Jan-Hillern Taaks
Die Wolf
Otto Mundt und seine Familie
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Inhaltsverzeichnis
Titel Jan-Hillern Taaks Die Wolf Otto Mundt und seine Familie Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
50. Kapitel
51. Kapitel
52. Kapitel
53. Kapitel
54. Kapitel
55. Kapitel
56. Kapitel
57. Kapitel
58. Kapitel
59. Kapitel
60. Kapitel
61. Kapitel
62. Kapitel
63. Kapitel
64. Kapitel
65. Kapitel
66. Kapitel
67. Kapitel
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70. Kapitel
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73. Kapitel
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77. Kapitel
78. Kapitel
79. Kapitel
80. Kapitel
81. Kapitel
Impressum neobooks
Jan-Hillern Taaks
Die Wolf
oder
Otto Mundt und seine Familie
Kennen Sie die Wolf? Nein? Die meisten kennen sie nicht. Im Straßenbild fällt sie trotz ihrer Größe nicht auf. Fragt man allerdings Leute von der Hamburger Staatsanwaltschaft, so hört man:
"Die Wolf? Ja, die kennen wir. Die ist gefährlich."
Nicht alle sagen so, aber es gibt kaum einen Staatsanwalt, der nicht nervös wird, wenn sie auf der anderen Seite sitzt, als Verteidigerin zum Beispiel. Und es gibt auch einige Psychologen, die mit ihr nichts zu tun haben wollen. Wer ist "die Wolf?"
Frau Dr. Helene Wolf, 1965 als Helene Marquart geboren, war mehrere Jahre Mitarbeiterin der Kanzlei Abelt, Abelt, Rossmer und Partner, und sie ist dort immer noch. Wenn man ihr in späteren Jahren begegnete, so schien sie eine nüchterne, schmucklose Person zu sein, die aber auch im reiferen Alter Menschen durch unerwarteten Charme gefangen nehmen konnte. Sie war schlank, fast hager, und über 1,80 cm groß. Meistens trug sie ein graues Kostüm und eine weiße Bluse, dazu einfache Schuhe mit flachen Absätzen. Ihr längliches Gesicht war ausdrucksstark, und wenn sie lächelte, so lächelte das ganze Gesicht. Die sanften, braunen Augen, die gerade, lange Nase, der breite Mund wirkten sympathisch, aber auch abweisend. Die mit Grau durchsetzten Haare trug sie streng in einem Knoten gebunden. Es war auffallend, dass sie keinen Schmuck trug. Es gab keine Kette, keine Brosche, keinen Ring, auch keinen Ehering.
Helenes Mutter war Louise Marquart, die einen Ralf Boring geheiratet hatte, als sie bereits im fünften Monat schwanger war. Der Mann, den sie heiratete, war nicht der Vater des Kindes, und so war auf der Geburtsurkunde zu lesen, dass der Vater unbekannt sei. Später wurde bekannt, dass sowohl Louise als auch Ralf sehr wohl wussten, wer der Vater gewesen war, aber sie hatten aus Gründen, die nicht ganz klar waren, darüber geschwiegen. Beide, Louise als auch Ralf liebten das Mädchen, sie waren mit ihr glücklich. Die kleine Helene war der Mittelpunkt der kleinen Familie. Weitere Kinder kamen nicht.
Die Religion spielte in diesen Jahren keine große Rolle. Ralf kam aus einem protestantischen Elternhaus, aber er war in jungen Jahren aus der Kirche ausgetreten. Louise Marquardt kam aus einem katholischen Haushalt, aber die Bindung zur Kirche hatte sich sehr früh gelockert. Sie und Ralf waren nicht kirchlich getraut worden. Allerdings war Helene nach katholischer Konfession getauft worden, und in den ersten Jahren ging Louise regelmäßig mit der Kleinen zum sonntäglichen Gottesdienst.
