Beim Abendessen saßen alle gemeinsam im großen Esszimmer und erzählten wie ihr Tag so war. Shana durfte anfangen, da es ja ihr erster Schultag war. Nach dem Essen spielte Shana mit Conlin, Kain und Abel noch ein paar Runden Billard. Irgendwann in der Nacht fiel Shana dann total fertig in ihr Bett und schlief zufrieden ein.
Als Shana am nächsten Morgen in der Schule ankam, warteten Amy und Jenna bereits auf sie. Schnell begrüßten die Mädchen sich, bevor sie in Bewegung setzten. Mit guter Laune gingen die Mädchen zu ihren Spinten, wo Jenna und Amy von einem wirklich heißen Kerl abgepasst wurden. Shana erhaschte nur einen flüchtigen Blick auf ihn. Er hatte eine wilde blonde Mähne, die im Licht golden leuchtete. Seine stahlblauen Augen sahen milde und freundlich aus. „Guten Morgen. Wie geht’s euch zwei Hübschen denn heute?“ Unverschämt sexy spannte sein Shirt über seine Brust als er sich gegen den Spint lehnte. Die Drei quatschten eine Weile und Shana merkte, wie sie wieder unsichtbar wurde. Enttäuschung machte sich in ihr breit. Dachtest du echt nur, weil zwei Mädchen nett zu dir sind, dass sich etwas verändert hätte? Gar nichts hat sich verändert! Du bist für Jungs immer noch unsichtbar! Sei lieber dankbar, dass dich überhaupt einer auf der Schule leiden kann! Es könnte viel schlimmer sein! Doch die ernüchternde Wahrheit tat nicht weniger weh als erwartet. Wie ein gebeutelter Hund versteckte sie sich stumm und tat so als würde sie in ihrem Spint nach etwas suchen. Ja, nach mehr Mut! Mit aller Kraft schluckte sie den größer werdenden Kloß herunter. „Und wer ist die Neue dort drüben?“ Hörte Shana den heißen Kerl sagen. „Damon das ist Shana Sarez. Sie ist erst vor ein paar Tagen mit ihrem Dad hergezogen.“ Amy ist ein Schatz! Ein wohliges Gefühl machte sich in ihr breit und vertrieb die sonst allgegenwertige Angst anders zu sein.
In ihrer alten Schule hatte sie recht wenige Erfahrungen mit Jungs oder Freundschaften oder überhaupt irgendetwas Zwischenmenschliches sammeln können. Außer Sophie näherte sich ihr keiner Freiwillig. Rick – der Typ den Shana unabsichtlich ins Jenseits verfrachtet hatte – datete sie auch nur wegen einer kindischen Wette. Er wettete mit seinen Football Kumpels, dass er es schaffen würde sie innerhalb von einer Woche ins Bett zu bekommen. Shana wusste von Ricks eigentlichen Absichten und traf sich trotzdem mit ihm. Der Grund war so einfach wie dämlich: Rick war ein typischer Sportler: Groß, gutaussehend, beliebt. Aber auch wenn das Interesse groß war, war sie trotzdem nicht gewillt gewesen mit ihm zu schlafen. Es war bloß ein hoffnungsloser Versuch meinen Ruf zu verbessern. Ein Versuch der gründlich daneben ging. Tief seufzend blendete sie mal wieder die Gegenwart aus. „Shana, wenn du fertig bist mit… was du da gerade machst, möchte ich dir gerne jemanden vorstellen.“ Hörte sie Jenna hinter sich. Vor lauter Schreck fuhr Shana hoch und stieß sich mit voller Wucht den Kopf. „Au, verdammt!“ Fluchend hielt sich den Kopf und tauchte aus dem Spint auf. Als sie sich umdrehte traute sie ihren Augen kaum. Der heiße Typ von eben stand nun direkt vor ihr. Seine blauen Augen sahen aus der Nähe noch intensiver aus. Wie gebannt stand sie da und wusste nicht so recht, wie sie reagieren sollte. „Damon das ist Shana Sarez, unsere neue Klassenkameradin. Shana das ist Damon Miller. Er ist ein Jahr über uns.“ Amy schien vor ihm ihre Schüchternheit völlig abgelegt zu haben. Vertraut legte sie eine Hand auf seine Schulter und grinste Shana vielsagend an. „Freut mich…ähm…“ Dank Amy konnte sie sich kaum konzentrieren. „Damon. Es freut mich dich kennen zu lernen.“ Beendete er ihren Satz und griff nach ihrer Hand. „Damon.“ Shana schnappte aufgeregt nach Luft und fragte sich gleichzeitig, ob sie sich noch dümmer hätte anstellen können.
