Jan-Hillern Taaks
Der Alte spinnt
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Inhaltsverzeichnis
Titel Jan-Hillern Taaks Der Alte spinnt Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
50. Kapitel
51. Kapitel
52. Kapitel
53. Kapitel
54. Kapitel
55. Kapitel
56. Kapitel
57. Kapitel
58. Kapitel
59. Kapitel
60. Kapitel
61. Kapitel
62. Kapitel
Impressum neobooks
"Der alte Berber kommt," sagte Lilo, die unten in der Schalterhalle der Bank arbeitete. Sie war gerade frei. Also nahm sie das Telefon und rief Herrn Markwardt, ihren Chef, an. Der Chef hatte mal gesagt, dass er sofort zu benachrichtigen sei, wenn der alte Berber komme. Und so sagte sie, als sich der Chef gemeldet hatte: "Der alte Berber kommt".
Da kam der Alte auch schon. Er durchschritt schnell die Schalterhalle und ging zu Treppe, die zum ersten Stock führte, zur Chefetage. Den Fahrstuhl verschmähte der Alte. Er war groß, breit und wirkte kräftig und gesund, wenngleich er seinen Gehstock bei sich hatte und ihn auch benutzte. Den Gehstock hatte er immer schon bei sich, meinte Lilo. Der Alte hatte einen grau-schwarzen Mantel an, und er trug einen schwarzen Hut mit breiter Krampe. Er hielt sich sehr grade und wirkte trotz seines fortgeschrittenen Alters fit aus. Lilo sah, wie der Alte oben verschwand.
Der alte Max Berber ging sofort auf die Tür des Chefs zu, durcheilte das kleine Vorzimmer, betrat das Büro des Herrn Markwardt, der sich erhoben hatte und ihn mit ausgestreckter Hand begrüßte. Er bat ihn, sich zu setzen. Er bot keinen Kaffee oder Tee an, denn er wusste, dass der Alte das abgelehnt hätte. Der Alte kam wegen irgendeines Geschäftes, nicht wegen einer Tasse Kaffee.
„Bitte, verkaufen Sie alle meine Anteile an der Real-Immo AG,“ bat Max Berber, ohne sich mit Begrüßungsfloskeln aufzuhalten.
Er und Herr Markwardt saßen im recht großen und hellen Büro des Bankdirektors. Der Raum war einigermaßen gemütlich eingerichtet, jedenfalls saß Herr Berber recht bequem. Er hätte sich auch auf einen Küchenstuhl gesetzt. Er hätte das Geschäft auch im Stehen abwickeln können. Herr Markwardt schaute Herrn Berber überrascht, fast fassungslos an und wusste zunächst nichts zu sagen. Das freundliche Lächeln war verschwunden. Schließlich fragte er:
„Darf ich fragen, warum Sie verkaufen wollen? Der Kurs ist in den letzten sechs Woche rapide gestiegen, und der Aufwärtstrend geht weiter.“
„Das ist mir bekannt. Bitte führen Sie den Auftrag schnellstmöglich aus,“ Herr Berber ließ keinen Zweifel zu. Er wollte verkaufen, aber er hatte keine Lust, dem Direktor seine Gründe mitzuteilen.
Bei dem Verkauf handelte es sich um keine Kleinigkeit. Es drehte sich um Millionen. Er hatte vor knapp einem Jahr die Anteile für rund € 4,5 Millionen gekauft. Der Wert lag jetzt bei knapp über € 8 Millionen, und den Gewinn wollte der alte Berber einstreichen. Warum? Und warum jetzt? Der Kurs würde vermutlich stark zurückgehen, wenn plötzlich so viele Anteile der Real-Immo auf dem Markt erscheinen würden. War das die Absicht des Alten? Wollte er Real-Immo in Schwierigkeiten bringen? Oder hatte er Informationen, die die Bank nicht hatte? Und was wollte der Alte mit dem Geld machen?