Louise war an den Folgen eines Unfalls gestorben, als Helene gerade sieben Jahre alt gewesen war. Ralf hatte es dann übernommen, das Kind allein zu erziehen, was zunächst gar nicht so einfach gewesen war. Ralf war ein vielbeschäftigter Mann, denn als Filialleiter eines Supermarktes hatte er für das Mädchen nicht so viel Zeit, wie es vielleicht erforderlich gewesen wäre. Es half, dass Helene sehr ruhig war. Es war, als würde Helene verstehen, dass ihr Stiefvater sich alle Mühe gab, ihr ein Zuhause und Geborgenheit zu bieten. Für den Haushalt gab es noch eine Reinigungskraft, die natürlich kein Ersatz für die Mutter war.
Der Abschied von der Mutter war für Helene sehr schwierig gewesen. Die Mutter hatte sie Abend für Abend zu Bett gebracht, sie hatte mit ihr gesungen, sie hatte das Abendgebet gesprochen und sie hatte ihr Geschichten erzählt oder vorgelesen. Helene hatte diese abendlichen Stunden geliebt, und manchmal hatte sie gedrängt, ins Bett gehen zu dürfen - nur um den Abend mit der Mutter zu genießen. Nun war die Mutter nicht mehr da. Helene versuchte, tapfer zu sein, denn sie spürte, dass auch Ralf Probleme hatte, den Abschied von der Mutter zu verkraften.
Helene war ein sehr ruhiges Mädchen, das sehr früh lernte, selbständig zu sein. Sie half im Haushalt mit, und sehr früh begann sie, für Ralf und für sich das Frühstück vorzubereiten, und sie kümmerte sich bereits als elfjähriges Mädchen um die Wäsche. Täglich kam eine ältere, nette Frau, die mehr oder weniger den Haushalt versorgte. Sie hieß Irene, war mittelgroß und sehr rundlich mit einem enormen Busen. Wo Ralf diese Frau kennengelernt hatte, war nicht ganz klar. Aber sie kümmerte sich um das Mädchen, soweit es ging, und sie war auch da, wenn Helene ihre Schulaufgaben machte. Das Mädchen war eine fleißige Schülerin, von der die Lehrer sagten, sie sei manchmal zu ruhig, und es wäre besser, wenn sie sich mehr am Unterricht beteiligen würde.
Es gab dann noch eine Tante Adelheid, die Schwester der Mutter, aber sie erschien bestenfalls einmal pro Monat, um "nach dem Rechten zu schauen", wie sie sich ausdrückte. Diese Aufgabe nahm sie nicht ganz ernst, denn ihre Besuche waren stets sehr kurz, und sie hatte keine Streicheleinheiten für das Mädchen übrig. Sie hatte Ralf einmal gesagt, dass sie mit Kindern nichts anzufangen wisse. Sie war verheiratet, aber sie hatte selbst keine Kinder und wollte auch keine haben, wie sie immer wieder betonte. Später kam sie nicht mehr. Und diese Tante Adelheid geriet in Vergessenheit.
Dann gab es noch einen Onkel Otto, von dem es hieß, er sei ein Verwandter der Mutter, was Tante Adelheid aber abgestritten hatte. Im Grunde war es Helene gleichgültig, wie nah oder fern Onkel Otto mit wem verwandt war, aber er war da, und er hatte für das heranwachsende Mädchen immer nette, fast liebevolle Worte. Für Helene gehörte Otto zu ihrer kleinen Familie, und wenn er kam, war er ihr willkommen. Onkel Otto und Ralf mochten sich, und sehr oft saßen die beiden fast gleichaltrigen Männer lange Abende beisammen und diskutierten. Andere Verwandte schien es nicht zu geben, jedenfalls spielten sie im Leben der heranwachsenden Helene keine Rolle.
Wegen ihrer guten Leistungen auf der Grundschule war es für Ralf und Onkel Otto eine Selbstverständlichkeit, das Mädchen aufs Gymnasium zu schicken. Helene war auch auf dem Gymnasium eine recht gute Schülerin, vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern. Der Klassenlehrer hatte mal zu Ralf gesagt, dass Helene ein fabelhaftes Gedächtnis habe, und dass sie analytisch denken könne. Sie war vielleicht nicht die Klassenbeste - das wollte sie auch nicht sein - aber in ihren Zeugnissen fanden sich keine "ausreichend" oder gar "mangelhaft". Im Sport zeichnete sie sich beim Wassersport und im Turnen aus, während sie den Mannschaftssport wie Handball oder dergleichen mied.
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