Damon lächelte sie verheißungsvoll an. Shana spürte wie ihr Herz einen Schlag aussetzte. „Keine Sorge du wirst ihm ab heute öfter begegnen. Er ist mit und im Sonderlingenkurs, indem du doch auch bist, oder?“ sagte Jenna schelmisch und zwinkerte ihr zu. „Äh, ja ich glaube schon.“ So langsam ließ der Schmerz in ihrem Kopf nach. „Jenna nenn es nicht den Sonderlingenkurs. Sie meint den Elkadakurs, da wozu wir keine Bücher bekommen haben.“ Erklärte Amy und funkelte ihre Freundin böse an. Jenna wiederrum hob unschuldig die Schultern und verdrehte ihre grünen Augen. „Naja irgendwie hat sie ja recht. Findest du nicht, dass wir alle etwas sonderbar sind?“ Jede Bewegung schien für den Stoff einen Stresstest darzustellen. „Das ist ein Kurs für besonders begabte Elibia. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Alle in dem Kurs sind eigentlich ganz okay.“ „Bis auf unser kleiner Trouble Maker!“ Jenna verzog das Gesicht. Als die Beiden zu kichern begannen, ergriff Amy wieder das Wort. „Gabriel ist auch nett, er ist nur etwas verschlossen. Ich bin mir sicher, er ist gar kein so schlechter Mensch, wie ihr beiden denkt! Er hat sich bis jetzt nur noch keinem geöffnet! Das ist auch kein Wunder, wen ihr so gemein zu ihm seid!“ „Wir?! Gemein?! Er ist doch derjenige, der alles und jeden nervig findet und uns klar und deutlich gemacht hat, dass er seine Ruhe haben will. Und außerdem ist er gefährlich.“ Protestierend verschränkte sie die Arme vor der Brust und legte die Stirn kraus. Damon tat es ihr gleich und nickte ihr zustimmend zu. „Schließlich sagte er, dass er nichts und niemanden braucht! Da sage ich nur: Wen nicht will der hat schon. Außerdem konnte ich seine ignorante Art noch nie leiden!“ Damons Abneigung war nicht zu übersehen. Jeder Muskel seines Körpers schrie förmlich danach. In dem Moment ertönte die Schulglocke. „Ich bin dann mal weg. Wir sehen uns heute Nachmittag zur gewohnten Zeit, bis später Mädels!“ verabschiedete sich Damon und verschwand in der Menschenmenge. „Na kommt ihr Beiden, wir dürfen bei Mr. Hobkins nicht zu spät kommen.“ Amys Drängeln bewirkte, dass selbst Jenna quengelnd hinter ihr her trottete. In der dritten bis zur sechsten Stunde hatten sie Mrs. Adiam. Erst Mathe, dann kam auch noch Biologie. Mrs. Adiam war ein richtiges Monster. Unter den Schülern hatte sie den Spitznamen ‚Drachenlady ’ergattert. So einen Drachen habe ich auch noch nie gesehen. Und dann muss diese Frau ausgerechnet Mathe und Bio unterrichten. Halloo?! MATHE und BIO!! Für Shana konnte der Tag kaum schlimmer werden. Als diese qualvollen vier Stunden mit dem Teufel höchstpersönlich beendet waren, gingen Amy und Jenna schon mal vor aufs Dach. Nach der Horrorshow wollte sie einen Teil der Mittagspause dafür nutzen sich ein wenig die Beine vertreten. Die letzten Stunden hatten ihr echt den Rest gegeben. Etwas frische Luft wird das schon wieder hinkriegen! Shana entschloss sich in einem kleinen Wäldchen auf dem Schulgelände spazieren zu gehen.
