WER BIST DU WIRKLICH?
Lilly M. Beck
Artcover: Chris Phillips
Copyright: BERLINABLE UG
Berlinable lädt dich ein, alle deine Ängste hinter dir zu lassen und in eine Welt einzutauchen, in der Sex der Schlüssel zur Selbstbestimmung ist.
Unsere Mission: Die Welt verändern - Seele für Seele.
Akzeptieren Menschen ihre eigene Sexualität, formen sie eine tolerantere Gesellschaft.
Worte der Inspiration, des Mutes, der Veränderung.
Öffne deinen Geist und befreie deine tiefsten Begierden.
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EINS
Lachend und tanzend laufen die beiden Frauen Richtung Tresen durch den Club. Sie waren lange nicht mehr zusammen aus und genießen gerade die ausgelassene Stimmung des Abends. Endlich abschalten. Einfach nur sein. Gedanken werden sich morgen wieder gemacht. Die letzten Wochen waren anstrengend für beide.
Vicky und Odette kennen sich von einem gemeinsamen Job und sind seitdem die besten Freundinnen. Das Schöne an solch einer Verbindung ist, dass nichts erwartet wird und man sich trotzdem hundertprozentig aufeinander verlassen kann. Nach dem schrecklichen Unfalltod von Victorias Eltern hat Mama Schneider sie unter ihre Fittiche genommen, ist ihr beigestanden bei all dem Papierkram und hat ihr geholfen, eine eigene Wohnung zu finden und zu beziehen. Das Angebot, bei der Familie ihrer Freundin zu wohnen, hatte Vicky jedoch abgelehnt. Immerhin war sie gerade 18 geworden und hatte sich sowieso schon nach etwas Eigenem umgeschaut. Zu wissen, dass sie trotz allem nicht allein ist, bedeutet ihr bis heute die Welt. Leider hat sie keine Geschwister und ihre Großeltern sind schon lange nicht mehr. Odette ist mittlerweile wie ihre Schwester und Odettes Eltern gehören definitiv auch zur Familie. Sie hatten ihr immer wieder gesagt, wie sehr sie Vicky für ihre Stärke bewundern und, dass die Schneidersche Türe immer, immer offenstehe.
Vicky lehnt seit der Bestellung mit dem Ellbogen auf der glänzenden Bar und stützt ein Bein auf Stufe vor der Theke auf. Sie nimmt zuerst die abgeknipste Getränkekarte vom Barkeeper und dann die bestellten Getränke entgegen. Geschickt reicht sie Odette ein paar Flaschen nach hinten und nimmt dann selbst den Rest. Der Bass wummert aus den großen Lautsprechern und die Menge bewegt sich im Takt dazu. Hier hinten ist es ganz schön stickig. Odette läuft voran, nicht ohne ihre Begleitung im Auge zu behalten. Große-Schwester-Style eben. Vicky grinst sie breit an und wirft ihre Haare in den Nacken. Das Lied ist gut. Gefällt ihr sehr. Sie bewegt ihre Hüften und grölt mit Odette den Refrain mit. Auch nach so vielen Jahren fühlt sie sich beschützt in der Gegenwart ihrer Freundin. Und das kommt nicht von ungefähr: Odette kämpft, wenn es sein muss, wie eine Löwenmama für Vicky. Immer. Die beiden haben schon einiges miteinander erlebt. Normal, wenn man als Mädchen in einem roughen Berliner Kiez aufwächst. Da hat man die größten Chancen, wenn man zusammenhält.
Die Jungs, die Odette noch nicht versorgt hat, nehmen Vicky aufmerksam die Flaschen aus dem Arm. Einer der jungen Männer zieht ihre Freundin direkt in die Sitzgruppe, auf seinen Schoß und bedankt sich auf besondere Art fürs Bierholen. Odette erwidert den Kuss leidenschaftlich, bis einer der Begleiter sie antippt.
„Sag mal, kennst du den Kerl, mit dem Vicky da quatscht?“, fragt er.
Neugierig beobachten alle zusammen die Szene. Vicky tätschelt dem großen Fremden die Schulter und weicht dann den Scherben und der Pfütze ihres Getränks aus.
Die Freunde schauen sie alle erwartungsvoll an und sie muss herzhaft lachen, als sie das bemerkt. „Ihr seid unmöglich!“
Jeder von ihnen macht ein unschuldiges Gesicht und weist diesen Vorwurf von sich.