„Haben Sie schon daran gedacht, das Geld wieder anzulegen?“ fragte Herr Markwardt schließlich Er wagte es nicht, Vorschläge zu machen. Das war ihm einmal passiert, und er hatte eine tüchtige Abfuhr erlebt. Der alte Berber hatte ihm kalt gesagt, dass er über gute Anlagen mehr wisse als er und als seine Mitarbeiter.
„Ja, ich weiß, was ich mit dem Geld tun werde. Sie werden es rechtzeitig erfahren,“ sagte der Alte jetzt.
Damit erhob sich Herr Berber, nickte dem Bankdirektor kurz zu und verließ das Büro.
Nein, Herr Berber war in der Bank und vor allem beim Bankdirektor nicht besonders beliebt, und doch gehörte er zu den wenigen wichtigen Kunden, die hofiert werden mussten. Herr Markwardt würde seinen Posten verlieren, wenn der Alte die Bank wechseln würde. Für ihn wäre das eine gelinde Katastrophe und ganz sicher ein Knick in seiner Karriere.
Der Alte war Rentner, das behauptete er von sich selbst. Das mochte richtig sein. Er war nicht mehr aktiv im Berufsleben, und er hatte nach und nach alle Posten in Aufsichtsräten und Stiftungen abgegeben. Aber führte er das Leben eines Rentners? Was für ein Privatleben hatte er? Man wusste, dass er in Harburg, außerhalb der Stadt natürlich, eine große Villa hatte, man kannte natürlich die Adresse. Früher hatte sich die Geschäftswelt Hamburgs oft in der Villa getroffen, aber das gab es nicht mehr, und man sagte sich, der Alte lebe ganz zurückgezogen.
Das Haus des Herrn Berber war das letzte und isolierte Haus hinter einer kleinen Reihe von Villen im Speckgürtel von Hamburg. Es lag abgelegen, und es hatte keine unmittelbaren Nachbarn. Büsche und Bäume grenzten das Grundstück ein, und der große Garten glich eher einem Park. Herr Berber ging täglich, morgens zu früher Stunde, die Straße hinab, die von seiner Villa an einem kleinen Waldstück vorbei zu den Nachbarhäusern und dann zur Hauptstraße führte. Dort angekommen, kehrte er um und ging zurück, schnellen Schrittes. Nur selten begegnete ihm einer der Nachbarn. Im Sommer gab es hier und da sogar Spaziergänger aus der weiteren Umgebung. Man grüßte sich, mehr aber auch nicht. Nachbarn, die ihn schon recht oft gesehen haben, hielten ihn für unnahbar.
Auf diesen morgendlichen Spaziergängen beschäftigte sich Max Berber mit vielerlei Themen. Manche Themen hatten etwas mit der Wirtschaft und der Wirtschaftsentwicklung zu tun. Seiner Meinung nach war der gesamte Finanzsektor krank, auch wenn die Finanzkrise allem Anschein nach überwunden war. Aber das war nur ein Thema. Er beschäftigte sich auch mit dem ersten Weltkrieg, der vor einhundert Jahren die damalige Welt in großes Unglück stürzte und rund 17 Millionen Menschenleben gekostet hatte. Der zweite Weltkrieg war seiner Meinung nach eine logische Folge des ersten Krieges. Wieder ein anderes Thema war die Zeit, die im Sekundentakt tickt und die nicht aufzuhalten ist.
Wenn Max sich mit diesen Themen beschäftigte, sah er keine Menschen, oder er sah sie, bemerkte sie aber nicht. Das war nicht immer so gewesen, erinnerte sich ein Herr Gimmel, der der nächste Nachbar war. Seine Frau und die verstorbene Frau Berber hatten einen recht guten Kontakt mit Nachbarn gehabt, der jedoch abgebrochen war, als sie gestorben war. Der alte Berber, allein geblieben, lud niemanden zu sich ein, und er wurde auch nicht eingeladen. Herr Gimmel hatte einmal versucht, auf der Straße ein Gespräch anzufangen, aber das Gespräch endete, bevor es überhaupt so richtig begonnen hatte. Der schrullige Alte, so nannte er ihn, hatte ihn geradezu unhöflich abblitzen lassen. Jetzt mied er den Alten. Man hatte sich nichts zu sagen.
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