Während sie durch den Wald schlenderte, sah sie auf einmal eine Gestalt auf der Wiese liegen, die sich an einem Baum angelehnt hatte. Es war ein sehr attraktiver junger Mann, er trug eine dunkelblaue Jeans und ein schwarzes Hemd. Seine kurzen Haare waren pechschwarz und vom Wind ziemlich zerzaust. Die dunklen Haare und seine dunkle Kleidung, ließ seine Haut noch blasser erscheinen, als sie eigentlich war. Vorsichtig ging Shana auf ihn zu. Ihr Herz schlug so fest, dass sie fürchtete, es spränge ihr noch aus dem Brustkorb. Er ist so atemberaubend schön, die Friedlichkeit in Person! Bei diesem Anblick fühlte sich ihr Herz unbefangen an. Und gleichzeitig überkam sie ein vertrautes Gefühl: Furcht. Irgendetwas an ihm war gefährlich, Shana wusste es, sie spürte es regelrecht. Ihre Instinkte dröhnten in ihren Ohren: Lauf weg! Gefahr! Los, renn! Und dennoch konnte sie sich nicht von ihm abwenden. Es war, als ob er sie magisch anziehen würde und Shana hatte keine Chance, sich dagegen zu wehren. Selbst wenn sie gewollt hätte, sie hätte es nicht gekonnt. Langsam und vorsichtig beugte sich Shana zu dem Unbekannten hinunter und berührte sanft seine Schulter während sie leise flüsterte: „Hallo? Bist du wach? Hallo?“ Als sie seine Hand berührte, erschrak sie fast zu Tode. Der Fremde war eiskalt!! Blitzschnell ließ sich Shana neben ihn auf den Boden fallen und legte ihr Ohr auf seine Brust. Kein Herzschlag… Er hat keinen Puls…Was mache ich nur?!?! Panisch von dem Gedanken vor einer Leiche zu sitzen packte sie den Fremden an den Schultern und schüttelte in so gut sie konnte. Dabei schrie sie den Fremden unentwegt an. „Hallo? Hey Du wach auf! Das ist kein Scherz oder? Wach auf!“ Wie aus dem nichts packte eine Hand ihren Unterarm und schubste sie etwas von sich weg. Dabei ließ er ihren Arm nicht los. Erschrocken richtete sie sich wieder auf und saß dem Fremden genau gegenüber. Er hatte sich inzwischen hingesetzt und schaute Shana mit seinen unglaublichen Augen fassungslos an. Sie war wie gebannt. Er schaute sie mit seinen silbernen Augen an, und es fühlte sich so an als ob er in ihre Seele blicken konnte. Ich habe in meinem Leben noch nie so faszinierende und mystische Augen gesehen… silberne Augen… Plötzlich riss er sie aus ihrer Faszination. „Warum zum Teufel hast du mich geweckt? Wer bist du überhaupt?“ Er sprach leise und ruhig. Seine Stimme war sehr männlich und kalt. Shana spürte die Kälte in seinen Worten klar und deutlich. Sie passte zu seiner kalten Hand. Plötzlich merkte sie, wie es ihr fröstelte. „Es tut mir leid. Du sahst so blass aus also wollte ich nachsehen, ob es dir gut geht. Als ich gemerkt habe wie kalt du bist habe ich Panik bekommen.“ Sie wusste nicht woran das lag aber ihr ganze Körper zitterte wie Espenlaub. War es wegen dieser unerklärlichen Kälte? Oder war es die Angst?
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