Der Typ, der Vicky beim Tanzen versehentlich das Bier aus der Hand geschlagen hat, hat den umliegenden Gästen Bescheid gegeben wegen der Scherben und sich dann um deren Beseitigung gekümmert.
Vicky dankt Lio und nimmt gerne einen großen Schluck von seinem angebotenen Getränk. Das tut unglaublich gut. Ihr ist gerade sehr heiß geworden. Sie behält es und er senkt die Hand lachend, mit der er seine Flasche wieder zurücknehmen wollte.
Lässig lehnt sie an der dicken Betonsäule, abseits der Tanzfläche. Hat ein Bein überkreuzt aufgestellt, die Arme verschränkt und betrachtet interessiert den großen Fremden. Vicky gefällt, was sie sieht. Sein Outfit ist cool. Leger. Eigenwillig. Er trägt makellos weiße Sneaker - was hier allein schon eine große Kunst ist - dunkelgraue Jeans, die leicht hochgekrempelt seine Knöchel freigeben und zu dem lockeren Eindruck beitragen. Außerdem hat er sein weißes Hemd bis vor die Ellbogen hochgekrempelt und in die Hose gesteckt. Er trägt schwarze Hosenträger und eine dunkle Fliege. Die Haare hat er an den Seiten sehr kurz und oben mit etwas Gel in Form gebracht.
„Witziges Outfit für den Club“, denkt Vicky.
Sie schaut ihm aus einiger Entfernung beim Wischen zu und bewundert wohl etwas zu offensichtlich seine Rückseite, seine breiten Schultern, seinen Körper. Sie fühlt sich mit einem Mal sehr beobachtet und schaut zu ihrer Freundin herüber. Odette bedeutet ihr mit einer Geste, dass sie sie beobachte und genau wisse, wie geil der Hintern sei. Beide Lachen und prosten sich zu. Als sie wieder hinschaut, ist der Fremde verschwunden und die Menge belegt wieder die volle Fläche. Vicky schickt ihrer Freundin lachend einen Luftkuss zu. Odette fängt ihn und deutet an, ihn sich ins Oberteil zu stecken und dort zu liebevoll zu verwahren. Sie sitzt immer noch bei Niklas. Die beiden haben eine lockere Affäre. Er wendet sich ihr nun gerade aus seinem Gespräch heraus zu.
„Nein, warte, ich muss ihr kurz antworten“, kichert Odette.
Er schaut verständnislos zwischen den beiden Frauen hin und her, winkt ab und widmet sich dann doch wieder der Männergruppe. Die Verbindung zwischen Frauen werden Männer sowieso niemals nachvollziehen können. Vicky stößt sich von der Säule ab, an die sie eben noch angelehnt stand, und will gerade nach dem imaginären Kuss von Odette greifen, als eine große männliche Hand dazwischenfährt und ihn ihr wegschnappt.
Sie schaut in zwei belustigt funkelnde, dunkle Augen. Der Typ mit den Hosenträgern steht nun vor ihr. Wortlos fordert Vicky mit ausgestreckter Hand, dass er den Kuss gefälligst herausrücken solle, und er antwortet ebenfalls mit einer Geste. Er reicht ihn ihr und zieht dann seine Hand in dem Moment zurück, als sie zugreifen will. Er hält seinen Hosenbund ein klein wenig vom Körper weg, zwinkert sie spitzbübisch an und lässt den imaginären Kuss in seinen Schritt fallen. Ihre gespielte Empörung bringt ihn herzlich zum Lachen und er tritt näher an sie heran. Seine Finger greifen ihre Seite und holen sie näher zu sich heran. Er beugt sich zu ihr vor und bietet ihr gleichzeitig ein neues Bier an.
‚Oh, der riecht gut‘, denkt Vicky.
„Tut mir leid, hab dir ein neues mitgebracht“, versucht der Typ gegen die Musik anzukommen.
Er lehnt sich wieder nach hinten, um sicherzugehen, dass sie nach der Flasche greift und lächelt sie entschuldigend an. Vicky grinst, nickt und nimmt ihm das Bier dankend ab. Es ist laut hier, direkt unter den Boxen, und eine Unterhaltung ist nicht möglich.
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