Prolog Souls, having touched, are forever entwined. ( Deep Purple, “Above & Beyond”)
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Zwei
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Acht
Neun
Zehn
Elf
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Dreizehn
Vierzehn
Fünfzehn
Sechzehn
Siebzehn
Achtzehn
Neunzehn
Zwanzig
Impressum neobooks
Souls, having touched, are forever entwined.
( Deep Purple, “Above & Beyond”)
Isle of Hoy, Orkney Islands, Schottland
»Was zum Teufel ist da draußen los?«
Antons Frage war an niemand Bestimmten gerichtet. Er starrte aus dem Fenster in das Grauschwarz hinaus und kniff die Augen zusammen. Sein Haar war verschwitzt, seine Kopfhaut juckte unerträglich. Er rechnete nicht mit einer Antwort, aber er wünschte sich, jemand würde etwas Beruhigendes sagen. Etwas, das ihm eine Erklärung gab, die nichts mit den Schüssen von eben zu tun hatte. Eine Bemerkung, die ihm eine Garantie gab, dass Peter nichts passiert war. Dass sie alle nicht in Gefahr waren. Dass das Ganze ein schlechter Traum gewesen war.
Er lauschte. Aber das Einzige was er hörte, waren der Regen und sein eigener Herzschlag, dumpf und unnatürlich laut in seinen Ohren.
Schließlich drehte er sich um und sah in Gesichter, die ebenso ratlos – und ängstlich – aussahen, wie er selbst sich fühlte.
Automatisch suchte er den Belgier, aber Patrik schien weiter hinten im Haus zu sein. Anton konnte ihn dort mit irgendetwas hantieren hören.
Schließlich kam Patrik in sein Blickfeld. Er hatte eine Entschlossenheit im Blick, die dem Langen ein gutes Gefühl vermittelte.
Wie eine Eiche im Sturm, dachte er und merkte die Banalität nicht einmal. Vielleicht war jetzt die Zeit für Parolen und martialische Statements gekommen.
»Ich geh nach die Jong schauen«, sagte Patrik. »Ich denke, dass Peter Hilfe braucht«. Die Art und Weise, wie er sie alle dabei ansah, ließ keinen Zweifel aufkommen. Er war wild entschlossen, nicht länger abzuwarten, sondern aktiv etwas an ihrer Situation zu ändern. Koste es, was es wolle.
In die Truppe, die eben noch wie paralysiert gewirkt hatte, kam Leben.
»Ich bin dabei«, sagte Angela knapp, aber entschieden, und griff nach ihrer Jacke.
»Ich auch«, sagten Wolfram und Anton fast gleichzeitig, was Malcolm mit einem Augenrollen quittierte.
»Hey, hey! Rustig maar«, versuchte Patrik, die anderen zu beruhigen. »Wir können nicht allen gehen.«
»Wieso? Was für einen Sinn macht es, hier zu warten?«, raunzte Angela ihn an.
»Rüstig?«, fragte Wolfram und schüttelte den Kopf.
»If the boys are going, I’m going as well«, warf Malcolm ein.
Patrik sah verwirrt von einem zum anderen.
Er sah in fahle, abgekämpfte Gesichter, die allesamt um Jahre gealtert zu sein schienen. Aber er konnte auch die Bestimmtheit sehen, mit der jeder Einzelne seine Entscheidung getroffen hatte. Keiner von ihnen würde zurückbleiben.
»Okay, okay… Dann gehen wir eben allen die Jong helpen.«
Er drehte sich zur Eingangstür, öffnete sie einen Spalt, zögerte.
Dann wandte er sich Anton zu.
»Und es heißt rustig, niet rüstig.«
Anton konnte nicht anders. Er lachte laut los und irgendwie half dieses typische, meckernde Lachen allen.
»Und was bedeutet dein rüstich ?«
Patrik suchte nach dem richtigen Wort.
