchen. Früher, ja früher, als er noch wesentlich jünger war, da war er es, der den Frauen gezeigt hatte wer hier der Boss ist. Nun musste er hier den Lakaien mimen. "Ja Frau Mantari. Sicher Frau Mantari. Ich komme sofort Frau Mantari." So wie gestern als Tina Mantari ihn im Garten angetroffen hatte und meinte: "Ah Robin. Gut, dass ich sie sehe. Ich hätte da noch ein paar Bilder aufzuhängen. Würden sie mir dabei helfen?" Er hatte sich gerade wieder einmal übernommen und rieb sich den Brustkorb, sodass sie es nicht sehen konnte. "Sicher Frau Mantari... ich bin gleich bei ihnen" Pä...würden sie mir dabei helfen. Sicher würde er ihr dabei helfen. Er wurde schließlich dafür bezahlt und hatte hier ein sicheres Versteck vor der Polizei gefunden. Stets zu Diensten Frau Mantari, dachte er und machte sich auf den Weg über die Terrassentür in die Villa.
Am nächsten Tag war er zu ihrem Mann Peter gegangen und hatte gekündigt. In der Nacht hatte er es fast nicht mehr ausgehalten. Seine Schmerzen waren so unerträglich geworden, dass er dachte er würde sie nicht überleben. Er hatte vor weiterzuziehen. Viel weiter. Einen Ort wo man von seiner Vergangenheit und dem was er getan hatte nichts wusste und er sicher einen Arzt aufsuchen konnte. Der Boss, der Idiot hatte ihm auch noch ein ganz nettes Sümmchen zum Abschied, in einem Kuvert übergeben. Damit, und dem gesparten Lohn der letzten Jahre, wo hätte er denn auch groß sein Geld ausgeben sollen, würde er eine ganze Weile gut auskommen, ohne gleich wieder irgendwo den Deppen spielen zu müssen. Er packte seine paar Habseligkeiten in dem geräumigen Gästehaus zusammen und machte sich zu Fuß auf den Weg in die Ortschaft. Absichtlich war er gegangen als niemand im Haus war. Mantari oder seine Frau hätten ihn sicher gefahren, mit einem ihrer „ach so tollen Autos“. Aber das wollte er nicht. Er wollte einfach nur schnell weg, ohne noch einmal Danke sagen zu müssen.
Im Ort angekommen, merkte er doch wie anstrengend so ein Fußmarsch für ihn mittlerweile geworden war. Er setzte sich am Rand des Parks auf eine Bank, um sich ein wenig auszuruhen. Wie schön es hier doch war. Selten war er aus seinem kleinen "zu Hause" in den Ort gekommen. Aber jetzt im Frühling wo hier alles blühte konnte er sich so richtig freuen über den Anblick des geschäftigen Treibens und dachte: Warum soll ich hier nicht noch ein paar Tage bleiben und es genießen nichts tun zu müssen?! Nach so vielen Jahren sucht mich hier bestimmt niemand mehr. Direkt gegenüber vom Park war eine kleine Pension, die nach außen hin sehr gemütlich wirkte. Dort meldete er sich unter seinem falschen Namen, an den er sich mittlerweile schon so gewöhnt hatte, an.
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Tina war sauer.....richtig sauer. Peter warf ihr vor nicht mehr die Gleiche zu sein wie damals, als sie sich kennengelernt hatten. Stimmt, dachte sie, ich bin nicht mehr dieselbe wie damals. Aber das war das Ergebnis dessen was Peter aus ihr gemacht hatte. Er hatte sich im Lauf der Jahre schließlich auch verändert. Als er noch der einfache Schreiner im Betrieb seines Vaters gewesen war hatten sie sich kennengelernt. Er, der aufstrebende Junghandwerker, und sie, eine einfache junge Frau, die in einer örtlichen Kneipe aushalf. Sie waren noch frisch verheiratet, da übernahm er den väterlichen Betrieb. Als Geschäftsinhaber seiner rasant wachsenden Schreinerei hatte er zusätzliche gesellschaftliche Verpflichtungen die auch sie mittragen musste. Peter wünschte sich damals von ihr, dass sie von nun an ganz für ihn und seine Karriere da war. Eine Kneipenkellnerin passte einfach nicht zu einem aufstrebenden Jungunternehmer. Es war ihm egal, dass er damit ihre eigenen Pläne durchkreuzte. Blind vor vermeintlicher Liebe ließ sie zu, dass er ihr Leben von dem Moment ab, an dem sie ihn kennenlernte, voll und ganz bestimmte. So kam es, dass sie ausgerechnet die ihr liebsten, und bis dahin wichtigsten, Menschen enttäuschte. Helmut und Elsie, die eigentlich Elisabeth hieß, aber von Tina liebevoll so genannt wurde. Die beiden waren sehr gute Freunde ihrer Eltern gewesen. Nach deren tragischen Tod durch einen Autounfall nahmen sie Tina zu sich, als sie zwölf Jahre alt war. Die Beiden hatten damals schon die gemütliche Eckkneipe in der Bahnhofstraße und wünschten sich, dass Tina sie eines Tages übernehmen würde. Sie sahen in ihr die Tochter, die sie leider selbst nie bekommen hatten. Tina fühlte sich auch sehr wohl bei den Beiden und der Arbeit in ihrem kleinen Lokal. Dass sie eines Tages in die Fußstapfen der Zwei treten würde, stand für sie außer Frage. Die Arbeit ging ihr leicht von der Hand. Die Meisten der Stammgäste kannte sie von klein auf. Viele Arbeiter kamen schon zum Mittagstisch, weil man hier für wenig Geld eine gute und anständige Mahlzeit bekam. „Das glückliche Eck“, so wie sich die Wirtschaft nannte, war jeden Tag
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