»Ruhig«, sagte er schließlich. »Es bedeutet, ruhig zu sein.«
»Na, das kommt ja vom Richtigen«, entgegnete Wolfram trocken.
Patrik setzte zu einer Entgegnung an, entschied sich dann aber anders. Abrupt drehte er sich wieder um und riss die Tür vollständig auf.
Und erstarrte mitten in der Bewegung.
»Guten Abend zusammen«, sagte Walter Hartmann jovial. »Schön, Sie endlich alle kennenzulernen.«
Patrik benötigte in der Dunkelheit einen Moment, um die Situation zu erfassen. Als er schließlich das ganze Ausmaß erkennen konnte, passierte etwas von höchster Seltenheit.
Den Belgier verließ jede Zuversicht. Mutlos starrte er auf die Truppe, die ihnen da gegenüber stand.
Der grinsende Hartmann, die fleischigen Finger seiner linken Hand um die Brust einer trotzig dreinschauenden Frau gelegt. Links und rechts von ihm in einem Halbkreis vier weitere Männer, bewaffnet mit Pistolen und einem Gewehr. Und alle Waffen waren auf sie gerichtet – auf ihn selbst und die kleine Schar von Freunden, die hinter ihm zur Tür drängten.
Zu Hartmanns Füßen lag ein undefinierbares Objekt. Dann bewegte sich dieses Etwas und Patrik wusste, dass sie dieses ungleiche Spiel endgültig verloren hatten.
Peter stöhnte leise, als er langsam wieder zu sich kam. Offensichtlich hatten die Kerle ihn bewusstlos geschlagen. Patrik spürte eine Welle von Wut in sich aufsteigen. Er atmete tief ein, zwang sich zur Ruhe, während er ihre Chancen abwog. Das waren nutzlose Gedankenspiele eines ewigen Rebellen und er wusste es. Dass sie Peter entdeckt und ausgeschaltet hatten, machte jede Option auf eine überraschende Wendung zunichte.
Patrik resignierte endgültig. Sie hatten nicht die Spur einer Chance.
»Die Waffe auf den Boden legen, schön langsam«, mischte sich Hartmann in seine Gedanken.
Und mit Nachdruck in Richtung der anderen, die sich hinter Patrik aufgestaut hatten:
»Und Sie kommen bitte auch aus dem Haus, schön langsam, einer nach dem anderen. Ihre Waffen bitte ebenfalls auf den Boden legen.«
Der einstige BND-Agent zeigte ein Lächeln, das seine kleinen Augen fast in den Hautfalten verschwinden ließ.
»Wir wollen ja nicht, dass jemand was passiert.«
Patrik bückte sich bemüht langsam, um die Pistole auf den Boden zu legen. Dabei gab er den Blick für die anderen frei, die immer noch nicht erfasst hatten, was da draußen los war.
Angelas erster Impuls war, zurück in Deckung zu gehen, aber Malcolm legte ihr die Hand auf den Arm.
»Forget it, honey. We’re done here…« Seine Stimme war tonlos und ohne jeden Optimismus.
Wolfram und Anton starrten unisono wie hypnotisiert auf die Szene, die sich vor ihnen ausbreitete. Keiner der beiden war fähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Schließlich fügte sich Angela.
Sie zwängte sich an Malcolm und Patrik vorbei, starrte Hartmann mit funkelnden Augen an.
»Ihre Waffe, Schätzchen. Ich sage das nur ein einziges Mal«. Hartmanns Drohung war unmissverständlich.
Einen Moment war es fast totenstill. Selbst der Sturm schien einen Augenblick zu lauschen, der Regen fiel lautlos.
McFall hob den Lauf seines Gewehrs ein Stück an. Hartmanns Augen verengten sich.
Schließlich legte Angela ihre Waffe zu der von Patrik auf den Boden. Sie warf Hartmann einen vernichtenden Blick zu, schwenkte dann mit den Augen zu Caitlin. Mit kindlicher Freude sah Hartmann die Wut – und die Verachtung – in ihrem Blick.
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